Gestatten, London Taxi: Mit der weltberühmten Optik eines „Black Cab“ erobert die Geely-Marke LEVC den urbanen Lieferverkehr.
Foto: Dennis Gauert

Fahrtest

LEVC VN5: Prominente Lieferung

Ein ungewöhnliches Design mit ikonischem Wiedererkennungswert und ein Hybrid-Konzept, das überall vorwärts kommt: Der LEVC VN5 Im Praxistest.

  • Ein Taxi aus London? Auf den ersten Blick sieht der LEVC VN5 den klassischen Taxen aus der britischen Metropole zum Verwechseln ähnlich. Und das ist auch kein Wunder. Denn der Hersteller LEVC zeichnet für beides verantwortlich: Das klassische London Cab  und den VN5 genannten Transporter. 
  • Überzeugendes Antriebskonzept: LEVC setzt beim VN5 auf ein Hybridantrieb – unter der Haube werkelt ein 91 PS starker 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner, der allerdings  ausschließlich als Range Extender für einen 150-PS-Elektromotor dient. 
  •  Echte Alternative? Für den urbanen Lieferverkehr mit gelegentlichen Ausflügen über die Autobahn oder die Landstraße schickt sich der chinesische Brite an. 830 Kilogramm Nutzlast nimmt er in seinem 5,5 Kubikmeter großen Laderaum auf und kann damit anderen E-Transportern in seiner Klasse durchaus das Wasser reichen.
  • Wer das „Black Cab“ in London schon aus nächster Nähe sah, der wird mit der Nase des LEVC VN5 sicher an einen aufregenden Abend in der englischen Metropole erinnert. Denn mit der Übernahme der London Taxi Company durch Geely und deren Umbenennung in LEVC (London Electric Vehicle Company) wird ein Stück britische Tradition elektrifiziert. Neben der Taxi-Variante TX bietet LEVC seit einiger Zeit auch einen Lastenträger fürs Gewerbe an, den VN5. Der förderfähige Hybrid-Transporter ist ab 53.750 Euro (alle Preise netto zzgl. USt.) zu haben und sorgt hierzulande sicher für Aufsehen.

    Denn nicht nur die Optik des Transporters ist das Kapital von LEVC, sondern auch seine Technik: Unter der Haube verrichtet ein 91 PS starker 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner seinen Dienst, der allerdings  ausschließlich als Range Extender für einen 150-PS-Elektromotor fungiert. Dank 31 kWh großem Akku unter der Ladefläche ist der LEVC VN5 laut Hersteller gut 100 Kilometer rein elektrisch unterwegs. Ist der auch extern ladbare Akku aufgebraucht, springt der Benziner ein, um elektrische Energie zu erzeugen und den Transporter weiter – ausschließlich über den Elektromotor – kräftig anzuschieben.

    Beide Welten im LEVC VN5 sinnvoll vereint

    Mit diesem Konzept ist der VN5 im Vorteil gegenüber konventionellen Plug-in-Hybriden, aber auch reinen Elektrotransportern. Denn Aufladen, das muss man im LEVC-Transporter nicht unbedingt, solange genug Sprit im Tank ist, um weiter Strom zu erzeugen. Das Fahrgefühl wird dadurch einzigartig, dass der Benzinmotor sozusagen gegen die Rekuperationsbremse anschiebt und dabei die Akkus auflädt. Das Ergebnis ist stabiler Vortrieb mit eigentümlicher akustischer Untermalung – denn der Verbrenner läuft nahezu permanent auf der gleichen niedrigen Drehzahl. Dass diese sich nicht ändert, aber der Transporter trotzdem schneller wird, fühlt sich auf den ersten Metern wie Magie an.

    Ähnlich magisch präsentieren sich auch die Verbrauchswerte: Ist der Akku leer, tankt der knapp 2,1 Tonnen schwere VN5 etwa acht Liter Benzin auf 100 Kilometer. Wird er häufig geladen, sinkt der Verbrauch bei Langstreckenfahrten im Schnitt auf unter sieben Liter. Der reine Elektrobetrieb kann sich ebenfalls sehen lassen und erreicht sogar 90 Prozent seiner angegebenen Reichweite: Etwa 85 Kilometer von versprochenen 102 Kilometern absolviert der VN5 mit einer Aufladung – urbane Bedingungen vorausgesetzt.

    Auf seine besondere Art positioniert sich der Transporter von LEVC also als Gerät für alles. Auf kurzen Lieferwegen in der Innenstadt steht dem rein elektrischen Betrieb höchstens noch das Lademanagement im Weg, auf längeren Strecken kommt der Transporter mit dem Verbrenner als Range Extender jederzeit voran, ohne einen Aufladestopp an der Schnellladesäule einzufordern. Im Berufsalltag spart der LEVC also viel Zeit. Zu verdanken hat er das auch der Internationalität des LEVC VN5: Neben dem Typ-2-Anschluss für das AC-Laden und dem CCS-Anschluss fürs Schnellladen steht auch das hierzulande eher unbedeutende Chademo-Schnellladesystem zur Verfügung. Wobei nicht alle Anschlüsse Standard sind: Immer mit an Bord sind die 11-kW-Wechselstrom- und die 50-kW-Schnellladetechnik. Wer mit 22 kW Wechselstrom laden möchte, zahlt allerdings 950 Euro Aufpreis – außer in der Spitzenversion Ultima, wo die höhere AC-Ladeleistung bereits Serie ist. Und der Anschluss für das Chademo-System kostet generell 475 Euro.

