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Insolvenzabzocke

Insolvenz – Lizenz zum Gelddrucken?

Insolvenzverwalter müsste man sein. Oder Betriebsrat. 12,5 Millionen Euro kassierte der eine für zehn Wochen Arbeit in einem Baubetrieb, 400.000 Euro bekam der andere für seine Mitarbeit. Jetzt wird der Fall neu aufgerollt – eine Chance für die Gläubiger.

Ein großes ostfriesisches Bauunternehmen stellt 2007 Insolvenzantrag. Der vorläufige Insolvenzverwalter kassiert Honorar. Der Betrieb läuft mit neuem Eigentümer weiter. Handwerksbetriebe bleiben auf offenen Rechnungen sitzen.

Eigentlich eine ganz alltägliche Geschichte. Nicht alltäglich sind allerdings sind die Summen, die dabei über den Tisch gegangen sind.

Insolvenzverwalter kassiert das 12,5-Fache
10 Wochen ist der vorläufige Insolvenzverwalter im Haus, dann ist der Betrieb verkauft – und der Insolvenzverwalter um 12,5 Millionen Euro reicher, berichtet weser-ems-business.de , das 12,5-Fache des Regelsatzes in so einem Fall.

Weitere 2 Millionen gehen an die Mitglieder des Gläubigerausschusses. Eine von ihnen ist der Betriebsratsvorsitzende, er habe dafür gut 400.000 Euro bekommen.

Teilerfolg vor dem Bundesgerichtshof
Es dauert einige Zeit, bis die Betroffenen reagieren. Im Mai 2010 reichen einige von ihnen Klage ein. Zu spät, befindet das Landgericht Aurich: Die Beschwerdefrist sei abgelaufen.

Dem hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) widersprochen: Das Landgericht Aurich muss die Klage nun doch behandeln.

Der Grund: ein Formfehler. Der Vergütungsantrag des Insolvenzverwalters wurde damals nicht ordentlich veröffentlicht.

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Überzogene Honorare für Insolvenzverwalter und Gläubigerausschuss?

Die Chancen stehen nicht schlecht für die Gläubiger: Das Landgericht habe die Klage 2010 nur aus formalen Gründen abgewiesen, zitiert weser-ems-business.de den Vizepräsidenten des Landgerichts, Jürgen Rohlfs. Was die Summen selbst angeht, könnte die Sache auch anders ausgehen.

Viel zu viel für den Gläubigerausschuss
"Völlig falsch" sei es jedenfalls gewesen, dass der Gläubigerausschuss aus der Vergütung des Insolvenzverwalters beteiligt wurde, betont Rohlfs.

Überforderter Rechtspfleger?
Und was ist mit den 12,5 Millionen Euro für den Insolvenzverwalter? Bei einem damaligen Betriebsvermögen von 85 Millionen Euro hätten dem Insolvenzverwalter nach dem Regelsatz nur knapp eine Million Euro zugestanden, berichtet weser-ems-business.de.

Da hält sich Rohlfs, der den Fall laut Ostfriesenzeitung voraussichtlich selbst übernimmt, zurück: Vorsorglich weist der Richter allerdings darauf hin, dass der Vergütungsantrag damals von einem Sachbearbeiter beim zuständigen Amtsgericht geprüft wurde: Der "arme Rechtspfleger" habe "ganz alleine den Vergütungsantrag eines hoch spezialisierten Insolvenzverwalters" prüfen müssen.

Trieb der Insolvenzverwalter das Honorar nach oben?
Der Vergütungsantrag weist laut weser-ems-business.de auf zehn Seiten Zuschläge aus. Insgesamt das 12,5-Fache des Regelsatzes.

Damit nicht genug: Nach Einschätzung des Gläubigeranwalts hatte der Insolvenzverwalter die Berechnungsgrundlage für sein Honorar zu hoch angesetzt. "Die Insolvenzmasse war wesentlich geringer." Vor dem Landgericht werde "diese Höhe der Vergütung keinen Bestand mehr haben".

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"Dann sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass da was faul ist"

Nach Ansicht des Frankfurter Insolvenz-Experten Hermann Oberhofer trägt das Insolvenzgericht mit Schuld an dem Fall. Dort sei der Vergütungsantrag "mangels Professionalität durchgewunken" worden, heißt es auf weser-ems-business.de.

In Hamburg, Hannover und anderen Städten gebe es Richter, die sich ausschließlich mit Insolvenzfällen beschäftigen. "Da wäre so etwas nicht durchgegangen."

Auch mit dem Rechtspfleger geht Oberhofer ins Gericht: "Wenn ein Mitglied eines vorläufigen Gläubigerausschusses mehr als 400.000 Euro für zehn Wochen Arbeit bekommt, dann sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass da was faul ist."

Zum Vergleich: Dem Mitglied eines Gläubigerausschusses stehen zwischen 35 und 95 Euro pro Stunde zu. Demnach hätte alleine der Betriebsratsvorsitzende durchschnittlich 420 Stunden pro Woche im Gläubigerausschuss arbeiten müssen.

Schuld sei allerdings auch die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV), meint Insolvenzrechtler Oliver Syren: Die Zuteilung des Insolvenzverwalters durch den Insolvenzrichter erfolge nach sehr umstrittenen Kriterien und komme bei größeren Unternehmen einem "Lotteriegewinn" nahe. "Einige Insolvenzverwalter laufen dann zusätzlich zur Höchstform auf, wenn es um die Beantragung von Zuschlägen geht."


Weitere Infos zum Thema Insolvenz:

(jw)

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