Teures Angebot: 1,1 Millionen statt 120.000 Euro pro Jahr für Strom und Gas . Auf solche Forderungen kann sich Bäckerei-Chefin Caterina Künne nicht einlassen: „Wenn wir das auf die Preise umlegen, bleiben die Kunden  weg.“
Foto: Jörg Wiebking

Energiekosten

Unkalkulierbare Energiepreise:  „Wir sind doch keine Tankstelle“

Manche Betriebe werden 2023 das Doppelte oder Dreifache für Energie zahlen, andere sehr viel mehr. Woher kommen die Unterschiede? Diese Chefin einer Bäckerei kennt die Antwort.

Auf einen Blick:

  • Mehr als das Neunfache soll die Bäckerei Künne in Hannover demnächst für Strom und Gas zahlen. Das liegt nicht am Verbrauch, denn der hat sich in den letzten Jahren in dem Handwerksbetrieb kaum verändert.
  • Die unterschiedlichen Erhöhungen der Energiekosten haben etwas mit Sonderkonditionen zu tun, die für viele Betriebe nun wegfallen, aber auch mit unterschiedlicher Risikobereitschaft, weiß Caterina Künne.
  • Für ihren Familienbetrieb hofft sie noch auf Alternativen zu den neuen Höchstpreisen - und auf politische Unterstützung für das Handwerk. Um Zuschüsse geht es  Ihr dabei nicht.
  • Caterina Künne (38) führt mit ihrem Mann eine Bäckerei in Hannover: 60 Mitarbeiter, sieben Filialen, ein Familienbetrieb in dritter Generation. Sie kümmert sich seit 12 Jahren um die Finanzen und damit auch um die Energiekosten. Jetzt ist sie in allen Medien präsent – seit sie das Angebot eines Energieversorgers für eine extreme Preiserhöhung erhalten hat. 

    Kostenexplosion: 1,1 Millionen statt 120.000 Euro

    Frau Künne, wie hoch werden Ihre Energiekosten 2023 sein?

    Caterina Künne: Wenn ich das Angebot unterschrieben hätte, dass wir im August bekommen haben, dann wären es 1,1 Millionen Euro. Das ist mehr als das Neunfache von dem, was wir bisher zahlen. Wir haben in den letzten Jahren immer zwischen 120.000 und 130.000 Euro für Gas und Strom bezahlt, 2022 werden wir uns auch in dieser Spanne bewegen – wenn wir nicht noch kurzfristig eine Kündigung bekommen.

    Das Neunfache ist heftig. Woran liegt das? Andere berichten vom Doppelten oder Dreifachen.

    Künne: Das habe ich mich auch gefragt und ein bisschen umgehört, auch in anderen Gewerken. Es liegt daran, dass Kunden mit hohem Verbrauch bisher Sonderkonditionen hatten. Diese Sonderkonditionen gibt es jetzt nicht mehr, die bekommt anscheinend niemand mehr. Deswegen schlägt das bei uns und bei den anderen energieintensiven Betrieben so stark durch.

    Wenn zum Beispiel ein Betrieb mit Sonderkonditionen bisher 5 Cent pro Kilowattstunde Strom bezahlt hat und ein anderer mit geringem Verbrauch bei 25 Cent lag, dann zahlen demnächst beide vielleicht 50 Cent. Für den einen ist das eine Verdopplung, für den anderen eine Verzehnfachung. Unterschiede scheinen eher davon abzuhängen, bei welchem Versorger man ist und ob man bereit ist, sich auf Risiken wie kurze Kündigungsfristen oder Preisänderungen einzulassen.

    Aber Sie haben das Angebot noch nicht unterschrieben?

    Künne: Nein, das geht gar nicht. Wie sollen wir diese Mehrkosten auf unsere Preise umlegen? Dann bleiben die Kunden weg.

    Energiekosten: Günstigere Angebote waren riskant

    Wie geht es jetzt weiter?

