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Gute Argumente – schlechte Witze

Meister Glos: Nebeneinkünfte refinanzieren Diäten

Honorare aus Nebentätigkeiten: Die Handwerksmeister im Bundestag sind gegen die völlige Offenlegung. Jetzt hat sich abgeordnetenwatch.de die Argumente "unserer" Kandidaten vorgeknöpft. Ein Müllermeister namens Michael Glos wird gleich mitverarztet.

Strothmann, Todtenhausen, Pols, Hinsken – vier der neun Handwerksunternehmer im Bundestag hatten sich der Diskussion gestellt (wir berichteten). Alle vier sind gegen die völlige Offenlegung der Honorare aus Nebentätigkeiten. Das zentrale Argument: Beamte könnten ihre Tätigkeit ruhen lassen, Handwerksmeister nicht. Sie seien darauf angewiesen, dass sie nach der Abgeordnetenzeit in den Betrieb zurückkehren können.

Und: Auf Unternehmer, die mit einem Mandat liebäugeln, wirke es abschreckend, dass sie ihre kompletten Firmendaten veröffentlichen sollen. Durch die vollständige Offenlegung würde der Bundestag noch mehr als heute zu einem Beamtenparlament verkommen.

Martin Reyher ist Redakteur von abgeordnetenwatch.de, auf der überparteilichen Internetplattform können Bürger die Abgeordneten verschiedener Parlamente öffentlich befragen. Dass sich durch mehr Transparenz weniger Freiberufler für den Bundestag finden lassen, sei schlicht falsch, meint Reyher: „Es gibt in dieser Wahlperiode so viele Freiberufler wie noch nie, dabei wurde 2005 die Veröffentlichungspflicht für Nebeneinkünfte eingeführt. Auch damals war schon die Rede davon, dass es künftig immer weniger Freiberufler geben wird.“

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Humor ist, wenn man trotzdem wacht

Reyher hat kürzlich einen Text mit dieser Überschrift veröffentlicht: „Abgeordnete verdienten mindestens 22,5 Mio. nebenher – jetzt alle Einkünfte offenlegen!“ In dem Artikel befasst er sich auch mit einem der neun MdB-Handwerksmeister. Allerdings mit einem, der schon länger nicht mehr in seinem Beruf gearbeitet haben dürfte: dem Müllermeister Michael Glos (CSU).

Der frühere Wirtschaftsminister ist bekanntermaßen einer der Spitzenverdiener des Parlaments. Die Liste seiner „veröffentlichungspflichtigen Angaben“ ist enorm. Enorm lang. Und enorm undurchsichtig. Denn durch die Stufenregelung lässt sich allenfalls auflisten, wie viel die Abgeordneten mindestens verdienen. Auf Glos‘ Liste stehen allein vier Einträge der Stufe 3, also Einkünfte von mehr als 7.000 Euro.

Problematisch wird es, schreibt Reyher, wenn es um „mögliche Abhängigkeiten“ geht. Und da wäre es schon interessant zu wissen: „Was kassiert Michael Glos […] als Berater der milliardenschweren Beteiligungsgesellschaft RHJ International?“

Nun spielt Glos eher in der Steinbrück-Liga – zumindest in Bezug auf die Einnahmen. Der SPD-Kanzlerkandidat hat laut abgeordnetenwatch knapp 700.000 Euro in dieser Legislaturperiode nebenbei verdient, Glos mehr als eine halbe Million. In der Talk-Sendung „Pelzig hält sich“ hat sich der bayerische Müllermeister jetzt zu diesem Satz hinreißen lassen: „Ich bin der billigste Abgeordnete, den sie im Moment im Deutschen Bundestag haben.“ Warum? Die Antwort: Wenn abgeordnetenwatch.de mit der Höhe seiner Nebeneinnahmen richtig liege, könne sich der Steuerzahler freuen, Glos' Einkommenssteuerzahlungen würden dann seine Diäten quasi refinanzieren. Achtung, Humor.

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Angaben für Konkurrenten ohne Belang

Martin Reyher versteht bei diesem Thema keinen Spaß. Aber auch die ernsthaften Argumente der „kleinen“ MdB-Handwerksmeister überzeugen ihn nicht. Die Arbeit eines Abgeordneten sei ein Vollzeitjob, für eine Nebentätigkeit bleibe keine Zeit.

Doch greift dieses Argument wirklich, ist die Situation von Handwerksmeistern im Bundestag nicht ein Sonderfall? Ein Beispiel: Der CDU-Abgeordnete und Glasermeister Eckhard Pols hat seinen Betrieb so organisiert, dass er während seiner Zeit als Parlamentarier zu Hause nicht mitarbeiten muss. Der Mann ist Vollzeit-Parlamentarier, sein Betrieb hält ihn nicht von seiner Arbeit im Bundestag ab. Gute Sache: Wenn er nicht mehr in den Bundestag gewählt wird, kann er in seine Glaserei in Lüneburg zurückkehren.

Welchen Sinn hätte die Veröffentlichung der Firmendaten, wenn ihn seine Position als Firmenchef zeitlich überhaupt nicht einschränkt? Und könnte es nicht – wie MdB-Elektromeister Manfred Todtenhausen (FDP) es formuliert – im Wettbewerb "töricht" sein, wenn die Konkurrenz alles über Auftragslage, Umsätze und Gewinne erfahren würde?

Durch die Parlamentarier Todtenhausen und Pols selbst lasse sich belegen, dass ihre Befürchtungen falsch sind, entgegnet Martin Reyher.

Manfred Todtenhausen bezieht beispielsweise monatlich Einkünfte der Stufe 2, also zwischen 3.500 und 7.000 Euro – das kann schon heute jedermann unter bundestag.de nachlesen. Reyher: „Ich kann nicht sehen, wo er im Wettbewerb benachteiligt wäre, wenn man wüsste, dass er 4.210 Euro oder 5.802 Euro pro Monat verdient.“ Mit dieser Angabe könne die Konkurrenz nichts anfangen, da überhaupt nicht ersichtlich wird, wieviel Arbeitszeit der Elektromeister dafür aufwenden müsse. Und weil Pols gar keine Stufe angibt, würde ihn eine Komplettveröffentlichung auch nicht betreffen.

Nur Michael Glos, der müsste wahrscheinlich schon noch ein paarmal in seine Buchführungsunterlagen sehen und die eine oder andere Angabe überarbeiten.

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(sfk)

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