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Foto: handwerk.com

Kette der Kanzlerin im TV-Duell

"Es muss ein Schmuck durch Deutschland gehn"

Die "Deutschlandkette" von Angela Merkel war der eigentliche Star im TV-Duell der Kanzlerkandidaten. Angefertigt hat sie der Goldschmiedemeister Hans-Peter Weyrich. Er kann sich seither vor Anfragen kaum retten.

Die Kanzlerin hatte sie am Hals: eine schwarz-golden-rote Kette. Dass die farbliche Reihenfolge anders war, als bei der deutschen Nationalflagge, tat ihrer Wirkung keinen Abbruch. Das Merkelsche Schmuckstück zog die Blicke der Fernsehzuschauer auf sich und löste noch während der Sendung eine Kettenreaktion im Internet aus: Beim Kurznachrichtendienst Twitter wurde spontan der Account @schlandkette eingerichtet – "Schland" ist seit der rauschhaften Fußballweltmeisterschaft von 2006 das Nuschelwort für Deutschland. „Es muss ein Schmuck durch Deutschland gehen“, hieß es dort zum Beispiel. Oder: „Sie trägt mich falsch! Ich bin doch nicht Belgien!“ Der Account hatte noch am gleichen Abend tausende von Followern.

Hans-Peter Weyrich hatte mit dem Fernsehduell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück eigentlich nichts am Hut, er saß an dem Abend gar nicht vor dem Fernseher. Kurz nach der Sendung stürmten jedoch reihenweise Reporter und Fernsehteams auf ihn ein, denn der Goldschmiedemeister aus Idar-Oberstein war als Schöpfer der "Schlandkette“ schnell ausgemacht.

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Farbwahl war keine Absicht

Weyrichs Familie ist bereits in der dritten Generation in der Edelsteinbranche tätig. Für die Kette der Kanzlerin hat der Goldschmiedemeister Bergkristalle, schwarze Onyxe, Schaumkorallen und vergoldetes Silber verarbeitet. Während seines Interviewmarathons wurde er immer wieder gefragt, ob er die Farben absichtlich so zusammengestellt hat: „Das war Zufall, wir haben dabei weder an die deutsche noch an die belgische Flagge gedacht“, sagt Weyrich gegenüber handwerk.com. Die Kette habe er vor über zehn Jahren entworfen und nur wenige Exemplare davon angefertigt.

Zu den Kaufmotiven der Kanzlerin will Weyrich sich nicht äußern – da ist er ganz Profi, der weiß, wie man sich einen erlesenen Kundenstamm aufbaut. Jedenfalls bescherte ihm das Kanzlerduell einen Auftragsschub. Viele Interessenten meldeten sich, allein die Bild-Zeitung bestellte zehn "Schlandketten“ für eine Verlosungsaktion. Das fünfköpfige Werkstatt-Team arbeitet derzeit auf Hochtouren. Der große Engpass sind dabei die Steine, weil er davon nur begrenzte Mengen bekommt.

Doch Weyrich geht ohnehin davon aus, dass es sich bei der Schlandketten-Euphorie um ein „kurzes Störfeuer“ handelt. Er erzählt von einem Kameramann, der zu ihm sagte, seine Frau habe während des gesamten Kanzlerduells nur auf die Kette von Angela Merkel geguckt. Weyrich deutet an, dass er diese Aufmerksamkeitsverschiebung bedauerlich findet, auch wenn bei ihm gerade alles wie am Schnürchen läuft: Augen statt Ohren, Schmuck statt politische Positionen. Wo bleibt da der Sinn für die großen Zukunftsfragen? In Anlehnung an einen Song der Gruppe Seeed drückte es ein Twitterer so aus: „Deine Kette macht bling bling und alles ist vergessen.“

(afu)

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