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Factoring: So wählen Sie den richtigen Anbieter

Lohnt sich Factoring für Ihren Betrieb?

Rechnungen werden sofort bezahlt – nie wieder Ärger mit säumigen Kunden und Zahlungsausfällen? Factoring macht es möglich. Wo ist da der Haken?

von Jörg Wiebking

Eigentlich ist Factoring eine tolle Idee: Der Handwerker kümmert sich um Kunden und Aufträge und der Factor sorgt dafür, dass diese Arbeit schnell bezahlt wird. Zwei Spezialisten arbeiten Hand in Hand. Und beide stehen am Ende finanziell besser da als vorher.

Im Idealfall läuft es so ab: Der Factor kauft Ihre Forderungen auf, bezahlt 80 bis 90 Prozent jeder Rechnung binnen 48 Stunden und den Rest, sobald der Kunde bezahlt hat. Ist der Kunde zahlungsunfähig, dann hat der Factor das Problem, nicht Sie. Das Factoring kostet Sie 2 bis 5 Prozent Ihres Umsatzes. Das ist viel Geld, aber es kann sich rechnen: Schnellere Bezahlung bedeutet weniger Kontokorrentkredit und -zinsen. Zudem können Sie die Liquidität nutzen, um bei Lieferanten Skonto zu ziehen. Und: Sie haben keine Arbeit mehr mit dem Mahnwesen und keine Zahlungsausfälle.

Warum nutzen dann nicht mehr Betriebe diese Möglichkeit? So gaben im Jahr 2012 in einer Studie des (ifh) Volkswirtschaftliches Institut für Mittelstand und Handwerk gerade einmal 2,5 Prozent der befragten Betriebe an, Factoring zu nutzen. Vielleicht liegt es daran, dass Factoring keine einfache Entscheidung ist: Es gibt verschiedene Formen des Factorings, viele Anbieter und unterschiedliche Gebührenmodelle.

Das bedeutet: Sie müssen rechnen, vergleichen und abwägen. Hier die wichtigsten Faktoren für Ihre Entscheidung.

Factoring: Diese Kosten kommen auf Sie zu

Beim Factoring fallen Factoring-Zinsen und Factoring-Gebühren an, möglicherweise auch weitere Gebühren – da muss man bei jedem Anbieter genau hinschauen.

  • Factoring-Zinsen: Sie funktionieren im Prinzip wie bei einem Kontokorrentkredit: Der Factor bezahlt den Handwerker zwar sofort. Doch für die Zeit, bis der Kunde die Rechnung bezahlt, berechnet der Factor dem Handwerker Zinsen. „Die Zinsen sollten allerdings deutlich günstiger sein als Kontokorrentzinsen, sonst macht der Factor etwas falsch“, sagt Finanzierungsexperte Carl-Dietrich Sander vom KMU-Beraterverband. „Der Zins errechnet sich aus einem Aufschlag von 1 bis 3 %-Punkten auf den Euribor als Basiszinssatz – abhängig von der Bonität Ihres Betriebes.“
  • Die Factoring-Gebühren: Diese Gebühren kommen hinzu: Sie liegen bei vielen Anbietern zwischen 0,1 und 2 Prozent der Rechnungshöhe. Im Idealfall sind darin alle weiteren Kosten enthalten: Bearbeitungsaufwand, Bonitätsprüfungen der Kunden, Versicherungsschutz gegen Forderungsausfälle und Kosten für das Mahnwesen.
  • Andere Gebühren? Sie müssen sehr genau hinschauen, was mit der Factoring-Gebühr alles abgedeckt ist und was gesondert berechnet wird. Hinzu kommen wird in jedem Fall eine einmalige Einführungsgebühr für das Factoring, meistens zwischen 1000 und 4000 Euro.
Die Gegenrechnung – diese Vorteile könnten Sie vom Factoring haben:

Bis zu 5 Prozent vom Umsatz kostet Factoring – ist das nicht ziemlich viel?

