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Erst kulant, dann knallhart

Haftungsfalle: Horror im eigenen Haus

Wer bei Lieferanten Material für private Zwecke kauft, schlüpft in die Rolle des Verbrauchers. Doch haben Handwerker im Schadensfall dann auch dessen Rechte? Ein Fliesenlegermeister erlebt die knallharte Realität.

Einen so großen Schadensfall hat er noch nie gehabt. Und dann auch noch im eigenen Haus. Marcell Tasler mag an die Arbeit nicht denken, die Fußböden im Erdgeschoss und in zwei Badezimmern im ersten Stock müssen neu gefliest werden. Die Fliesen, die er vor drei Jahren verlegt hat, lösen sich ab, sagt der Fliesenlegermeister. Tasler geht von einem Materialfehler aus. Schwachstelle: "die Entkopplungsmatten unter den Fliesen". Der Unternehmer aus Hannover überschlägt, dass sich der Schaden in seinem Haus auf 40.000 Euro summiert, Material- plus Arbeitskosten. Und er will, dass der Hersteller für beides aufkommt. Der Hersteller spielt da nicht mit und sieht das Recht auf seiner Seite.

Die Rechtsprechung ist tatsächlich verzwickt. Strittig sind in der Praxis immer wieder die Kosten für den Aus- und Einbau. Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) haben „Verbraucher umfangreichere Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer, also gegenüber dem Händler oder Hersteller, als gewerbliche oder freiberufliche Käufer“, sagt der Rechtsberater der Handwerkskammer Oldenburg, Jan Frerichs. Handwerker seien keine Verbraucher im Sinne des Gesetzes. „Wenn ein Handwerker bei einem Lieferanten als Privatmann einkauft, sollte er das deutlich machen, da nicht alle gewerblichen Händler auch an Verbraucher verkaufen.“

Wenn der Handwerker zum Privatmann mutiert – lesen Sie die nächste Seite.

Die Richter und der Rollenwechsel

Tasler sagt: "Es ist von Anfang an klar gewesen, für wen das Material ist. Auf der Auftragsbestätigung und der Rechnung meines Händlers steht in der Betreffzeile 'Eigenbedarf'." Die Rechnung habe er über sein Privatkonto beglichen. Aber hat er auch die Arbeiten in seinem Haus als Privatmann erledigt? "Ja", antwortet Tasler, "während eines Betriebsurlaubs".

Ob der Rollenwechsel vom Unternehmer zum Verbraucher auch vor Gericht Bestand hat, ist eine andere Frage. Die Verbraucherrechtsexpertin Johanna Feuerhake verweist auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2009. "Das ist richtungsweisend, viele Fälle sind entsprechend entschieden worden", sagt die Rechtsanwältin aus Göttingen. In dem Urteil stellt der BGH klar, wann jemand, der als Unternehmer wie auch als Verbraucher rechtsgeschäftlich handelt, nicht als Verbraucher anzusehen ist. Nämlich: nur dann nicht, wenn das konkrete "Handeln eindeutig oder zweifelsfrei" der unternehmerischen Tätigkeit zugeordnet werden kann.

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Privatmann? Kaufmann? Ja, was denn jetzt?

So eindeutig diese Regelung ist, nach Feuerhakes Einschätzung widerspricht sie dem Handelsgesetz. Danach seien die Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns – Handwerker gelten unter bestimmten Voraussetzungen automatisch auch als Kaufleute – im Zweifel stets mit seinem Betrieb in Verbindung zu bringen. Doch konnten im Fall des Fliesenlegermeisters überhaupt Zweifel aufkommen?

"Wir sind davon ausgegangen, dass er das Material als Gewerbetreibender erworben hat", betont Dural, der Hersteller der Entkopplungsmatten. Das Unternehmen beliefert den Markt auf dem branchenüblichen dreistufigen Vertriebsweg: Hersteller, Fachhandel, Handwerker. Wenn ein Handwerker etwas für den Eigenbedarf bestelle, sei das für den Hersteller nicht unmittelbar ersichtlich, sagt ein Sprecher. Gegenüber dem hannoverschen Fliesenlegermeister habe man sich "wiederholt kulant verhalten, weit über die rechtlichen Vorgaben hinaus".

Zwei von Taslers Kunden hatten das gleiche Problem wie der Handwerksmeister, mit der gleichen Entkopplungsmatte. Er bestätigt, dass Dural nicht nur die Material-, sondern auch die Arbeitskosten übernommen hat. "Es ging jeweils um etwa 2.000 Euro." Handwerker müssen in solchen Fällen die zusätzlichen Arbeitskosten in der Regel selber bezahlen – es gilt Werkvertragsrecht.

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Tasler soll Reparatur selbst finanzieren

Taslers Fall wollte Dural anders abwickeln. Nach "diversen Schriftwechseln und Telefonaten" mit dem Händler und dem Hersteller sei entschieden worden, in seinem Haus nachzubessern, sagt Tasler. "Eine Tochterfirma von Dural hätte die Fliesen im Erdgeschoss mit Epoxidharz verpressen sollen." Warum passiert das nicht? "Ich habe meine Zweifel an dieser Art der Reparatur, auf die Frage nach der Gewährleistung habe ich keine Antwort erhalten."

Weil er keine Antwort erhielt, hat der Fliesenleger dem Hersteller eine Frist gesetzt. Ergebnis: "Einen Tag vor Ablauf der Frist wurde mir mitgeteilt, dass man bereit wäre, das fehlerhafte Material zu ersetzen". Allerdings "nur die Entkopplungsmatte". Die Reparatur und alles anderes sei Sache der Firma, die die Fliesen verlegt habe, sie stehe in der Haftung, sei ihm klipp und klar mitgeteilt worden.

Die Haftung werde der "Privatmann Tasler" nicht übernehmen, sagt der Handwerker. Noch hofft Tasler auf eine Einigung mit Dural. "Aber wenn es sein muss", klage ich".

BGH-Urteil vom 30.9.2009, Aktenzeichen: VIII ZR 7/09


(mfi)

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