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Elternunterhalt

"Ohne Anwalt? Keine Chance!"

Wolfgang Schöller sollte zahlen. Eine Horrorsumme Elterngeld. Doch der Elektromeister hat sich gewehrt – gegen das Sozialamt, gegen die drohende Insolvenz. Und einen seltsamen Sieg errungen.

Siegreicher Elektromeister
Elternunterhalt_Wolfgang_Schoeller

Übersteigen die Kosten eines Pflegeheims die finanziellen Mittel der pflegebedürftigen Eltern, müssen ihre Nachkommen finanziell einspringen. Eltern­unterhalt nennt sich das und den treiben die Sozialämter ein. Elektromeister Wolfgang Schöller hat diese kostspielige Angelegenheit kennengelernt. Er steht am Ende eines fünfjährigen Behördenmarathons, der ihn viel Kraft, Geld und beinahe sein Unternehmen gekostet hätte.

Der Meister und die Horrorzahlung
Die Geschichte: Nach einem Schlaganfall zog Wolfgang Schöllers Mutter in ein Pflegeheim in Niedersachsen. Ihre Bezüge reichten aus, um alle Rechnungen zu begleichen. Dann plötzlich holte Schöllers Schwester sie nach Baden-Württemberg. Dass die Unterbringung dort ihre Einkommensverhältnisse überstieg, erfuhr Wolfgang Schöller zwei Jahre später vom Sozialamt. Die Forderung: 17.000 Euro Nachzahlung und obendrauf 527 Euro Eltern­unterhalt im Monat.

Schmerzhaft sind überraschende Forderungen wie diese wohl für jeden Unternehmer. Existenzbedrohend können sie schnell werden, sobald der Betrieb härtere Zeiten durchlebt.
So auch im Fall von Wolfgang Schöller. Als Elektro­installateur hat er einige Jahre vom Boom der Solarindustrie profitiert, umso härter traf ihn ihr plötzlicher Einbruch. Die Mitarbeiter musste er weitervermitteln, wurde wieder zum Ein-Mann-Unternehmer. Hinzu kam die plötzliche Arbeitslosigkeit seiner Frau. Die Forderung des Sozialamtes hätte ihn an den Rand der Insolvenz getrieben.

Kontaktaufnahme: vergeblich
Dem Sozialamt hat er versucht das mitzuteilen. „Die haben auf meine Schreiben überhaupt nicht reagiert“, sagt der Unternehmer. Für die geänderten Einkommensverhältnisse hat sich das Sozialamt nicht interessiert. „Die hauen einem ihre Forderungen um die Ohren und man muss springen.“
In 80 Prozent der Fälle wird zu viel verlangt

Ein Einzelfall? Leider nein, weiß Rechtsanwalt Michael Klatt. Wie man sich dagegen wehrt, erklärt er auf Seite 2.

Die Forderungen: fast immer zu hoch

„Die Sozialämter würden eine Insolvenz des unterhaltspflichtigen Kindes durchaus in Kauf nehmen.“ Klatt betreut aktuell bis zu 200 Fälle von Elternunterhalt. Meist kann seine Kanzlei die Forderung ­drücken. „In mehr als 80 Prozent der Fälle muss die Unterhaltsberechnung nach unten korrigiert werden“, sagt Klatt. Häufig sei eine Absenkung von 200 bis 300 Euro monatlicher Zahlungen möglich. Das Sozialamt mache nicht auf alle Möglichkeiten der Abzugsfähigkeit laufender Kosten aufmerksam.

So wird der Elternunterhalt berechnet
Grundlage für die Berechnungen des Elternunterhalts ist das gesamte der Einkommenssteuer unterliegende Einkommen. Dazu gehört das Einkommen der Partner in der Lebensgemeinschaft, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Steuererstattungen, Zins und Kapitalerträge. Das elternunterhaltspflichtige erwachsene Kind darf für sich 1800 Euro Selbstbehalt verbuchen, der Ehegatte zusätzlich 1300 Euro. Wer Kredite zu begleichen oder eigene Kinder zu versorgen hat, kann diese abzugsfähigen Positionen zusätzlich geltend machen. Das übrige Einkommen, das über den Selbstbehalt hinausgeht, kann zu 50 Prozent vom Sozialamt für den Elternunterhalt gefordert werden.

Im Fall von Wolfgang Schöller habe das Amt bei seiner Forderung einige Fakten besonders hartnäckig ignoriert. „Man war nicht bereit, die veränderten Einkommensverhältnisse des Unternehmens und der Ehefrau anzuerkennen“, kritisiert Fachanwalt Klatt. „Zudem konnte die Mutter die Kosten erst in Folge des Umzugs nicht mehr begleichen, der ohne Zutun von Herrn Schöller veranlasst wurde.“

Das Schweigen der Ämter
Mit diesen Argumenten wehrten sich Wolfgang Schöller und sein Anwalt Michael Klatt gegen die Forderung. Das Sozialamt reagierte: gar nicht. Laut Klatt ein typisches Verhalten. „Man ist zu feige, ein klärendes Abschlussschreiben aufzusetzen und lässt die Fälle stattdessen sukzessive ins Leere laufen.“ So sei Anfang 2016 auch die Forderung gegen Wolfgang Schöller verjährt.

Ein seltsamer Sieg, der einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt. Zeit und Nerven hat der Kampf den Elektromeister gekostet. Und Geld. Erstattung? Fehlanzeige. „Selbst wer seinen Fall zu 100 Prozent gewonnen hat, muss die Anwaltskosten selbst tragen“, kritisiert Rechtsanwalt Michael Klatt. Doch war diese Investition für Wolfgang Schöller notwendig, um sich gegen das Sozialamt zu wehren. Seine Erfahrung ist eindeutig: „Ohne den richtigen Fachanwalt hat man keine Chance.“ (deg)

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