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Bilanz eines Bioenergiedorfs

Jühnde – unabhängig mit Biogas

Das Dorf Jühnde erzeugt mehr Strom, als die Einwohner verbrauchen. Das erste Bioenergiedorf Deutschlands ist Vorbild für viele Nachahmer. Neben einer Biogasanlage sind auch Photovoltaikanlagen im Einsatz. Ist das Modell noch immer zukunftsweisend?

In Jühnde begann die Energiewende im Jahr 2000. "Angefangen hat es mit vielen Informationsveranstaltungen für die 800 Einwohner", sagt Norbert Schröder, verantwortliche Elektrofachkraft für die Biogasanlage. Ans Netz gegangen sei die Anlage schließlich im September 2005.
Rund 5 Millionen kWh Strom produziert sie im Jahr, doppelt so viel, wie der Ort benötigt. Der Überschuss wird ins Stromnetz eingespeist. Zunächst habe sie rund 80 Übergabestellen versorgt, mittlerweile sei die Zahl auf 135 angewachsen. Rund 200 Anschlusspunkte gibt es in dem südwestlich von Göttingen gelegenen Dorf insgesamt. "Auch das Neubaugebiet kann irgendwann im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen noch angeschlossen werden", sagt der Elektroinstallateurmeister.
Nach aller Euphorie des Anfangs: "Das Image von Biogas hat gelitten", sagt der 51-Jährige. Ein Kritikpunkt sei der massierte Anbau von Mais. Lebensmittelgetreide müsste den Energiepflanzen weichen, Wildschweine würden angelockt, Grünbrachflächen würden aufgelöst und verschwinden aus dem Landschaftsbild. Die Biogasanlage wird schon lange nicht mehr gefördert. "Nur während der Bauphase ist Geld vom Landwirtschaftsministerium geflossen, heute werden neue Biogasanlagen gar nicht mehr gefördert." Allein die Einspeisung ins Stromnetz bringe Geld. Aber auch die Förderquellen nach EEG seien rückläufig.

Welche Rolle Photovoltaik und Elektromobilität in Jühnde spielen, lesen Sie auf der nächsten Seite.

"Den Anteil regenerativer Energien im Allgemeinen steigern"

Neben Biogas setzt Jühnde auch auf Photovoltaik. "Damit wollen wir den Anteil regenerativer Energien nicht vor Ort, sondern im Allgemeinen steigern", erklärt Schröder, der hauptberuflich als stellvertretender technischer Leiter der Asklepios Psychiatrie Niedersachsen in Göttingen arbeitet und auch im Aufsichtsrats in der Bioenergiedorf Jühnde eG sitzt. Mit dem Gemeinschaftsprodukt Biogasanlage sei Jühnde in einem nicht politisch gemeinten Sinne ein "grüner Ort" geworden. Aus diesem Gemeinschaftsgefühl heraus seien Bürgerprojekte in Photovoltaik entstanden: eine Anlage auf dem Dorfgemeinschaftshaus mit 24 Kilowatt und eine auf dem Kindergarten mit 21 Kilowatt Leistung. Dazu kommen noch mehrere kleine und größere Anlagen am Ort.

Auch in Sachen Elektromobilität will Jühnde nach vorn preschen. An der Biogasanlage gibt es bereits eine Stromtankstelle, allerdings fährt zurzeit ein einziges – herstellergefördertes – Elektroauto in Jühnde. "Noch sind die Autos zu teuer und die Reichweite zu gering", sagt Schröder, der nebenbei eine private Elektroinstallationsfirma betreibt. Aber das Centrum Neue Energien (CNE) in Jühnde wolle am Ball bleiben, das Ziel sei ein "elektromobiles" Dorf. Zudem beteiligt sich das CNE am Projekt "Schaufenster E- Mobilität" der Bundesregierung.

In Jühnde würde man denselben Weg noch einmal gehen - lesen Sie die nächste Seite.

"Unterm Strich ein gutes Modell"

Würde Jühnde heute einen anderen Weg gehen? "Nein. Für uns ist das ein sehr gutes Modell", sagt Schröder mit Nachdruck. Die Wärmekunden bezögen ihre Nahwärme zu einem niedrigen Preis, mit rund 6 Cent je kWh sei es fast halb so teuer wie sonst am Markt. "Dass das Projekt keine Gelddruckmaschine sein würde, war klar." Die Reparaturkosten seien höher ausgefallen als gedacht, aber unterm Strich sehe es gut aus. 2011 sei erstmalig eine Dividende an die Genossen der Betreiberorganisation, der Bioenergiedorf Jühnde eG, ausgezahlt worden. Mittlerweile gibt es laut Schröder deutschlandweit rund 80 Bioenergiedörfer. Und: "Alle waren hier in Jühnde, um sich zu informieren."

Biogasanlage Jühnde 2

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