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Fachkräftemangel: Sabine und Thomas müssen (weiter) ran

Falls Sie glauben sollten, der aktuelle Fachkräftemangel sei übel – er ist erst der Anfang. Handwerksunternehmer Wolfram Uhe legt den Finger in die Wunde.

Auf einen Blick:

  • Böses Erwachen 2025: Der echte Fachkräftemangel kommt noch, sagt Wolfram Uhe.
  • Der Kreishandwerksmeister will Arbeitnehmer länger im Erwerbsleben halten.
  • Anreize für die Frühverrentung müssten weiter abgebaut werden, meint Uhe.

Als Kreishandwerksmeister seiner Region hat er einen Blick in die Zukunft geworfen. Das sei sein Job, sagt Wolfram Uhe, er müsse die Betriebe vor möglichen Gefahren warnen. Nur hätten die Kollegen vor lauter Arbeit kaum die Zeit zuzuhören. In einem Punkt sollten sie allerdings die Ohren spitzen: „Die qualifizierten Jahrgänge, die wir haben, nämlich die aus den geburtenstarken Jahrgängen, werden in den kommenden Jahren in Rente gehen. Gleichzeitig finden wir keinen Nachwuchs.“

Der eigentliche Fachkräftemangel „kommt noch auf uns zu“.

2025 extrem viele 61. Geburtstage

Der Blick in die Statistik untermauert Uhes Skepsis. 1964 erreichte der Babyboom einen Höhepunkt, etwa 1,4 Millionen Kinder wurden in diesem Jahr in Deutschland geboren. Zum Vergleich: 2012 waren es noch 670.000 Neugeborene (Quelle: Destatis). Leute wie Sabine und Thomas (das waren 1964 die häufigsten Namen) werden 2025 ihren 61. Geburtstag feiern. Und wehe, sie würden über einen vorgezogenen Ruhestand oder Altersteilzeitmodelle nachdenken. Stellvertretend für die Betriebe in Limburg-Weilburg graut Kreishandwerksmeister Uhe schon jetzt davor.

Uhe ist nicht der Einzige, der eher pessimistisch nach vorne blickt. Das Forschungsinstitut prognos erwartet für das Jahr 2030 eine „Fachkräftelücke von etwa 3 Millionen“ in Deutschland.

Das Angebot an Auszubildenden und jungen Gesellen ist laut Uhe schon derzeit „spärlich“. Das Kontingent mit Flüchtlingen aufzufüllen, scheitere in der Praxis leider „sehr, sehr oft an mangelnden Sprachkenntnissen“. Was also schlägt der Metallbaumeister vor?

Sabine und Thomas müssen es richten

Es sei unausweichlich, die Älteren müssten länger im Erwerbsleben bleiben, sagt Uhe. Anders ausgedrückt: Erst einmal müssen Sabine und Thomas ran. Weiter ran. Der Abbau von Frühverrentungsanreizen und die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 sind nach Uhes Meinung Schritte in die richtige Richtung: „Aber da geht noch was.“

Die Alten immer länger arbeiten lassen? Klingt das nicht weniger nach einer Lösung als vielmehr nach purer Verzweiflung? „Wenn die Konjunktur sich so weiterentwickelt wie zurzeit, können sie jeden Beruf betrachten und werden ähnliche Probleme entdecken. Vom Steuerberater über den Malermeister bis zum Zahnarzt – alle suchen Fachkräfte“, hält Uhe entgegen. Und wie solle das ausgeglichen werden? Diese Frage müsse man stellen.

Jeder zweite Erwerbstätige geht vorzeitig

Tatsächlich scheidet mehr als jeder zweite Erwerbstätige in Deutschland vor dem offiziellen Renteneintrittsalter aus dem Arbeitsleben aus. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) hervor.

Die TK-Zahlen zeigen zudem: Ein Drittel der Berufstätigen, die das Erwerbsleben vorzeitig verlassen, hat zwar genug Berufsjahre zusammen, nimmt aber deutliche finanzielle Einbußen in Kauf, um früher in Rente zu gehen.

Häufig von einer Frühverrentung betroffen sind laut TK Beschäftigte mit körperlich belastenden Berufen. Das Risiko einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sei in drei Berufsgruppen besonders hoch: im Bau- und Holzgewerbe, bei Verkehrs- und Lagerarbeitern sowie bei den Beschäftigten der Metallbranche.

Es nütze allerdings nichts, das Renteneintrittsalter immer weiter hochzuschrauben, wenn schon heute nicht einmal jeder Zweite so lange arbeite, sagt der TK-Vorstandsvorsitzende Jens Baas: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen leistungsfähig bleiben und überhaupt bis zum Rentenbeginn arbeiten können."

Arbeiter heute weniger belastet als früher

Und was sagt Kreishandwerksmeister Uhe dem Dachdecker, der nicht ewig auf dem Dach stehen kann und will? „Auch der Maurer, der sein Leben lang draußen war, hat spezielle Probleme“, antwortet Uhe. Andererseits habe sich die Arbeit verändert, es gebe Aufzüge, kleine Kräne und andere Hilfsmittel: „Man ist ja heute nicht mehr in dem Maße körperlich belastet wie früher. Und so lange es geht? Was spricht dagegen?“

Die Arbeitskräfte, die mit 59 oder 61 in die Frühverrentung gehen würden, seien „die Leute, die uns fehlen werden. Wenn diese Möglichkeiten vorhanden sind, werden sie auch genutzt.“

Uhe beschäftigt derzeit zwei Rentner auf 450 Euro-Basis, zwei Elektriker, die er im Servicebereich einsetzt. „Der eine ist 66, der andere 68, beide sind noch topfit. Zuhause ist den Männern langweilig, die verdienen sich gerne ein bisschen Geld dazu. Und mir hilft das.“

Uhe selbst ist 57 Jahre alt. Ein Leben als Rentner ist für ihn kein Gedanke: „Ich stehe morgens gerne auf und habe Spaß an meiner Arbeit – und das wird auch so bleiben.“

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