 

„Factoring ist ganz schön teuer, aber es kann sich auch lohnen“, bestätigt Zulia Gubaydullina, Finanzierungsexpertin der Handwerkskammer Hannover. Das hänge von vielen Faktoren ab:



  • Zahlungsziel und Zahlungsmoral: Je kürzer das Zahlungsziel und je zuverlässiger die Kunden zahlen, desto uninteressanter wird Factoring. „Wenn der Betrieb ein Zahlungsziel von 14 Tagen setzt und sich die meisten Kunden daran halten, ist Factoring wahrscheinlich zu teuer“, sagt Gubaydullina. Bei einem Zahlungsziel von 30 Tagen und vielen Kunden, die später zahlen, könne es sich eher lohnen.
  • Kontokorrentzinsen: Eine Rolle spielt auch, wie hoch der Kontokorrentkredit und die dafür fälligen Zinsen sind. Je intensiver ein Betrieb seinen Kontokorrentkredit nutzt und je höher der Zinssatz ist, desto interessanter wird Factoring.
  • Wareneinsatz und Skonti: Den Factoring-Kosten steht zudem die Möglichkeit gegenüber, durch die gewonnene Liquidität schneller Lieferantenrechnungen zu bezahlen und so Skonto zu ziehen. „Ob sich das lohnt, hängt vom Wareneinsatz ab, aber auch von den Konditionen der Lieferanten und dem Verhandlungsgeschick des Handwerkers“, sagt Gubaydullina.

Das sieht auch Sander so: Wer pünktlich zahlende Kunden hat und kaum mahnen muss, über eine ausreichende Kreditlinie verfügt und nur 8 Prozent für den Kontokorrent bezahlt, für den werde sich Factoring kaum lohnen. „Es sei denn, das Unternehmen hat Wachstumspläne und will die Kreditlinie anders nutzen.“



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Die Factoring-Arten – und was Ihre Kunden davon merken 

Es gibt viele verschiedene Factoring-Arten. Hier die zwei wichtigsten Unterschiede:

Echtes und unechtes Factoring
Beim echten Factoring übernimmt der Factor das Ausfallrisiko, beim unechten Factoring nicht. Kommt es beim unechten Factoring zu einem Forderungsausfall, dann geht die Forderung zurück an den Betrieb.

Aber wer braucht dann ein unechtes Factoring? „Unechtes Factoring ist günstiger. Das kann für Betriebe interessant sein, deren Kunden sehr zuverlässig zahlen, sich dafür aber immer sehr viel Zeit lassen“, sagt Gubaydullina.

Stilles und offenes Factoring: 
Beim offenen Factoring verschickt der Factor die Rechnungen direkt an die Kunden. Beim stillen Factoring bekommen die Kunden vom Factor nichts mit – bis die erste Mahnung rausgeht.

„Viele Betriebe sorgen sich, wie Factoring beim Kunden ankommt“, weiß Sander. Sein Rat: „Damit sollte ein Betrieb ganz offensiv umgehen. Ich würde meine Kunden informieren: ‚Ab sofort setze ich Factoring ein, das hat für Sie nur eine Auswirkung: die Bankverbindung hat sich geändert.‘“

Hinzu kommen weitere Factoring-Arten: Manche Anbieter akzeptieren es, wenn ein Betrieb nicht alle Kunden übergeben möchte (Ausschnittsfactoring und Einzelfactoring). Schreibt der Betrieb Rechnungen und Mahnungen selbst, dann nennt sich das Inhouse-Factoring.

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So sieben Sie Factoring-Anbieter aus!

Mehr als 140 Factoring-Anbieter gibt es in Deutschland. Leicht ist es allerdings nicht, den passenden Factor zu finden: Die meisten Anbieter haben wenig Interesse an Betrieben mit Privatkunden – am besten keine oder so wenig wie möglich. Auch Baugewerke haben es schwerer: VOB-Verträge sind auch nicht gerne gesehen, ebensowenig wie Aufträge mit Gewährleistungsrechten.

