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Bagatelldelikte

Im Zweifel für den Dieb?

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Fall der Kassiererin Emmely dürfte wegweisend sein: Diebische Mitarbeiter vor die Tür zu setzen, wird schwieriger. Das zeigt ein aktuelles Urteil.

Das Landesarbeitgericht Berlin-Brandenburg (LAG) hat über den Fall einer Angestellten der Deutschen Bahn entschieden. Die Mitarbeiterin hatte ihrem Arbeitgeber nach der Feier ihres 40-jährigen Dienstjubiläums eine sogenannte Gefälligkeitsquittung eines Catering-Services eingereicht. Damit wollte sie ihren Arbeitgeber um 160 Euro prellen.

Ihre fristlose Kündigung hat das LAG wieder kassiert. Begründung: Die rund 40-jährige beanstandungsfreie Beschäftigungszeit und das Lebensalter wirkten sich zugunsten der Arbeitnehmerin aus.

Vorbild BAG-Rechtsprechung

Damit folgt das LAG ausdrücklich einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das hatte im Juni entschieden, dass die als Emmely bekannt gewordene Kassiererin nach der Unterschlagung von zwei Pfandbons an ihren Arbeitsplatz zurückkehren durfte. Auch für sie sprach eine langjährige beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit.

"Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem Emmely-Urteil keine neue Rechtslage geschaffen", betont Prof. Björn Gaul von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. Auch zuvor habe bei einer außerordentlichen Kündigung der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten einen wichtigen Grund bieten müssen. Ebenso hätten die Richter die Interessen im Einzelfall abwägen müssen. Dabei seien schon immer Lebensalter und Dauer der beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit ins Gewicht gefallen, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Köln.

Das Pendel schlägt in Richtung Arbeitnehmer aus

Das BAG sei unter dem Druck der Medien eingeknickt und so sei das Pendel in Richtung der Arbeitnehmer geschwungen, sagt Gaul.

"Dieser Spruch wird die Praxis der Rechtsprechung verändern", sagt der Experte. Wenn jemand stiehlt, könne ihm der Chef künftig nicht einfach kündigen. Auf der sicheren Seite sei er wohl nur noch bei Kündigungen jüngerer Mitarbeiter, die maximal zehn bis zwölf Jahre im Betrieb sind. In solchen Fällen dürfte die Interessenabwägung im "Bagatellbereich" auch weiterhin zugunsten der Arbeitgeber ausfallen.

Auswirkungen auf den Umgang mit Arbeitgebereigentum

Das Wissen, dass sie wegen eines Diebstahls noch nicht gehen müssen, könne sich laut Prof. Gaul zudem auf die Mentalität unter den Beschäftigten auswirken. Klartext: Der Umgang mit dem Arbeitgebereigentum droht laxer zu werden.

Das Urteil könne außerdem für Verwirrung sorgen: Wenn bei einem älteren Kollegen auf einen Diebstahl nur eine Abmahnung folge, könne Unverständnis darüber aufkommen, warum der Chef einem jüngeren beim ersten Vergehen kündige.

Das können Sie tun

Arbeitgebern rät Prof. Björn Gaul:

  • Machen Sie den Umgang mit Ihrem Eigentum sehr deutlich, beispielsweise durch eine Betriebsvereinbarung, einen Aushang oder eine Arbeitsverordnung als einseitige Verfügung. Dann besteht hinsichtlich der Verhaltenspflichten Klarheit, was Voraussetzung einer Kündigung ist.
  • Mahnen Sie einen Mitarbeiter ab, der Ihr Vertrauen missbraucht hat. Das ist die Voraussetzung, um ihm beim nächsten Mal kündigen zu können.

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