Spezialisiert auf Denkmalschutz für moderne Anforderungen (v.l.): Dirk und Jörg Spatzier.   
Foto: Denny Gille

Holzhelden

Hightech trifft Denkmalschutz

Das Team der Tischler Spatzier hat erst richtig Freude an einem Auftrag, wenn er ihnen ihr ganzes Können abverlangt. So haben die Fensterbauer auch manche Innovation entwickelt. 

  • Traditionelle Optik mit modernster Technik zu vereinen gehört zu den Spezialitäten der Tischlerei Spatzier. 
  • Um seine Kunden glücklich zu machen schrecken die frisch ausgezeichneten Fensterbauer des Jahres 2022 auch nicht vor aufwändigen Eigenentwicklungen zurück. 
  • Am besten schmeckt Erfolg, wenn er frisch vom Grill kommt. So wie an diesem Herbsttag bei der Tischlerei Spatzier im brandenburgischen Bad Belzig. Der genossenschaftliche Händler ZEG Holz hat die Belegschaft der Holzhandwerker für zwei Stunden zum Mittags-Grillen eingeladen. Der erfreuliche Anlass: Gerade wurde die Tischlerei Spatzier mit dem bundesweiten Branchenaward „Fensterbauer des Jahres 2022“ ausgezeichnet. Auszeichnungen sind für die Brandenburger fast schon Normalität: Zwölf Stück haben sie in den letzten Jahren für ihre Arbeit erhalten. Gleichzeitig ist der Fensterbauer-Award ein besonderer, denn er ging erstmals an ein ostdeutsches Unternehmen.

    Nach dem Grillen geht es zurück an die Maschinen. Beim Rundgang durch die Werkstatt merkt man schnell, welche Expertise die Tischler im Bereich Fenster und Türen aus Massivholz mitbringen. Ein Mitarbeiter verleimt gerade die CNC-gefrästen Stücke eines mehrere Meter hohen Fensterbogens, im hinteren Bereich der Halle wartet ein 300 Jahre altes Scheunentor auf die nächsten Sanierungsschritte und am Lagerplatz in der geräumigen Lackiererei stehen einige dutzend historische Fensternachbauten und Restaurierungen bereit zur Abholung.

    Traditionelle Optik mit modernster Technik

    Foto: Denny Gille Alte Tür trifft neues Holz. „Konstruktiv oder gestalterisch muss der Auftrag einfach schön sein. Dann macht es richtig Spaß“, sagt Jörg Spatzier.
    Foto: Denny Gille Dirk Spatzier unter einem Fensterbogen. Mit großen Dimensionen kennt sich der Betrieb aus.  
    Foto: Denny Gille Gleiches Projekt, anderer Fensterbogen. Hier wird verbunden, was zusammengehört. 

    „Denkmalpflege ist ein großes Thema für uns“, sagt Jörg Spatzier, der das Unternehmen mit seinem Bruder Dirk Spatzier leitet. Die über 125 Jahre alte Tischlerei ist ein echter Familienbetrieb; auch Vater Kurt Spatzier arbeitet noch an der Seite seiner Söhne, nur weniger im Tagesgeschäft. Einfach nur altes originalgetreu wiederherzustellen ist den Chefs dabei oft nicht genug. „Konstruktiv oder gestalterisch muss der Auftrag einfach schön sein. Dann macht es uns auch richtig Spaß“, sagt Jörg Spatzier. Zu den Spezialitäten des Unternehmens gehört es, die traditionelle Optik mit modernster Technik zu vereinen: Einbruchschutz, Brandschutz, Strahlenschutz oder Sensorik? Kein Problem für die Brandenburger.

    Unter anderem zählen Bauwerke des Unesco-Welterbes zu den Projekten des 23-köpfigen Unternehmens. „Wir nehmen häufig an beschränkten Ausschreibungen teil“, berichtet Jörg Spatzier. Auch Hotels oder luxuriöse Restaurants zählten zur Kundschaft des Betriebs. Und dazu mancher privater Auftraggeber – öffentliche Personen aus der Politik oder Unterhaltungsbranche.

