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Pleite mit 59 Jahren

Nach Soka-Bau-Forderung: "Jetzt bleibt nur Hartz IV"

Es ist nicht alltäglich, dass Handwerksunternehmer in der Redaktion anrufen, um sich bei uns zu verabschieden: "Hallo, hier spricht Eckhard Schiele. Ich habe jetzt die eidesstattliche Versicherung abgeben – anschließend gehe ich in die Insolvenz."

Seine Frau ist vor sechs Jahren an Krebs gestorben, der Tischlermeister aus dem niedersächsischen Lehrte hat sie monatelang gepflegt. 2005. Das ist auch das Jahr, in dem er erstmals Post von der Sozialkasse Bau bekommen hat. Vorher, versichert Schiele, habe er nicht einmal gewusst, dass es die Einrichtung überhaupt gibt. Heute soll der 59-Jährige knapp 90.000 Euro an die Soka-Bau nachzahlen: "Das wird mir das Genick brechen."

Ein kurioser Aspekt der Geschichte: Noch im August 2007 hatte ihm die Soka-Bau bescheinigt, dass sein Unternehmen "nicht berechtigt oder verpflichtet ist, an unserem Verfahren teilzunehmen". Im September 2007 die Kehrtwende, plötzlich hieß es, dass sein Unternehmen "überwiegend baugewerbliche Arbeiten" ausführt. Als Subunternehmer hat Schiele seine Mitarbeiter vor allem bei der Montage von Fenstern eingesetzt.

Ein Unternehmer auf dem Weg in die Altersarmut: Lesen Sie Seite 2.

Achtung, Tarifvertrag

Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) führt in Abschnitt VII die Gewerke auf, die nicht von der Soka-Bau erfasst werden. Und dazu gehören auch die Tischler – mit Einschränkungen: "Soweit nicht Fertigbau-, Dämm-(Isolier-), Trockenbau- und Montagebauarbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden." Doch ist der Einbau von Fenstern und Türen eine schlichte Montageaufgabe? Schiele bestreitet das: "Ein Tischler, der seit Jahren kein Fenster eingebaut hat, käme heute nicht mehr damit klar."

Heinz-Josef Kemmerling ist Justiziar im Fachverband des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen. Er bewertet die Situation ähnlich wie Schiele (wir berichteten): "Wer ein hochwertiges Fenster oder eine Tür einbaut, muss sich mit Schalldämmwerten auskennen, mit Klimaklassen, Einbruchschutz, Einbauvorgaben wie der EnEV und vielem mehr. Er muss ein millimetergenaues und häufig kompliziertes Aufmaß nehmen können."

Das Arbeitsgericht Wiesbaden entschied dennoch, dass Schieles Betrieb sozialkassenpflichtig ist. Weil er die entsprechende Nachzahlung an die Sozialkasse Bau nicht aufbringen konnte, hat er Mitte September 2011 die eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Wie die Soka-Bau auf einen Bittbrief von Schiel reagiert hat, lesen Sie auf Seite 3.

Banken spielen nicht mit

Und selbst wenn er das Geld bezahlen könnte, hätte er nach eigener Aussage keine großen Rückzahlungen zu erwarten: "Das beschränkt sich in meinem Fall auf die Urlaubskasse, da kommt nicht viel zusammen." Aber das ist ohnehin nur eine theoretische Überlegung. Schiele hat keine Sicherheiten vorzuweisen, die Banken spielen nicht mit.

Bevor er die Finger heben musste, hatte der Tischlermeister noch ein Schreiben verfasst, in dem er der Sozialkasse eine Ratenzahlung vorschlägt: "Sollten Sie weiter auf die eidesstattliche Versicherung bestehen, entziehen Sie mir die Lebensgrundlage und ich muss Hartz IV beantragen."

Die Antwort der Sozialkasse Bau: "Aus zwingenden tarifvertragrechtlichen Gründen – die uns ebenso binden wie Sie – und aus Gründen der Gleichbehandlung aller Betriebe können wir nicht anders verfahren." Zur angekündigten Insolvenz antwortet die Sozialkasse Bau im selben Schreiben: "Sofern über Ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet werden sollte, werden wir unsere Forderung zur Insolvenztabelle anmelden."

Schieles Kommentar: "Wenn ich von Anfang darüber informiert worden wäre, dass ich sozialkassenpflichtig bin, hätte ich meine Aufträge anders kalkulieren können und müssen. Das wäre alles nicht nötig gewesen – da muss sich dringend etwas ändern."

Aktuelle Stimmen von Handwerksmeistern zum Thema Sozialkasse Bau finden Sie hier.

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(sfk)

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