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Das rechnet sich:

Familienfreundlichkeit als Erfolgsfaktor

Fachkräfte werden knapp, Mitarbeiter müssen länger arbeiten und Bewerber werden wählerischer. Drei gute Gründe, um die Balance zwischen Berufs- und Privatleben der Mitarbeiter zur Chefsache zu erklären. 10 Erfolgstipps.

ebm Geschäftsführer Andreas Ennen
Andreas Ennen

„Es ist in unserem ureigenen Interesse, unsere Mitarbeiter zu unterstützen“, erklärt der Geschäftsführer des Elektroinstallationsbetriebs ebm, Andreas Ennen. Mit den Maßnahmen, die in seinem Betrieb schon umgesetzt sind, sieht er sich auf Erfolgkurs. „In punkto Ertrag sind wir immer im oberen Viertel.

Über Krankenstand, Fluktuation oder Bewerbermangel muss Ennen sich nicht den Kopf zerbrechen. Und er kann sich auf sein Team verlassen. „Achtzig Prozent der Mitarbeiter sind länger als zehn Jahre im Unternehmen“, sagt Ennen. Mit aktuell 38 Auszubildenden wächst die Firma von innen. Dabei ist er überzeugt, dass Familienfreundlichkeit nicht teuer sein muss. Im Gegenteil, sie fängt mit Wertschätzung an.

Firma und Familie das passt – sieben bewährte Praxistipps von ebm

1. Offene Türen
Bei Andreas Ennen steht die Tür meistens offen. Mitarbeiter, die ein Anliegen oder Problem haben, können sicher sein, dass sie Gehör finden. Und mit dem Chef zusammen meistens auch eine Lösung.

2. Geben und Nehmen – Lösungen unter Kollegen
Wenn ein Mitarbeiter ein Problem mit einem Montageeinsatz hat, weil er damit die Einschulung seiner Jüngsten verpassen würde, springt bei ebm wahrscheinlich ein anderer Kollege ein. Dass hier niemand ausgenutzt wird, während andere Extrawürste in Anspruch nehmen, behält Ennen im Blick.

3. Das Ganze sehen
Familien haben nicht nur Familienväter und Mütter im Unternehmen, sondern streng genommen jeder. Darum sind bei ebm auch die Eltern von Azubis beim Betriebsfest willkommen. Ihre Unterstützung hilft auch der Firma.

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4. Termine passend für alle planen
Interne Schulungen gibt’s bei ebm eher donnerstags als am Freitagmorgen. Der Grund: dann sind alle an Bord und nicht anderweitig verplant. Trotzdem gilt: Die Hälfte des Seminars sind bezahlte Arbeitszeit, die andere Hälfte steuern die Mitarbeiter aus ihrer Freizeit bei.

5. Flexible Arbeitszeiten
Ebm arbeitet mit Gleitzeit und Arbeitszeitkonten für das ganze Jahr. Entlassungen im Winter, das kommt für ebm nicht infrage.

Exkurs 4 Tage Woche
Diese Maßnahme mag radikal klingen, hat aber charmante Vorzüge auch aus Unternehmersicht. Wie die Mitarbeiter sich ihre 37 Stunden pro Woche einteilen, richtet sich nach den Kundenbedürfnissen. So ist ein Software-Spezialist oft freitags und samstags im Einsatz und muss trotzdem nicht auf ein langes Wochenende verzichten. Fast alle Monteure arbeiten auf Kundenwunsch hin von montags bis donnerstags. „So steht den Kunden der Freitag für Maler- und Putz- und Esstricharbeiten zur Verfügung. Diese Arbeiten wurden früher samstags erledigt, sprich mit Überstundenzuschlägen. Das ist, wo wir sind nicht nötig“, argumentiert Ennen. Aus Mitarbeitersicht ist klar: lange Wochenenden lassen Zeit fürs Privatleben. Darüber hinaus sparen sie bares Geld und auch Stress, weil viele Autofahrten entfallen.

6. Teilzeitmodelle
Beispiel: Als die Lohnbuchhalterin Birgit Schmitz drei Monate nach der Geburt ihres Kindes wieder einsteigen wollte, startete sie zunächst mit wenigen Wochenstunden, stockte nach einem halben Jahr wieder auf. War Sohn Henrik mal krank, konnte sie früher gehen und am nächsten Tag nacharbeiten. Diesen Entgegenkommen rechnet sich oft doppelt. Erstens: In hoher Mitarbeitermotivation. Zweitens besonders dann, wenn Kosten für das Suchen und Einarbeiten einer Elternzeit-Vertretung entfallen.

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7. Betreuuungskosten, die sich absetzen lassen
Zuschüsse zu Kindergartenplätzen sind für Arbeitgeber durchlaufende Kosten, weil sie voll absetzbar sind.

8. Notfallpläne für hilfsbedürftige Angehörige
Betriebsrätin Elke Vossel ist überzeugt, dass die Pflege hilfsbedürftiger Angehöriger künftig Mitarbeiter umtreiben wird. Sie ist auf der Suche nach einem kompetenten Pflegedienst, bei dem das Unternehmen nach Bedarf Stunden einkaufen könnte. Davon hat die Firma mehr, als wenn wichtige Mitarbeiter ausfallen. Ein Seniorenheim, das Kunde bei ebm ist, hat schon zugesichert, im Notfall kurzfristig einen Platz bereit zu stellen.

9. Immer auf dem Laufenden bleiben
Ebm ist schon lange Mitglied im Netzwerk Erfolgsfaktor Familie (Link). Das kostet nichts, bietet aber jede Menge Informationen und Praxistipps von anderen Unternehmern. Ennen liest Newsletter, Broschüren und tauscht sich mit anderen aus. Um die Umsetzung kümmern sich oft kleine Teams bei ebm.

10. Klappern gehört zum Geschäft
„Viele Handwerksbetriebe sind deutlich familienfreundlicher als Arbeitgeber aus der Industrie, reden aber viel zu wenig darüber“, beklagt Renate Beineke von der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland. Andreas Ennen tut das Engagement seiner Firma in Netzwerken kund und profitiert vom guten Ruf. Andere Unternehmer platzieren ihre „Familienfreundlichkeit“ sogar auf ihrer Homepage unter der Rubrik „Offene Stellen“ (Link zu Jansen-Tore).

Fazit
Bei ebm schlägt sich das Gesamtpaket aus Gesundheitsmanagement, Familienfreundlichkeit und Weiterbildung durchaus in höheren Kosten nieder. „Da liegen wir deutlich höher als unsere Mitbewerber“, sagt Ennen. Auf der anderen Seite ist die Firma mit diesem Konzept erfolgreich. Das bestätigt auch Unternehmenscoach Ursula Günster-Schöning von der Emsländischen Stiftung: „Firmen, die das Thema Familienfreundlichkeit anpacken, machen die Erfahrung, dass sie ihr Engagement doppelt und dreifach von ihren Mitarbeitern zurück bekommen.“

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