Wer suchet, der findet!
Aber: „Der Markt hat sich in den letzten 10 Jahren sehr verändert“, berichtet Sander. „Es gibt für fast jeden Betrieb einen Anbieter.“

Klar ist aber auch: Je kleiner ein Betrieb ist, je spezieller die eigenen Wünsche, je mehr Privatkunden, VOB-Verträge, Gewährleistungsansprüche und Kleinstrechnungen, desto schwerer wird es, einen Anbieter zu finden. Und umso genauer muss man dann rechnen, denn die Anbieter lassen sich das Mehr an Aufwand und Risiken natürlich bezahlen. Unter einem Umsatz von 100.000 Euro dürfte es allerdings sehr schwer werden, überhaupt einen Anbieter zu finden, sagt Sander.

K.O.-Kriterium für Factoring-Anbieter!
Factors nehmen nicht jeden Handwerksbetrieb als Kunden: Eine schlechte Bonität und häufige Zahlungsausfälle sind ein echtes K.O.-Kriterium, weiß Sander. „So ein Betrieb findet garantiert keinen Factor.“

Kontrolle vor der Auftragsannahme!
Auch das wird nicht jedem Betrieb schmecken: Ein Factor, der für Forderungsausfälle einstehen muss, übernimmt dieses Risiko nicht blind. Er prüft die Bonität jedes Neukunden vor der Auftragsannahme, setzt ein klares Limit und kann Kunden auch ablehnen. Übernimmt der Handwerker dennoch den Auftrag, dann auf eigenes Risiko. „Die Bonitätsprüfung läuft aber sehr schnell ab, dafür genügen die Kundendaten und eine grobe Hausnummer, um was für ein Auftragsvolumen es geht. Die Antwort liegt binnen 24 Stunden vor“, berichtet Sander. Für ihn ist diese Prüfung ein klarer Vorteil: „Wenn der Factor ein enges Limit setzt, kann ich ganz anders über Vorkasse verhandeln. Und wenn der Factor das Risiko ablehnt, dann würde ich mir sehr genau überlegen, ob das wirklich ein Kunde für mich ist.“

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Vergleichen und beraten lassen!

Sanders Rat: Betriebe sollten zwei oder drei Anbieter vergleichen. Eine Auswahl von auf kleine und mittelständische Betriebe spezialisierten Anbietern findet sich zum Beispiel beim Bundesverband Factoring für den Mittelstand. Da jede Hausbank mit einem Factoring-Anbieter zusammenarbeitet, sollte der Betrieb auch dort ein Angebot einholen: „Die Hausbank brauche ich sowieso. Wenn ich Forderungen als Sicherheiten für die Kontokorrentlinie abgetreten habe, dann muss die Bank die Forderung freigeben, sonst kann der Factor sie nicht ankaufen.“

Auch Zulia Gubaydullina rät zum Vergleich: Welche Kosten fallen wirklich an? Welche Risiken schließt der Anbieter aus? Welche Vorteile stehen dem gegenüber? „Ob sich das überhaupt rechnet, sollte man vorher unbedingt mit seinem Steuerberater besprechen oder mit einem Betriebsberater der Handwerkskammer.“

Die unkalkulierbaren Vorteile
Ein Aspekt bleibt in dieser Rechnung allerdings unkalkulierbar: Wer sich nicht mehr um offene Rechnungen und Mahnwesen kümmern muss, hat plötzlich den Kopf frei. „Ein Handwerker mit enger Liquidität, der täglich Zeit aufwenden muss, um seine Konten zu disponieren, gewinnt durch Factoring unglaublich viel Zeit und hat viel weniger Sorgen“, sagt Sander. „Wenn so ein Unternehmer seine Zeit plötzlich für sein Geschäft nutzen kann – das kann man gar nicht mit Geld aufwiegen.“

 

 

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