    Mit Prototypen zu maximaler Kundenzufriedenheit

    Die Auszeichnung zum Fensterbauer des Jahres 2022 erhielt das Unternehmen für den aufwändigen Fensterbau einer Berliner Privatvilla – ein Projekt, das dem Team sein ganzes Können abverlangt hat. „Uns rief ein befreundeter Architekt an, ob wir bereit wären Sonderfenster für eine Villa zu bauen“, schildert Dirk Spatzier. Je mehr Details die Tischler zu dem Auftrag erhielten, desto mehr wuchs ihr Interesse daran. Optisch wurde zunächst nur ein Grundfenster besprochen und dann nach und nach so verändert, bis es dem Wunsch des Auftraggebers zu 100 Prozent entsprach. Der Prozess dauerte mehrere Monate und beinhaltete auch den Bau verschiedenster Prototypen. „Das hieß auch hier und da mal eine Profilierung buchstäblich um ein paar zehntel Millimeter zu verschieben“, erklärt der Tischlermeister.

    Zu den Besonderheiten des Projekts zähle etwa ein integrierter Schutz gegen hochfrequente Strahlung, ein besonders hochklassiger Einbruchschutz, eine Einbruchmeldeanlage und eine spezielle Oberflächenbeschichtung. „Die Glasentwicklung war das schwierigste. Der Einbruchschutz braucht dickes Glas, das dadurch naturgemäß grünlich wirkt“, erklärt der Tischler. Um dem vorzubeugen sei ein spezielles Glasgemisch mit thermisch verändertem Glas eingesetzt worden. Von der Einbruchsicherheit hat sich schließlich noch ein Prüfingenieur bei der RC3-Einbruchschutzprüfung überzeugt. „Der meinte wir haben mit diesen Profilen die Königsklasse im Einbruchschutz erreicht“, sagt Spatzier. Auch die Konstruktionsart des Hauses sei absolut unüblich: Die Fenster wurden ohne Mauerwerk eingebaut. Stattdessen wurden sie an Stahlstützen montiert, an die Stäbe als Referenzpunkte angeschweißt waren.

    Innovationen: Das Glas, das den Anstoß gab

    Foto: Denny Gille Wiederherstellung eines jahrhundertealten Tores. Handwerkliches Können auf hohem Niveau wird den Mitarbeitenden in allen Bereichen abverlangt. 
    Foto: Denny Gille Dazu gehört auch Üben, Üben, Üben. Wie diese Rahmen bezeugen, die die Azubis fertigen, bis sie Perfektion erreichen. 

    Seine Leidenschaft für aufwändige Eigenentwicklungen hat das Unternehmen schon im Jahr 2014 entdeckt. „Das UV-Schutzglas war für uns eine Initialzündung Eigenentwicklungen anzustoßen“, sagt Jörg Spatzier, „inzwischen haben wir eigene Lösungen zum Schutz gegen Infrarotstrahlen, Elektrosmog, Schall sowie zur Einbruchhemmung entwickelt“. Das UV-Schutzglas soll eine dauerhafte Alternative zur sonst üblichen äußerlich aufgeklebte UV-Schutzfolie sein, die nur eine begrenzte Lebenszeit habe. „Sauerstoff zersetzt die UV-Absorber in der Folie“, sagt Spatzier. Die Lösung des Betriebs lag in einem zweischaligen Glas, bei dem die UV-Schutzschicht zwischen zwei miteinander verklebten Gläsern liegt. Da der Schutz gerade auch im Denkmalschutzbereich gefragt ist, verwendet der Betrieb außen eine mundgeblasene Scheibe mit variabler Stärke, die Klebeschicht gleiche dann die Unebenheiten zur planen Floatglas-Schicht aus. „Von außen sieht man ein historisches Glas, von innen ist es Hightech“, sagt Spatzier. Eingesetzt haben es die Tischler in einer Handvoll Projekte für Museen, Kirchen und Privatkunden.

    Bei allem modernen Können mit Glastechnologie, Sensorik und computergestützter Fertigung ist der Betrieb dennoch darauf bedacht das traditionelle Handwerk zu ehren und weiterzuvermitteln. Das sieht man zum Beispiel an einem guten Dutzend Rahmen mit Scherzapfenverbindung, die die Azubis gerade frisch von Hand gefertigt haben. Ziel der mehrmonatigen Übung: die perfekte Beherrschung der Gestellsäge. Und von den alten Fenstern und Türen seiner Projekte eignet sich das Team gerne noch Wissen aus der Holzbaukunst vergangener Tage an. „Wenn wir eine ungewöhnliche alte Holzkonstruktion vor uns haben, gucken wir uns die Fertigungstechniken an. Mitunter lernt man da noch tolle Gestaltungskonzepte zum Beispiel im Bereich des konstruktiven Holzschutzes: Manchmal kann ein kleines Profil an einer bestimmten Stelle eine Konstruktion optisch wie funktionell aufwerten“, sagt Jörg Spatzier.

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