Überzeugt mit ungewöhnliche Küchen und Möbeln: Hergen Garrelts.
Foto: Wiebking

Holzhelden

Form kommt vor Material

Zeitloses Design und langlebiges Handwerk: Mit seinen Entwürfen begeistert Tischler und Designer Hergen Garrelts Kunden und Experten.

Auf einen Blick:

  • Möbel und Design sind die Stärken von Diplom-Designer und Tischler Hergen Garrelts.
  • Für einen Stuhl, bei dem „einfach alles“ stimme, wurde er zuletzt mit dem Niedersächsischen Staatspreis für das gestaltende Handwerk ausgezeichnet. 
  • Hier erzählt der Niedersachse, was seine Designs ausmacht.
  • Ein Stuhl ist ein Stuhl. Ist ein Stuhl? So einfach ist es nicht. „Stühle sind eine ganz klassische Tischlerarbeit, aber sie sind auch schwierig“, sagt Hergen Garrelts. „Ein Stuhl muss bequem sein und für Menschen von unterschiedlicher Körpergröße und Gewicht passen. Gleichzeitig muss er leicht, stabil und langlebig sein.“ Gut aussehen soll er natürlich auch. Die Herausforderung bestehe darin, die ideale Kombination aus Form, Material und Verbindungen zu finden, sagt der Diplom-Designer und Tischler.

    Das ist Garrelts und seinem fünfköpfigen Team in der Tischlerei in Bad Zwischenahn gelungen: Gerade wurde der 58-Jährige mit dem Niedersächsischen Staatspreis für das gestaltende Handwerk ausgezeichnet – für einen Stuhl. Bei diesem Stuhl stimme „einfach alles“, heißt es in der Begründung der Jury, „die optische Leichtigkeit korrespondiert mit dem geringen Gewicht des Stuhls. Puristisch, zurückhaltend in der Form, besticht er durch klare Linien, lässt sich leicht handhaben und macht trotzdem keine Abstriche bei der Stabilität.“ Der Stuhl sei „konsequent in Form und Linie und bis ins kleinste Detail“.

    Foto: Jörg Wiebking Schöner Verbunden: Designdetail eines Möbelstücks.
    Foto: Wiebking Der Schnapsschrank verrät sein Geheimnis erst beim Öffnen.
    Foto: Rüdiger Tamm Ein Stuhl und sein Schöpfer:  Für sein Stuhldesign erhielt der Tischler Hergen Garrelts den Niedersächsischen Staatspreis für das gestaltende Handwerk.
    Foto: Rüdiger Tamm Leicht und leicht geschwungen: der Stuhl in Eiche (Natur) und Esche (schwarz).

    Design denkt von der Form her

    Design hat Garrelts nach der Tischlerlehre Anfang der 90er-Jahre in Hildesheim studiert. „Dort haben wir vor allem gelernt, von der Form her zu denken und erst, wenn die feststeht, über das Material nachzudenken.“ Das sei schwerer, als es klingt, „aber das macht unsere Entwürfe anders und ein bisschen außerhalb der Norm“. Sei die Entscheidung für eine Form erst einmal gefallen, finde sich eine Möglichkeit, diese zu realisieren – auch mit Materialien und Techniken, an die man sonst nicht gleich gedacht hätte.

    Der preisgekrönte Stuhl mit seiner sanft geschwungenen, leicht schrägen Sitzfläche und der breiten Rückenlehne ist aus Eiche. Dass er nur knapp vier Kilogramm wiegt, verdankt der Stuhl dem keilförmigen Schnitt der Beine und Streben. Für die ­Stabilität sorgen Schwalbenschwanz-Verbindungen. „Das ist alles sehr hochwertiges Handwerk“, betont Garrelts. „In jedem dieser Stühle stecken viele Stunden Arbeit.“

    Leistung trifft auf Archetypen

    Die Kombination aus gestalterischer und handwerklicher Qualität hat ihren Preis – auch das macht Stühle aus Tischlersicht „schwierig“. „Wenn Kunden einen Stuhl sehen, dann haben sie sofort Archetypen im Kopf: eine Vorstellung davon, wie ein Stuhl aussieht und was er kostet“, weiß Garrelts. Diese Preis-Vorstellungen seien jedoch von industriell gefertigten Sitzmöbeln geprägt. Selbst im hochwertigen Segment seien die Industriepreise nicht mit den Material- und Lohnkosten eines handwerklich gefertigten Stuhls vergleichbar. Ganz zu schweigen von der Qualität: „Diese Schwalbenschwanz-Verbindungen kosten Zeit, aber sie halten ein Leben lang, ohne dass da jemals etwas wackeln wird“, verspricht Garrelts.

    Leichter hat es der Handwerker mit einem anderen von ihm designten Produkt, dem Schnapsschrank. Dem kleinen Stehschränkchen mit seinen Seiten aus geöltem Stahl und seiner Front und Deckplatte aus glatten und unbearbeiteten Holzquadern sieht man im geschlossenen Zustand nicht an, was es ist. „Dafür haben die Kunden keine vergleichbaren Archetypen im Kopf. Das macht es besonders leicht, mit dem Schnapsschrank Aufmerksamkeit zu erzeugen und über den Preis zu sprechen“, berichtet Garrelts.

    Designer-Küchen sind gefragt

    Stühle haben es also schwer bei den Kunden, Schnapsschränke haben es leicht. Und was ist mit hochwertigen Küchen? Die sind Garrelts wichtigster Geschäftszweig und sie bewegen sich dazwischen. „Bei Küchen haben die Kunden auch Preisvorstellungen – und da liegen wir preislich sogar etwas unter dem, was hochwertige Küchen im Handel kosten, das macht es etwas leichter.“ Das sei möglich, weil er in seine Preise keine Handelsspanne und keine Marketingkosten einkalkulieren müsse, sagt der Tischler. Ausgelastet sei der Betrieb dank Empfehlungen und Ausstellungen auch so: „Wir haben derzeit ein Jahr Vorlauf zwischen Auftrag und Lieferung“, berichtet Garrelts.

    Wie geht es mit dem Stuhl weiter?

    Einen positiven Effekt für den Stuhl erhofft sich Garrelts vom Staatspreis. Mit dieser Auszeichnung und dem damit verbundenen Imagefilm ergäben sich neue Möglichkeiten, aus der Vergleichbarkeit mit den „Stuhl-Archetypen“ auszuscheren und mit Kunden ins Gespräch zu kommen. „Vielleicht findet sich so ja sogar ein Kooperationspartner“, hofft der Designer, „denn wenn der Stuhl einschlägt, kommen wir hier schnell an unsere Kapazitätsgrenzen.

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