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Versicherungspflicht?

Per Krankenversicherung zum Schuldenberg

Viele Selbstständige schulden ihren Krankenkassen Geld. Die Außenstände werden immer mehr. Was tun: Härtefallantrag oder politische Lösung?

Eigentlich sollte das Beitragsschuldengesetz von 2013 einen Ausweg aus der Schuldenfalle bieten. Die Bundesregierung wollte auf diesem Weg ein Problem lindern, das immer mehr Selbstständige betrifft: Schulden bei den Krankenkassen. Zwar wurde einem Teil der Betroffenen ein Teil der Schulden erlassen und zugleich der Säumniszuschlag von 60 auf 12 Prozent jährlich gesenkt. Geändert hat das wenig.

Schulden vervierfachen sich
Der Schuldenberg der Selbstständigen steigt weiter. Lagen die Außenstände der Selbstzahler 2011 noch bei 1,07 Milliarden Euro, so sind es derzeit 4,48 Milliarden Euro. Das hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen ermittelt. Eine Ursache sei die „finanzielle Instabilität bei freiwillig versicherten Selbstständigen“. Hinzu dürften der Anstieg der Soloselbstständigen wie auch die Einführung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht seit 2009 kommen.

Beiträge für Geringverdiener „kaum zu schultern“
Ein Befund, den eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK bestätigt.. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich mindestens 10 Prozent der Selbstständigen „jenseits der Schwelle zur relativen Armut befinden“. Vor allem Solo-Selbstständige seien davon betroffen.

Laut dieser Studie müssen freiwillig versicherte Selbstständige durchschnittlich 4603 Euro im Jahr für ihre Beiträge aufwenden. Die Geringverdiener unter den Selbstständigen zahlten zwar durchschnittlich nur 3.520 Euro pro Jahr, doch entspreche 46,5 Prozent ihrer Einkünfte.  Bei den privat versicherten Selbstständigen liege die Belastung mit 58 Prozent sogar noch höher.

"Ohne finanzielle Unterstützung, zum Beispiel von Familienangehörigen“, seien die Belastungen in diesem Einkommenssegment „für Selbstständige kaum zu schultern“, heißt es in der Studie.

Härtefallregelung: Beiträge senken
Eine Ursache sind die Mindestbeiträge, die Selbstständige zahlen müssen. Zwar gibt es – genau wie bei Arbeitnehmern – eine Obergrenze, die Beitragsbemessungsgrenze. Sie liegt 2016 bei 4237,50 Euro monatlich. Anders als bei Arbeitnehmern sind die Beiträge jedoch auch nach unten gedeckelt: Die Mindestbemessungsgrenze für Selbstständige beträgt derzeit 2178,75 Euro. Bei einem durchschnittlichen Beitragssatz von 15,7 Prozent einschließlich Zusatzbeitrag für ein Krankentagegeld liegen die Monatsbeiträge also zwischen mindestens 342,06 Euro und höchstens 665,29 Euro.

Wer als Selbstständiger unter die Mindestbemessungsgrenze fällt, kann einen Härtefallantrag bei seiner Krankenkasse stellen. Dadurch kann der Beitrag auf 228,04 Euro gesenkt werden. Die Einstufung als Härtefall sei jedoch an restriktive Bedingungen geknüpft, schreibt das Forschungsinstitut der AOK. „So wird das Einkommen eines Partners mit berücksichtigt, und es dürfen bis auf einen Sockelbeitrag keinerlei Einnahmen aus Kapitalanlagen sowie aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden.“

Politische Lösung: Pflichtbeiträge für alle zur gesetzlichen Krankenversicherung?
Die Autoren der Studie kommen zu einer Schlussfolgerung, die nicht jedem Selbstständigen schmecken dürfte: So sehen sie zwar Reformbedarf bei den Mindestbeiträgen für Selbstständige. Zur Gegenfinanzierung sollten dann aber auch alle Selbstständigen solidarisch beitragen, „nicht zuletzt die nach wie vor vielen Selbstständigen mit hohen und sehr hohen Einkommen“. Denn die entscheiden sich in zwei von drei Fällen gegen die gesetzliche und für eine private Krankenversicherung.

Ihre Meinung?
Ist der Mindestbeitrag für Selbstständige zu hoch und brauchen wir eine politische Lösung und sollten dafür auch die Wahlfreiheit der Selbstständigen einschränken? Oder reichen die bestehenden Möglichkeiten für Härtefälle aus? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!


(jw)

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