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Gewährleistungsfalle

Garantiert gelackmeiert

Der Hersteller liefert Murks, der Handwerker zahlt drauf? Klingt absurd, ist aber real: Ein Gesetz hebelt das Verursacherprinzip bei Mängeln aus.

Die Sache ist verzwickt. Und verhängnisvoll. Fliesen, Badarmaturen, Tapeten, Fassadenfarben – wenn ein Produkt nicht hält, was der Hersteller verspricht, steht in vielen Fällen von vornherein fest: Der Gelackmeierte ist der Handwerker. Hat ein Betrieb das Produkt gekauft, muss der Betrieb auch den Mangel beseitigen. Und zwar umsonst. Das schreibt das so genannte Werkvertragsrecht vor. Bitter für Betriebe: Anders als sie, erhalten Verbraucher weitergehende Ansprüche gegenüber dem Händler. Darauf wiederum pocht die Europäische Union (EU) mit ihrer Verbraucherrechte-Richtlinie.

"Das ist ganz schlecht für uns, das muss dringend geändert werden", sagt Gerhard Hausmann. Der Obermeister der Fliesenlegerinnung des Bördekreises in Sachsen-Anhalt erlebt immer wieder, dass es zu Ärger wegen des Materials kommt. Ärger, bei dem Handwerker von Herstellern alleine gelassen werden. Und wenn sich Handwerker wegen der Folgen der Materialmängel beschweren? "Das sind große Konzerne, da läuft man nur ins Leere", sagt Hausmann.

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Industrie lässt Betriebe auflaufen

Ins Leere laufen lassen kann die Industrie seltsamerweise nur Betriebe. Verbraucher nimmt die EU in Schutz. Wer für den Ausbau- und Einbau im Schadenfall zahlen muss, hänge davon ab, wer das Material gekauft hat, sagt der Leiter der Rechtsabteilung des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes ZDB, Philipp Mesenburg.

"Kauft der Verbraucher und baut selber ein oder lässt einen Handwerker einbauen, dann trägt der Hersteller die kompletten Kosten", erklärt er. Besorgt jedoch der Handwerker das mangelhafte Material, müsse der Hersteller nur für die Materialkosten aufkommen. Der Handwerker bleibt auf den Lohn- und Arbeitskosten sitzen.

Nicht nur Mesenburg sieht Betriebe in der „Gewährleistungsfalle“. Michael Sack vom Baugewerbe-Verband Sachsen-Anhalt erkennt einen Widerspruch gegen das Verursacherprinzip. In der Handwerkskammer Halle spricht man gar von einer "Todesfalle" und verweist auf den hohen Lohnanteil bei Aufträgen im Baugewerbe.

Vorsichtsmaßnahme: Kunden unbedingt auf Fehler hinweisen – lesen Sie Seite 3.

Mängelrügen-Boom nach BGH-Urteil

Sacks Rat: Betrieben sollten Kunden, die Material selber kaufen, unbedingt auf Materialfehler hinweisen. "Theoretisch reicht die mündliche Ansage", betont er. Hat der Betrieb den Sachverhalt allerdings schwarz auf weiß, seien die Materialkosten im Streitfall ausgeklammert.

Die Gesetzeslage ist nicht neu. Doch erst jetzt häufen sich die Streitfälle. Und Experten befürchten eine hohe Dunkelziffer von Auseinandersetzungen. Als einer der Auslöser für den Mängelrügen-Boom gilt ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Der BGH hat im vergangenen Jahr in einem konkreten Fall die einschlägige Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs bestätigt (BGH Az. VIII ZR 70/08).

Der ZDB hat sich unlängst dafür stark gemacht, dass die Regelung überarbeitet werden muss. Und das gerade noch rechtzeitig. Die Bundesregierung habe sie zum Ende des Jahres hin auf nationaler Ebene "zementieren wollen", sagt Philip Mesenburg. Inzwischen sei sie nicht mehr Teil der "Verbraucherschutzrichtlinie 2013". Der Bundesrat habe sich sogar für eine Lösung "im Sinne des Handwerks" ausgeprochen. Was aus den Ankündigungen wird? Dafür kann keiner die Gewähr übernehmen.

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(mfi)

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