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Flexible Arbeitszeiten sind "kein Problem"

Flexible Arbeitszeiten im Handwerk als Lösung vieler Probleme? Ausufernde Personalkosten, Auftragsspitzen, die schwankende Auftragslage – all diese Faktoren lassen sich durch die flexiblen Arbeitszeitmodelle ausschalten. Und zwar optimal für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und den Kunden, wie die Praxis zeigt.

Flexible Arbeitszeiten im Handwerk als Lösung vieler Probleme?

Ausufernde Personalkosten, Auftragsspitzen, die schwankende Auftragslage all diese Faktoren lassen sich durch die flexiblen Arbeitszeitmodelle ausschalten. Und zwar optimal für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und den Kunden, wie die Praxis zeigt.

Gute Erfahrungen im Handwerk

1998 startete die Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH) ein entsprechendes Pilotprojekt. Die Flexibilisierung erwies sich in dem Modellversuch als durchweg erfolgreich, wie die Auswertung nun zeigte. Gute praktische Erfahrungen gibt es auch in Niedersachsen: Dieses Modell ist hier in Norddeutschland schon lange Standard, weiß Jörg Alexander, Innovationsberater der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland. Überstunden-Aufbau in Zeiten von Auftragsspitzen und der anschließende Abbau in Flautezeiten sind schon seit Jahren üblich in der Handwerksbranche. Auch Reiner Strunk-Lissowski, Betriebsberater der Handwerkskammer Hildesheim bestätigt diese Entwicklung. Das Handwerk hatte ja noch nie ein allzu starres Arbeitszeitkonzept schon allein durch die Saisonabhängigkeit.

Betriebe und Kunden haben Vorteile profitieren

Das beweist überzeugend die Kronemeyer GmbH für Heizung, Sanitär und Fliesen aus Uelsen, Grafschaft Bentheim. Seit 15 Jahren arbeitet der Betrieb mit der Arbeitszeitflexibilisierung. Eine schrittweise Einführung, die anfangs lediglich durch mündliche Absprache mit den Arbeitnehmern erfolgte, führte den 90-Mann-Betrieb an das heutige Modell heran. Das reguläre Überstunden-Limit liegt bei 80 Stunden, in arbeitsreichen Zeiten sogar bei 160, erklärt Hans-Georg Kronemeyer, Geschäftsführer und Inhaber der Kronemeyer GmbH. Der Ausgleich der Überstunden erfolgt dann entweder ganz gewöhnlich per Auszahlung, Freizeitausgleich oder durch Verrechnung mit Material.

Die Flexibilisierung ermöglichte es dem Betrieb zudem, einen Notdienst einzurichten, um den Kundenservice zu erhöhen.

Erst vor knapp zwei Jahren entwickelte Kronemeyer das konkrete Arbeitszeitmodell, hielt es zum ersten Mal schriftlich fest und erstellte die passende Software. Schwierigkeiten gäbe es lediglich bei den Lohnprogrammen. Handelsübliche Software sei noch nicht auf die Flexibilisierung eingestellt. Dann müssen wir eben ein eigenes Programm schreiben, nimmt sich Kronemeyer vor.

Auch die Tischlerei Vielstädte aus Ostercappeln bei Osnabrück ist von den innovativen Arbeitszeitmodellen begeistert. Ohne flexible Arbeitszeiten ist ein reibungsloser Ablauf im Handwerk gar nicht mehr möglich, stellt Matthias Vielstädte, Inhaber der Tischlerei, fest. Mit einer guten Organisation dürfte die Umstellung der Arbeitszeiten absolut kein Problem für die Betriebe sein.

Auch für den Kunden sieht Vielstädte enorme Vorteile. Arbeiten, die sonst an zwei halben Tagen erledigt wurden, schaffen wir jetzt an einem. Es fällt nicht mehr um Punkt 17 Uhr der Hammer. Und eine An- und Abfahrt wurde ebenfalls eingespart.

Auf einen Blick: Vorteile flexibler Arbeitszeiten

Kosteneinsparungen für den Arbeitgeber:

unnötige Personalkosten, verursacht durch Überstunden und zusätzliche Arbeitskräfte, können durch besseres Personalmanagement dauerhaft vermieden werden; anstatt bezahlter Überstunden wird ein Freizeitausgleich angeboten

keine saisonbedingten Entlassungen oder Kurzarbeit:

Alle Aufträge können mit dem bestehenden Personal bearbeitet werden, in Zeiten

mit schlechter Auftragslage nehmen die Mitarbeiter ihren Freizeitausgleich in

Anspruch

erhöhte Serviceleistungen für den Kunden:

die Betriebe sind in der Lage, auch Not- und Late-Night-Services für ihre Kunden

einzurichten, generell können Arbeiten schneller erledigt werden

attraktivere Arbeitszeiten für die Arbeitnehmer:

die Mitarbeiter können durch Freizeitausgleich der Überstunden ihre Arbeitszeit

teilweise selbst gestalten

Quelle: Landes-Gewerbeförderungsstelle

Umsetzung in die Praxis

Aus praktischen Erfahrungen in einem Pilotprojekt hat die Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (LGH) Handlungstipps für die Einführung flexibler Arbeitszeiten entwickelt:

Erfragen, welche Öffnungs- und Servicezeiten Ihre Kunden wirklich erwarten (optimale Besetzung des Serviceteams)

Mitarbeiterbefragungen durchführen; so können die Mitarbeiter auch eigene Vorschläge einbringen

Mitarbeiter frühzeitig in die konkreten Planungen miteinbeziehen

Beobachten, wie sich die Auftragslage entwickelt, um frühzeitig Personalplanungen durchführen zu können

Klärung folgender Punkte:

- Wie stark darf das Zeitkonto überzogen werden?

- Bis wann muss ein Ausgleich stattfinden?

- Ab wann soll ein Überstundenzuschlag in welcher Höhe berechnet werden?

- Innerhalb welcher Fristen ist Mehr- oder Minderarbeit anzukündigen?

- Hat die Auftragserledigung Vorrang vor Freizeitwünschen der Mitarbeiter?

Literatur-Tipps zum Thema

Flexible Arbeitszeiten. Beispiele aus der Praxis; Rosemarie Fiedler-Winter; Verlag Moderne Industrie; 1997; 254 Seiten; 42,00;

ISBN 3-478-35273-8

Arbeitszeitmodelle, Flexibilisierung und Individualisierung; Dieter Wagner; Verlag für angewandte Psychologie Göttingen; 1995; 252 Seiten; 29,95

ISBN 3-801-70872-1

Arbeitszeitmanagement Grundlagen und Perspektiven flexibler Arbeitszeitgestaltung; Rainer Marr; Schmidt Erich Verlag; 2001; 450 Seiten; 86,00

ISBN 3-503-06056-1

Flexible Arbeitszeitgestaltung; B. Werhahn, W. Holzbach, E. Heinen; Bericht des itb Forschungsstelle im Deutschen Handwerksinstitut; Verlag Dr. Jochen Heizmann; 241 Seiten; 26,60

ISBN 3-922-96386-2

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