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Karosseriebauer im Klammergriff

Karosseriebauer im Klammergriff

Skandal oder ganz normaler Wettbewerb? Die Versicherungswirtschaft drückt die Stundensätze und Ersatzteilpreise in den Werkstätten übermäßig, klagen derzeit die Karosseriebauer. Die Versicherungskonzerne wiederum berufen sich auf die Gesetze des Marktes. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Schreiben Sie an die redaktion@handwerk.com.

Skandal oder ganz normaler Wettbewerb? Die Versicherungswirtschaft drückt die Stundensätze und Ersatzteilpreise in den Werkstätten übermäßig, klagen derzeit die Karosseriebauer. Die Versicherungskonzerne wiederum berufen sich auf die Gesetze des Marktes. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema? Schreiben Sie an die redaktion@handwerk.com.

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"Versicherungen legen Daumenschrauben an"

Telefonhotline vermittelt Vertragswerkstätten

Ein Testanruf: Was passiert eigentlich, wenn man die Nummer der telefonischen Hotline einer Versicherung wählt, um einen Blechschaden an seinem Auto zu melden? Zunächst einmal kostet die Musik in der Warteschleife Nerven. "Unser Service macht den Unterschied", lautet der Refrain eines Liedes, an dessen Wahrheitsgehalt nach fünf Minuten am Hörer Zweifel aufkommen. Doch schließlich wird die Geduld belohnt. Eine Mitarbeiterin (Kennzeichen: extrem freundlich) erfragt die ersten Ziffern einer ausgedachten Versicherungsnummer und verbindet den vorgeblich Versicherten mit der Schadensabteilung der Niederlassung in Essen. Eine weitere Mitarbeiterin (Kennzeichen: extrem kompetent) weist ungefragt darauf hin, dass der Anrufer grundsätzlich die freie Wahl habe, welche Werkstatt sein Auto reparieren solle. Allerdings zahle es sich aus, wenn die Entscheidung auf "eine unserer Vertragswerkstätten" falle: "Dort bekommen Sie günstige Konditionen, das können wir vermitteln." Und an genau diesem Punkt hat sich Streit entzündet. Nach Darstellung des Zentralverbandes Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) greift die Versicherungswirtschaft in "innerbetriebliche Entscheidungsprozesse" ein. Im Klartext: Die Versicherer drücken die Stundenverrechnungssätze und Ersatzteilpreise.

Ersatzteile zu Einkaufspreisen

Grundsätzlich sind die Karossiebauer damit einverstanden, dass die Versicherungen ins Schadensmanagement eingreifen. Immerhin führt die Lenkungsbewegung die Versicherten in die Fachbetriebe, die Fahrzeuge werden von Profis repariert. Dass Schäden ausbezahlt werden und der Nachbar die Reparatur übernimmt, ist ein Problemfall, der durch die Kooperation von Versicherungen und Betrieben eingedämmt wird. Den Karosseriebauern stößt allerdings bitter auf, dass sie Vermittlungsprovisionen zahlen und dem Kunden kostenlose Ersatzfahrzeuge stellen sollen. "Die Kosten bleiben an den Werkstatten hängen", sagt ZKF-Hauptgeschäftsführer Klaus Weichtmann. Und der finanzielle Ausgleich über erhöhte Stundenverrechnungssätze sei nicht möglich, weil die Versicherungen die Vertragswerkstätten "freundlich bitten" würden, unter dem Branchendurchschnitt zu bleiben und bei den Ersatzteilen nur Einkaufspreise zu berechnen.

Marktgesetze außer Kraft gesetzt

"Wir handeln wie jeder Großabnehmer", sagt Dierk Engelke, Leiter der Abteilung Privatschaden beim Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) in Hannover. Oder verzichte die Deutsche Post AG auf ihren Großabnehmerrabatt? Mit Erpressung habe das nun wirklich nichts zu tun. "Wollt ihr? Oder wollt ihr nicht? Wir fragen ganz einfach." Die Versicherer seien es insgesamt leid, dass #8222;auf ihrem Rücken" Verträge gemacht werden. Die Marktgesetze seien immer dann außer Kraft gesetzt, wenn ein Dritter - sprich die Versicherung - bezahle. "Plötzlich geht es nicht mehr um Angebot und Nachfrage, plötzlich gewähren Autovermieter keine günstigen Konditionen." Gleiches gelte für die Arbeit in den Werkstätten. "Zahlt die Versicherung, wird die Reparatur deutlich teurer, als wenn ein Kunde selbst für den Schaden aufkommen muss."

"Wir kennen die günstigsten Reparaturwege"

Nach Ansicht des Offenbacher Karosseriebauermeisters und ZKF-Vorstandsmitglieds Friedrich Nagel haben Versicherungen schon in dem Augenblick ihr Geld verdient, in dem das Auto eines ihrer Versicherten in einem Fachbetrieb instandgesetzt wird: "Wir kennen die günstigsten Reparaturwege." Die Hochtechnologie der heutigen Fahrzeuge müsse in die Preisgestaltung einfließen. Zudem sei die Sicherheitselektronik derart ausgereift, das sie nur der Fachmann reparieren könne. Und wer das der Schattenwirtschaft überlasse, der verhalte sich unverantwortlich. Nagel: "Wenn Versicherungen in den Preisgesprächen unter die Gürtellinie zielen, dann werden sich die Betriebe von ihnen trennen müssen."

Keine Stellungnahme der Württembergischen

Eine der Versicherungen, die in diesem Zusammenhang von den Betrieben genannt werden, ist die Württembergische. Zu einer Stellungnahme war der Konzern nicht bereit.

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