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Ein Jahr Mindestlohn

Mindestlohn: Die Aufregung hat sich gelegt

Bilanz nach einem Jahr gesetzlicher Mindestlohn: Die Betriebe haben sich zwar mit den Vorschriften arrangiert - wie die Unternehmerin Adina Fox. Klarheit herrscht trotzdem noch immer nicht.

Vor einem Jahr noch sah die Situation im Betrieb von Adina Fox ganz anders aus. „Wir wurden mit seitenlangen Schreiben bombardiert, alle wollten sich absichern“, erinnert sich die Chefin der Fox Mietlift GmbH in Ronnenberg bei Hannover. Da der Betrieb vorwiegend gewerbliche Kunden hat, kamen jeden Tag Haftungsfreistellungen für jegliche Mindestlohnforderung bei ihr an.

Heute hat sich die Aufregung gelegt. Wie kommt das? „Ich habe einfach so weiter gemacht, wie vorher. Und die Ruhe bewahrt“, sagt Fox. Verrückt machen lassen habe sie sich nicht. „Die meisten Geschäftspartner waren verunsichert, wie wir auch“, sagt sie. Aber dennoch habe sie das ganze Jahr über keine der weitreichenden Forderungen ihrer Kunden unterschrieben. Stattdessen haben alle ein ­Standardschreiben bekommen. Darin bekennt sich der Betrieb zur Zahlung des Mindestlohns.

Da es vielen Betrieben ähnlich erging wie Adina Fox, wurden die Interessenvertretungen des Handwerks aktiv. Darauf hat das Bundesarbeitsministerium reagiert und im Herbst eine Klarstellung zur Auftraggeberhaftung veröffentlicht. Und darin auch einige Regelungen zu den umfangreichen Dokumentationspflichten gelockert. Am Mindestlohngesetz an sich hat die Regierung jedoch bis heute nichts geändert.

Wer haftet für was?
„Der Wortlaut des Gesetzes sagt nicht genau, in welchen Fällen Auftraggeber tatsächlich dafür haften, dass Arbeitnehmer den Mindestlohn bekommen“, betont Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen. Deshalb gab es nach Inkrafttreten des Gesetzes Unsicherheit über den Haftungsumfang. Diese führte dazu, dass Handwerksbetriebe von Auftraggebern veranlasst wurden, weitreichende Haftungsgarantien, Vertragsstrafe-Regelungen und Auskunftsverpflichtungen zu unterschreiben.

„Viele Betriebe und auch Auftraggeber im Privatkundenbereich haben sich umsonst Sorgen gemacht. Die meisten sind von der Auftraggeberhaftung nicht betroffen“, sagt Höltkemeier und verweist auf den „eingeschränkten“ Unternehmerbegriff: Dieser werde – nach entsprechender Abstimmung mit den zuständigen Bundesministerien – mittlerweile ausdrücklich vom Zoll für seine Prüfungen zugrunde gelegt: Demnach übernimmt ein Auftraggeber nur die Verantwortung für die Einhaltung des Mindestlohnes, wenn eigene vertraglich übernommene Pflichten an Dritte weitergegeben werden.

Beispiel: Ein Kunde beauftragt einen Elektriker mit der Verlegung neuer Kabel in seiner Wohnung. Wenn der Elektriker den Auftrag ganz oder teilweise an einen anderen Elektro-Betrieb weitergibt, haftet der Elektriker für die Zahlung des Mindestlohns, wenn der ausführende Elektro-Betrieb seinen Mitarbeitern keinen Mindestlohn zahlt.

Diese Klarstellung ist hilfreich. Doch viele Fragen bleiben offen. Daher fordert der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) Nachbesserungen beim Mindestlohngesetz: „Die Betriebe benötigen dringend Rechtssicherheit, vor allem bei der Auftraggeberhaftung. Hier erwarten wir gesetzliche Korrekturen“, sagt ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer. Generell sieht er das Gesetz kritisch: „Die Nachteile werden durch die gute Konjunktur nur übertüncht.“

„Erstmal so weitermachen“
Und wie haben die Kunden auf die Standardschreiben von Adina Fox reagiert? „Keiner hat etwas unternommen“, sagt sie. Alle Geschäftsverhältnisse bestehen noch, sie arbeiten nach wie vor mit allen Kunden vertrauensvoll zusammen. Und ihr Vorgehen werde sie auch künftig nicht ändern.


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(ja)

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