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Aus Respekt zum Tier

Lavendelduft im Schweinestall

Wo fängt Fleischqualität an? Für diesen Metzger beginnt sie beim Ferkel. Karl-Heinz Koithahn erklärt, was ein faires Tierleben mit guten Produkten zu tun hat. Und warum seine Schweine nach Lavendel riechen.

Aus Respekt zum Tier

Fleischermeister Karl-Heinz Koithahn
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Weiße Kacheln an den Wänden, Glasbausteine im Mauerwerk, Stahlhaken hängen von der Decke. Überall tropft das Wasser herunter. In der Raummitte sammeln sich kleine Pfützen auf etwas, dass einem Seziertisch nicht unähnlich sieht. Der Fleischermeister ist gerade mit Putzen fertig. Bis eben hat er hier Schweine zerlegt. Nun geht er zur nächsten Arbeitsstation.

Karl-Heinz Koithahn betritt den Raum. Der Geschäftsführer der Koithahn Harzer Landwurstspezialitäten GmbH trägt eine weiße Ledermütze und einen weißen Kittel. „Unser Fleischer muss sich richtig Gedanken machen, um das passende Produkt aus dem Schwein zu holen“, sagt er. Denn jedes Schwein, das hier in Hattorf am Harz auf dem Metzgertisch landet, unterscheidet sich vom anderen. Helle, dunkle, fette und magere. Für den Fleischer ist das eine Herausforderung, denn die fertigen Wurstwaren müssen immer die gleiche Qualität haben.

Fleisch vom eigenen Schwein
Würde Koithahn es sich und seinen Mitarbeitern leicht machen wollen, würde er nur 95er E-Schweine kaufen, sagt er. Standardware. „Die haben mindes­tens 55 Prozent Mageranteil, gleichbleibenden Speckanteil und wiegen 95 Kilo“, sagt Koithahn.

Aber leicht will er es sich nicht machen. Er will es gut machen. Karl-Heinz Koithahn zählt zu den wenigen Fleischern in Deutschland, die noch selbst Schweine halten. Und er achtet darauf, dass es ihnen im Leben möglichst gut geht, bevor es endet.

Als Harzer Heuschweine leben die Tiere auf einem Hof etwas südlich vom Fleischereibetrieb. Bis 2013 züchtete er hier verschiedene Altrassen in Freilandhaltung. Die Tiere verwandelten das Gelände schnell in eine schlammige Mondlandschaft. „Von außen sah das idyllisch aus“, sagt Koithahn. Doch es wurde zum Problem. Bakterien vermehrten sich rasant, der Boden wurde immer stärker belastetet. Koithahn zog die Notbremse und baute den Hof grundlegend um.

Heute wohnen die Schweine auf Tonnen von Heu. Seite 2.

Schweinestall mit cleverem Konzept

Feiert Geburtstag
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Heute leben hier etwa 180 Tiere der sogenannten Deutschen Landrasse. Statt Freilandhaltung, gibt es eine Offenstallhaltung. Ordnung regiert den Hof. Man sieht ihm an, dass es hier darum geht, wirtschaftlich zu arbeiten. Aber es gibt ein paar signifikante Unterschiede zur konventionellen Tierhaltung. Die Schweine leben auf Unmengen von Heu. Und das ist nicht der einzige Unterschied. Bei der Gestaltung des Hofs hat Koithahn seine jahrelangen Erfahrungen im Umgang mit den Schweinen genutzt.

Dass das funktioniert, sieht man beim Betreten des Stalls. Das ist ein rechteckiger Bau, der in mehrere langgezogene Korridore unterteilt ist. Gruppen von maximal 45 Tieren teilen sich je einen Korridor. Im Inneren schirmen Betonwände die Gruppen voneinander ab. Im Außenbereich sind sie nur von Gittern getrennt. „Schweine haben ein ausgeprägtes Revierverhalten“, sagt Koithahn. Wo sich die Gruppen sehen, wird das Revier unablässig mit Kot und Urin markiert. Nur hier draußen gleicht die Box einem wahren Saustall.

