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Erbschaftssteuer-Urteil

Führt Fachkräftemangel in die Steuerfalle?

Die Steuervorteile für Firmenerben verstoßen gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Für viele Handwerker könnte das zu erheblichen Problemen führen.

Die bisherigen Steuervergünstigungen verschaffen Erben von Betriebsvermögen zu große Steuervorteile, meinen die Richter. Sie geben dem Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2016 Zeit, die Gesetzeslage zu ändern. Bis dahin seien die derzeitigen Vorschriften „weiter andwendbar“.

Was bisher galt
Das Finanzamt kann Erben von Betriebsvermögen die Erbschaftssteuer weitgehend erlassen, wenn sie das Unternehmen fortführen und die Arbeitsplätze weitgehend erhalten. Maßstab ist dabei die Lohnsumme:

  • Wer das Unternehmen fünf Jahre fortführt und in dieser Zeit insgesamt auf 400 Prozent der Lohnsumme des Ausgangsjahres kommt, kann 85 Prozent Erbschaftssteuer sparen.
  • Bis zu 100 Prozent kann sparen, wer die Firma sieben Jahre fortführt und in dieser Zeit insgesamt 700 Prozent der Lohnsumme erreicht.

Allerdings waren Betriebe mit maximal 20 Mitarbeitern von dieser Lohnsummenregel ausgenommen. Sie mussten keine Nachweise erbringen, um 85 Prozent Erbschaftssteuer zu sparen.



Gericht fordert mehr Kontrollen und strengere Regeln

Im Prinzip hat das Gericht nichts dagegen, wenn der Gesetzgeber das produktive Vermögen kleiner Unternehmen steuerlich begünstigt, um Arbeitsplätze zu sichern. Unverhältnismäßig sei jedoch, dass für Betriebe bis 20 Mitarbeiter die Lohnsummenregelung entfällt.



Bei größeren Betrieben sei die Regelung auch mit Lohnsummenregelung unverhältnismäßig, wenn es keine „Bedürfnisprüfung“ gebe. Dazu das Gericht: „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festzulegen, für die eine Verschonung ohne Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt.“



Auch Betriebe mit einem hohen „Verwaltungsvermögensanteil“ haben die Richter im Visier: Es sei zwar legitim, produktive Vermögen zu fördern. „Dies gilt jedoch nicht, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen Privilegierung gelangt.“ (Bundesverfassungsgericht:

Urteil vom 17. Dezember 2014, Az. 1 BvK 21/12

)



Was passiert, wenn Stellen unbesetzt bleiben?

Experten befürchten nun, dass auch für kleine Betriebe künftig eine Lohnsummenregelung gelten könnte. Das würde nur bürokratischen Mehraufwand mit sich bringen. Zudem könnte es kleinen Betrieben angesichts des demografischen Wandels und des damit einhergehenden Fachkräftemangels besonders schwerfallen, die geforderten Lohnsummen zu erreichen. Müssen sie künftig die volle Erbschaftssteuer zahlen, wenn ein Mitarbeiter in Rente geht oder in die Industrie wechselt – und der Betrieb die Stelle nicht wieder besetzen kann?



So warnt auch Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH): „Zu viel Bürokratie durch aufwendige Nachweispflichten bei neuen Regelungen ist für die kleinen Betriebe nicht tragbar. Es gilt, die Übergabe von zehntausenden solcher Familienbetriebe allein in den kommenden Jahren zu sichern – und damit die Arbeits- und Ausbildungsplätze und das wirtschaftliche und unternehmerische Wissen."



(jw)

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