    Künne: Unser Vertrag läuft bis zum Jahresende. Seit Juni suchen wir nach einem neuen, bezahlbaren Angebot und wir suchen weiter. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit freien Energieberatern zusammen. Solche Energieberater bündeln die Nachfrage ihrer Kunden und suchen nach günstigen Angeboten der Versorger. Die kaufen teilweise direkt an den Energiebörsen ein, wenn die Kurse dort günstig sind. Da kommt es manchmal einfach auf den richtigen Tag an. Wenn die Preise stark schwanken, kann man so seinen Bedarf für ein Jahr zu einem guten Kurs decken. Nur dass die Preise derzeit höchstens mal leicht nach unten gehen und dann wieder anziehen. Es ist total verrückt, wie sich die Gas- und Strompreise an den Börsen entwickeln.

    Sie suchen seit Juni nach einem neuen Angebot, waren die Preise da nicht noch günstiger?

    Künne: Doch, wir hatten im Juni das Angebot eines Versorgers zum Dreifachen unseres aktuellen Preises.

    Warum haben Sie nicht zugegriffen?

    Künne: Weil das Angebot mit einem Sonderkündigungsrecht verbunden war. Die hätten uns von heute auf morgen kündigen oder die Preise beliebig erhöhen können. Wir hätten keine Planungssicherheit gehabt, hätte keine Preise kalkulieren können … Das Risiko war mir zu hoch. Es ist so schon schwer genug einzuschätzen, wie sich das Konsumverhalten meiner Kunden entwickeln wird, wenn sie demnächst weniger im Portemonnaie haben, weil sie selbst höhere Energie-Abschläge zahlen müssen.

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    Alternative Ersatzversorgung: „Preise sind nicht planbar“

    Wenn Ihr Vertrag Ende 2022 ausläuft und Sie bis dahin keinen neuen haben, bleibt Ihnen noch die Grund- oder Ersatzversorgung. Die ist auch nicht gerade preiswert.

    Künne:  Das stimmt, wir könnten dann in die Ersatz- oder Grundversorgung wechseln und werden nicht von heute auf morgen ohne Gas und Strom dastehen. Aber die ist nur ein absoluter Notnagel, denn da habe ich das gleiche Problem wie mit den anderen Angeboten, die wir bisher bekommen haben: zu teuer, zu riskant, nicht planbar … Wir sind doch keine Tankstelle, die für ihre Waren jeden Tag neue Preise kalkulieren kann. Das machen die Kunden nicht mit.

    Worauf warten Sie dann?

    Künne: Auf eine politische Lösung. Wir sehen doch, dass es so nicht geht, dass das Handwerk und der Mittelstand das nicht stemmen können. Dass hier Betriebe und Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Deswegen gehen wir auf die Straße und ich hoffe, dass die Bäcker nicht nur im Norden demonstrieren, sondern im ganzen Land, auch im Süden. Wir müssen gemeinsam klar machen, um was es jetzt geht.

    Hilfe erwünscht: Preisdeckel statt Zuschüsse

    Wie müsste so eine Lösung aussehen?

    Künne: Ich glaube nicht, dass es ohne eine staatliche Deckelung der Energiekosten geht. Ich meine eine Deckelung für alle. Es gibt ja auch Forderungen nach Ausgleichszahlungen für betroffene Betriebe. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der Staat das für alle Betriebe bezahlen kann. Und wie sollten auch die Regelungen für solche Zahlungen aussehen: Müssen die Betriebe dann erst wieder wie bei Corona Umsatzeinbrüche prognostizieren, um einen Fixkosten-Zuschuss zu bekommen? Das wäre ziemlich unsinnig, weil das Problem nicht die Fixkosten sind, sondern die laufenden Energiekosten. Das lässt sich einfach nicht prognostizieren. Oder sollen wir diesmal vielleicht erst Hilfe bekommen, wenn wir Verluste machen und eine drohende Insolvenz nachweisen können? Das funktioniert nicht! Wenn ich Verluste mache, ist es zu spät.

    Also bleibt nur eine Deckelung der Energiepreise …

    Künne: Das ist nach meiner Einschätzung der einzige Weg, Insolvenzen zu verhindern. In anderen EU-Staaten geht das doch auch. Da muss jetzt schnell etwas passieren.

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