    Die VN5-Verarbeitung ist typisch chinesisch

    Bei diesem Anspruch kommen im 5,32 Meter langen Transporter auch allerlei Lieferanten zusammen, die das London Taxi mit ihren Entwicklungen modern wiederbeleben. Sehr gut gelingt das am spektakulären Außenkleid, weniger gut hinter der Windschutzscheibe. Denn auch wenn sich der LEVC VN5 beim Interieurdesign irgendwo zwischen Schweden und England befindet und damit europäische Geschmäcker trifft, die Verarbeitung ist wenig europäisch: Knarzende Tasten, schlecht geführte Drehregler, ein aus Granulat gegossenes Dreispeichenlenkrad und das beim Öffnen quietschende Fangband der Fahrertür: Transporter-Kenner denken trotz der schick geformten Fahrgastzelle am ehesten an einen Dacia – bis sie in den bequemen und aus unserer Sicht im Transportersegment einzigartigen Sitzen Platz nehmen. Der urbritische Digitaltacho sowie das eigenständige und jederzeit gut ablesbare Infotainmentsystem heben den Gesamteindruck ebenso an.

    Für den urbanen Lieferverkehr mit gelegentlichen Ausflügen über die Autobahn oder die Landstraße schickt sich der chinesische Brite an. 830 Kilogramm Nutzlast nimmt er in seinem 5,5 Kubikmeter großen Laderaum auf und kann damit anderen E-Transportern in seiner Klasse das Wasser reichen. Für das Datenblatt bedeuten diese Tugenden ein zulässiges Gesamtgewicht von 2,9 Tonnen, das gerade für den urbanen Einsatz mehr als ausreichend dimensioniert ist. Doch so stadtfein, wie er konzipiert wurde, ist der Kleintransporter eigentlich nicht: Mit 1,99 Metern Dachhöhe jedenfalls ist er kein Kandidat für die sorglose Parkhaus-Nutzung.

    Fazit:

    Der LEVC VN5 ist eine interessante Entwicklung, denn er radiert ein Problem aus, das in der Elektrifizierung von Transportern bisher nicht befriedigend gelöst werden konnte. Durch seinen Range Extender ist der VN5 jederzeit einsatzbereit und nicht auf Ladestopps angewiesen. Will man ihn besonders effizient und emissionsfrei betreiben, bleibt man in der Innenstadt und lädt ihn regelmäßig auf. Durch seinen recht hohen Preis von mindestens 53.750 Euro ist er vor allem geeignet für Unternehmen, die einen Werbeträger suchen, der gleichzeitig die CO2-Bilanz senkt. Abstriche machen Kunden bei der Verarbeitung, die bei aller Anlehnung an einen europäischen Kultklassiker dennoch chinesisch geprägt ist.

    Daten LEVC VN5 Ultima

  • Abmessungen (L x B x H) in m: 5,23 x 1,95, 1,99
  • Radstand in m: 3,87
  • Wendekreis in m: 10,1
  • Motor: Elektromotor 150 PS, Range-Extender 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner 91 PS
  • Max. Drehmoment: 250 Nm
  • Beschleunigung 0-100: 13,1 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 128 km/h
  • Batterie: 31 kWh
  • Ladeanschluss: CCS2 bis 11 kW (optional 22 kW), Chademo bis 50 kW
  • Reichweite (WLTP): 98 km (Elektro), 489 km (gesamt)
  • Testverbrauch Hybridmodus: 7 Liter Benzin
  • Testreichweite Elektro: 85 Kilometer
  • Ladevolumen: bis 5,5 Kubikmeter
  • Feldbreite seitlich in m: 1,13
  • Nutzlast: 830 Kilogramm
  • Zul. Gesamtgewicht: 2,9 t
  • Basispreis LEVC VN5: 53.750 Euro
  • Basispreis Testwagen LEVC VN5: 58.750 Euro
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    Foto: Dennis Gauert Mitgedacht: Der LEVC VN5 steht europäischen Transportern beim Nutzwert in nichts nach, nur eine Durchlade fehlt noch.
    Foto: Dennis Gauert Mit 5,5 Kubikmetern und 830 Kilogramm Zuladung bietet der LEVC V5 auch aus vernünftigen Gesichtspunkten gute Kaufargumente.
    Foto: Dennis Gauert So sitzt niemand: Im Transportersegment sind die Stoffsitze mit verstellbarer Beinauflage und gutem Seitenhalt einzigartig.
    Foto: Dennis Gauert Hauptsache es wird gedreht: Statt des Zündschlüssels bewegt der Fahrer den Startknopf im Uhrzeigersinn.
    Foto: Dennis Gauert Einfach und schick: Das Infotainmentsystem lässt sich einfach handhaben und es sieht gut aus. Die Haptik allerdings lässt zu wünschen übrig.
    Foto: Dennis Gauert Little Britain: Im digitalen Tacho finden sich eindeutig englische Designanleihen.
    Foto: Dennis Gauert Chinesische Küche: Bei LEVC werden freilich keine Verarbeitungswunder vollzogen. Damit bleibt der Innenraum qualitativ hinter dem gebotenen Komfort und Design zurück.
    Foto: Dennis Gaueret Zu weiß für den Effekt: Wer mit dem London-Taxi-Look richtig auffallen will, bestellt den VN5 in Schwarz und beklebt ihn im Corporate Design.

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