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Foto: handwerk.com

Totale Pleite, totaler Erfolg

„Ich musste mich oft entschuldigen“

Wer ganz unten war, kann die Höhenluft erst richtig genießen. Die Handwerksunternehmerin Sabine Gaues kennt Tiefschläge und Erfolge – und sie gewährt Einblicke in ihre Gefühlswelt.

Das Magazin „Stern“ hat eine Serie über „Erfolgsmenschen“ gestartet. Und es ist interessant, wie die Redakteure Erfolg definieren. Denn die Hauptdarsteller sind keine Menschen, die locker und langweilig nach vorne preschen.

Es geht um Leute, die Brüche in ihrer Biographie vorzuweisen haben. Heftige Brüche. Da ist der Event-Unternehmer, der eine Pleite hinlegt, aber „mitten in der Krise“ die Selbsthilfegruppe "Anonyme Insolvenzler" gründet und so den „Turnaround“ schafft.

Da ist ein Fußballer wie Mario Gomez, der die WM in Brasilien vom Sofa aus erleben muss – und der im Laufe seiner Karriere trotz aller Pokale heftig kritisiert worden ist. Und da ist Sabine Gaues. Eine Bäckermeisterin aus Hannover. Eine Frau, die vor noch gar nicht langer Zeit alleine in der Nacht „heulend am Küchentisch“ saß.

Nächste Seite: Die Trümmer der Existenz – und der Weg zurück zum Erfolg.

Keine Zukunft?

Sabine Gaues ist eine gute Bekannte der handwerk.com-Berichterstattung. 2003. Da sind ihre Welt und ihre Ehe noch in Ordnung (und sie noch keine Bäckermeisterin). Gemeinsam mit ihrem Mann Jochen liefert sie den Stoff für die Bürokratie-Posse „Hörnchen Delicti“. Es geht um „hochillegale Anteile von Persipan“ in Mandelbögen.

So launig bleibt das Leben im Hause Gaues nicht, in den Jahren danach geht vieles schief. Die Firma schlittert in die Insolvenz, die Ehe zerbricht, Bürgschaften „von bis zu 400.000 Euro“ lasten auf der Ehefrau.

Jochen Gaues kämpft sich schnell zurück ins Leben, auf die Mattscheiben der Fersehnation und in die Schlagzeilen der Magazine und Tageszeitungen quer durch die Republik. Der Mann ist einfach ein schriller Typ, ein Medienphänomen, der Bäckermeister der Promis (aber das ist eine andere und eigene Geschichte).

Im Stern-Artikel erinnert sich Sabine Gaues an die Zeit, nein, an die „schlimme Zeit“ zwischen der Trennung und dem Neuanfang: „Wie oft saß ich nachts heulend am Küchentisch und habe mich immer wieder gefragt: ‚Schaffst du das? Wie soll das alles gehen?‘“

Gute Frage. Denn der Stern fasst ihre damalige Situation so zusammen: „Vier Kinder, alleinerziehend, Schulden, eine Ausbildung in einem schlecht bezahlten Beruf.“

Ihr wichtigstes Rezept: Neues Ziel setzen, den alten Mist abhaken – lesen Sie die nächste Seite.

Keine Angst!

Im Stern-Interview glänzt Sabine Gaues durch ihre Offenheit. Sie geht mit sich selbst ins Gericht, wenn sie daran erinnert, wie „dünnhäutig“ sie in der Krise war. „Ich hab' viel mit den Kindern geschimpft – und mich oft entschuldigt, weil ich so schlechte Laune hatte.“ Und immer wieder stellt sich die zentrale Frage: „Kümmerst du dich genug um die Kinder?“

Mitten im Unglück setzt sie sich ein Ziel: „Ich will einen eigenen Laden haben.“ Die Frau hat offensichtlich Energie, sie schafft die Prüfung zur Bäckermeisterin, sie eröffnet das „Gehrdener Backhaus. Ihr erstes eigenes Geschäft. Neun Filialen folgen, mittlerweile beschäftigt sie 42 Mitarbeiter. 2013 hat das Magazin „Der Feinschmecker“ sie zu einer der besten Bäckerinnen Deutschlands gekürt, merkt der Stern an.

Ihr Werdegang, sagt Sabine Gaues, habe sie verändert. Selbstbewusster sei sie geworden, sie sehe alles nicht mehr so verbissen, sie habe keine Angst mehr – das sei das Wichtigste. Ihre neue Gelassenheit und ihr neues Selbstbewusstsein kommen ihrer Rolle als Chefin zugute, schließlich müsse sie schon mal ein „Machtwort sprechen“. Große Hierarchien gebe es in ihrem Backhaus allerdings nicht: „Wenn's sein muss, putze ich auch das Klo oder fahre Ware aus.“

In der letzten Frage des Interviews will der Stern von der Unternehmerin wissen, wie sie sich wieder aufbaut, wenn sie aktuell mal keinen Erfolg hat. Ob sie sich durch Gartenarbeit ablenkt oder mit ihrem neuen Mann darüber spreche, das Ziel sei gleich, antwortet Sabine Gaues: „Sachen abhaken und nach vorn schauen. Vor allem, wenn man's eh nicht ändern kann.“

(sfk)

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