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Duale Gymnasien für das Handwerk

Paketlehre: Gesellenbrief zur Abiprüfung

Mit einer grundlegenden Änderung in der Berufsausbildung will das Handwerk den chronischen Nachwuchsmangel bekämpfen. Das findet Anhänger.

20.000 unbesetzte Ausbildungsplätze hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) im letzten Jahr zählen müssen. Mit noch schlechteren Zukunftsaussichten: In diesem Jahr rechnet ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer mit 25.000 offenen Stellen.

Wollseifer fordert ein Umdenken im aktuellen Bildungssystem. Seine Idee: An dualen Gymnasien sollen Schüler neben dem Abitur auch einen Berufsabschluss machen können, berichten einhellig mehrere Medien. Sie hätten demnach eine Art „Abitur Plus“. Das soll das Ansehen der Lehre im Vergleich zum Studium wieder steigern.

Das Prinzip funktioniert analog zum dualen Studium, in dem die Studierenden parallel Universität oder Fachhochschule besuchen und sich in einem Betrieb ausbilden lassen. In diesem Bildungspaket erwerben sie gleichzeitig ihren Bachelor und den Gesellenbrief.

Eine grundsätzliche Reform der Gymnasien schwebt Wollseifer bei seinem Konzept nicht vor. Vielmehr sollen die dualen Gymnasien an den Berufsschulen in allen Bundesländern eingerichtet werden. „An der Berufsschule sollten ambitionierte Lehrlinge Lehrveranstaltungen besuchen können, die zum Abitur führen“, erklärt Wollseifer im Interview mit dem Handelsblatt.

Wie der Vorstoß bei den Entscheidern ankommt, lesen Sie auf Seite 2.

Kein Mangel an Befürwortern

Der ZDH-Präsident will die Idee der dualen Gymnasien mit den Kultusministern der Länder besprechen und dann mit Bund und Ländern auf den Weg bringen. Immerhin: In Brandenburg, Baden-Württemberg und Bayern gebe es solche Schulen bereits.

Und nicht nur dort: Niedersachsen praktiziere die Doppelqualifikation aus Abitur und Berufsabschluss seit Jahren, erklärt uns das Kultusministerium Niedersachsen auf Anfrage. Die Lehre mit Abi wird an mehreren beruflichen Gymnasien für die Berufe Industriekaufmann/-frau sowie Landwirt/-in angeboten.  

Zudem können alle Schüler/-innen in dualen Ausbildungsberufen über ergänzende Bildungsgänge parallel die Fachhochschulreife erwerben. Unabhängig davon begrüßt das Niedersächsische Kultusministerium den Vorschlag dualer Gymnasien. „Möglicherweise könnte er dazu beitragen, eine noch stärkere Durchlässigkeit im Bildungssystem zu ermöglichen“, sagt die Sprecherin des Ministeriums.

So kann sich ZDH-Präsident Wollseifer offener Ohren sicher sein. Zumal die Idee auch an anderer Stelle vorangetrieben wird: Ein ähnliches Konzept erarbeiteten die Finanz- und Kultusministerien im letzten Jahr zusammen mit der IHK an Plänen. Auch hier hieß das Ziel Abitur und Berufsausbildung zusammenzuführen, berichtete die Badische Zeitung.

Denn der Mangel an Schulabsolventen mit Wunsch zur Lehre ist nicht nur ein Problem des Handwerks. Die dualen Gymnasien könnten Schüler und Schülerinnen frühzeitig mit den Möglichkeiten der Arbeitswelt vertraut machen. (deg)

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