Das Geheimnis vom Lavendelduft
Die Szenerie riecht schon nach Schweinestall, aber nicht so beißend, wie man sich das von 180 Tieren vorstellen würde. Die Tiere wirken ent­spannt, spielen, schlafen, rennen. Es liegt ein seltsam ätherischer Duft in der Luft. Die Tiere auf dem Hof werden 100 Prozent vegetarisch ernährt. Aber das ist nicht alles. „Wir mischen mineralische Zusätze mit ätherischen Ölen ins Futter“, sagt Koithahn.

Außerdem werden die Tiere mit Lavendelöl besprüht. Es regt sie an, sich an den Bürsten und Scheuerwänden zu reiben und so ihre Haut zu pflegen. Und sie bekommen einen ätherischen Gruppengeruch. Der beruhigt, vor allem auf der letzten Meile zum Schlachter, wo so viele neue Gerüche die Tiere in Aufregung versetzen können. „Früher wurden wir von den Schlachtbetrieben ausgelacht, dass unsere Tiere nach Lavendel riechen“, sagt Koithahn. „Heute sagen sie anerkennend: Eure Tiere riecht man nicht nur, man erkennt sie auch an der Fleischqualität.“

Alles Bio oder was? Nicht ganz: Seite 3

Mehr Qualität wagen

Tradition trifft Moderne
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Ein Biobetrieb ist der Hof jedoch nicht. „Das liegt an den Ferkeln, am konventionell erzeugten Getreide, das wir beziehen, und dem 18-prozentigen Sojaanteil im Futter“, sagt Koithahn.
 
Die Premiumprodukte vom Harzer Heuschwein stellt Koithahn zu 100 Prozent aus seinen Tieren her. Für die weiteren Wurstprodukte arbeitet der Betrieb seit vielen Jahren mit Partnerlandwirten zusammen. Ein Großteil von denen hält seine Tiere auf Stroh, alle Partner übertreffen zum Wohl der Tiere die Mindeststandards der Schweinehaltungsverordnung. So sorgt eine Unterflurlüftung für frische Luft im Stall und die Tiere werden in 18er Gruppen gehalten. Das verschafft ihnen mehr Bewegungsfreiheit, als isolierte Einzelboxen.

Handwerkliche Tradition
110 Mitarbeiter hat der Betrieb, 18 davon in der Wurstproduktion. Die Produktionsmaschinen summieren sich auf ein paar Millionen Euro. Trotzdem entstehen die Würste noch nach alter Rezeptur. Geschälter Knoblauch, selbst gedünstete Zwiebeln und Gewürze kommen in handwerklicher Tradition in die Wurst. Die Naturreifung in verschiedenen Reiferäumen, kombiniert mit verschiedenen Darmarten, verleiht den Würsten ihr charakteristisches Aroma. Geräuchert wird traditionell mit Buchenspänen. Auf Konservierungsstoffe verzichtet der Betrieb soweit es geht.
 
Einen Raum reserviert Koithahn für sein Lieblingsprodukt. Die Harzer Wintermettwurst reift in einer Lehmkammer – von September bis Februar. Die Strohschweine, die in diese Wurst kommen, hatten ein besonders langes Leben – und wiegen am Ende über 170 Kilo.
 
„Die Verbraucher sind bereit für mehr Qualität“, sagt Koithahn. „Unser Hof respektiert die Belange der Tiere zu vertretbaren Kosten. Die Kriterien der Initiative Tierwohl, die sich für artgerechte Tierhaltung einsetzt, erfüllt er zu 130 Prozent. Wie sein Konzept funktioniert, diskutiert der Fleischermeister gern mit Verbrauchern, Landwirtschaft und Politik. „Unsere Scheune steht allen offen.“

(deg)



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