Auf einen Blick:
Bei Andrea Stanzel steht das Telefon kaum noch still. Die Anrufer sind Handwerksmeister. Es geht um auslaufende Lieferverträge, um steigende Preise, um Sorgen vor dem Winter 2022/23 – und immer um die Frage, wie schlimm die Lage wohl wird.
Eigentlich sind sie bei Stanzel mit solchen Fragen genau richtig. Seit fast 20 Jahren hilft die Unternehmensberaterin aus Wunstorf Handwerksbetrieben bundesweit, die Energiekosten zu senken: mit Verbrauchs- und Kostenanalysen, in Preisverhandlungen, beim Anbieterwechsel, in Vertragsgestaltung und durch den Kauf von Strom und Gas an den Energiebörsen im Auftrag ihrer Kunden. Doch wie es jetzt weitergeht, kann auch Stanzel nicht wirklich beantworten. „Glaskugel kaputt“, bringt sie es auf den Punkt. „Alle sind angespannt, keiner weiß wann, wie viel und wie lange Russland Gas liefert.“ Und niemand könne derzeit einzuschätzen, wie die Politik reagiert, wenn die Lieferungen ausbleiben.
Wer muss mit Abschaltungen von Gas rechnen?
Eine Hauptsorge der Handwerksbetriebe gilt staatlichen Eingriffen, falls demnächst akuter Gasmangel herrscht. Die zuständige Bundesnetzagentur könnte dann die Gaszufuhr für einzelne Unternehmen gezielt begrenzen oder abschalten.
Auch wenn sich schwer vorhersagen lässt, was im Extremfall bei schwindenden Vorräten genau passiert, gibt es doch Anhaltspunkte, was das für Unternehmen bedeuten würden:
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Mehrzahl der Handwerksbetriebe nicht direkt gefährdet
Die Konsequenz solcher Grenzwerte: Bricht die Gasversorgung nicht völlig zusammen, dann müsse die Mehrzahl der Handwerksbetriebe wohl nicht mit reduzierten Gaslieferungen oder Abschaltung rechnen, sagt Stanzel.
Einschränkungen könnten nach Stanzels Erfahrung allenfalls sehr große Unternehmen in energieintensiven Gewerken treffen. Das sieht auch der Zentralverband des Bäckerhandwerks so: 60 bis 70 Prozent der Bäcker würden zwar Gasbacköfen nutzen, doch weniger als ein Viertel überschreite die Schwelle von 1,5 Millionen Kilowattstunden. Für Großbäckereien erwartete der Verband zudem, dass sie „bei der Gasversorgung priorisiert behandelt werden“ – weil sie als Lebensmittelproduzenten einen „Beitrag zur Versorgung der Allgemeinheit“ leisten.
Andere Gewerke würden staatliche Eingriffe in die Gasversorgung jedoch indirekt treffen. So wird Gas zum Beispiel zum Brennen von Ziegeln, in der Glasherstellung und der Aluminium- und Kupferproduktion benötigt. Weitere Lieferengpässe und steigende Preise für die Bau- und Ausbaugewerke wären die Folge.
Die technischen Grenzen der Abschaltung
Abgesehen von rechtlichen Regelungen und Notfallplänen gibt es auch technische Hürden, die viele Handwerksbetriebe vor einer Drosselung der Gaszufuhr schützen. „Oft haben Handwerker den Betrieb im eigenen, geschützten Wohnhaus“, weiß Stanzel. „So einen Betrieb kann man nicht von der Versorgung der Wohnung abtrennen.“ Auch Handwerksbetriebe in Mischgebieten mit Wohnbebauung ließen sich nicht gezielt abschalten, ohne den Mietern im Haus nebenan den Gashahn gleich mit zuzudrehen.
Anbieterwechsel bei Preissteigerungen?
Die zweite große Sorge im Handwerk gilt den Preiserhöhungen für das Gas. Dass auf die Betriebe und ihre Kunden satte Preissteigerungen zukommen, steht fest. „Auf eine Vervierfachung der Gaspreise sollten sich Handwerker einstellen“, sagt Stanzel.
Solche Erhöhungen müssen die Versorger vorher ankündigen und Betrieben eine Gelegenheit zum Anbieterwechsel geben. Die Suche nach einer günstigeren Alternative dürfte jedoch schwer werden. „Es gibt äußerst viele Anbieter, die derzeit keine Neukunden aufnehmen, weil Liquiditätsengpässe und erhöhte Risiken sie daran hindern“, berichtet die Energieberaterin. Sie empfiehlt, einen Gas-Vertrag erst zu kündigen, wenn der neue Vertrag vom neuen Anbieter unterschrieben ist.
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