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Digitale Betriebsdatenerfassung

Scanner statt Stundenzettel

Ein Handwerksmeister und ein EDV-Fachmann tun sich zusammen. Das Ergebnis: Ein Programm zur Erfassung der Betriebsdaten. Lohnt sich der Aufwand?

Pulverbeschichtungen, Nasslackierung, Sandstrahlen, Pulververzinkung, Effektbeschichtungen – das sind die Spezialgebiete von Oliver Weist und seinen 16 Mitarbeitern. Der Weg zur perfekten Beschichtung: Aufhängen der Komponenten, Reinigung des Materials, Abkleben der Bereiche, die nicht beschichtet werden sollen, Auftrag des Pulverlackes, der Lack-Einbrenn-Prozess, Qualitätskontrolle und Versand.

“Für jeden Arbeitsschritt haben meine Mitarbeiter die aufgewendeten Zeiten auf einem Auftragszettel notiert”, berichtet der Geschäftsführer der WWO GmbH in Alfeld. Anschließend wurden diese Daten im Büro am Rechner erfasst, um sie im Abrechnungsprogramm weiter verarbeiten zu können. “Das war sehr zeitintensiv”, sagt Weist. Immer wieder gab es Rückfragen, weil etwas unleserlich oder ungenau war. Bewegung kam im Herbst 2012 in das Thema, das Weist schon lange ein Dorn im Auge war. Er begann, mit seinem EDV-Fachmann über eine IT-gestützte Lösung des Problems zu diskutieren.

“Mein Ziel war eine Lösung, die sich möglichst nahtlos an unsere kaufmännische ERP-Software anschließt.” (Anm. d. Redaktion: ERP steht für Enterprise-Resource-Planning. Darunter versteht man Softwarelösungen, die helfen, Ressourcen und Lagerbestände eines Unternehmens im Blick zu behalten.) Stück für Stück formulierte er mit seinem EDV-Spezialisten ein Lastenheft. Was soll die Software konkret leisten? Wie soll sie sich bedienen lassen? Welche Vorkenntnisse müssen Nutzer haben? “Am Ende hatten wir ein ziemlich genaues Bild davon, was das Programm leisten sollte – und von den zu erwartenden Kosten. Die Programmierarbeiten begannen 2013.

Und wie lange hat's gedauert? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Fehler im Praxistest

“Zeitlich war ich ziemlich flexibel, denn der Betrieb funktionierte ja auch so”, erinnert sich der Oberflächenspezialist. Eine erste Version der Software stand im Frühsommer 2014 zur Verfügung und wurde vom Chef und seiner Führungsmannschaft nach Feierabend mehrmals getestet. Schnell zeigte sich, dass manches zwar nett gedacht war, in der Praxis aber nicht funktionierte.

Die Erfahrungen flossen in die Weiterentwicklung der Lösung ein. Im Herbst 2014 startete dann die praktische Erprobung mit der gesamten Mannschaft. “Vier Wochen lang haben wir alle Daten parallel erfasst”, berichtet Weist. Dabei zeigten sich noch einmal Kinderkrankheiten. „Das Programm hat bestimmte Arbeitsschritte erst freigegeben, wenn andere abgeschlossen waren. „Das war nicht praxistauglich, weil wir oft mehrere Projekte parallel bearbeiten.“ Eine weitere Optimierungsrunde folgte.  

“Real im Betrieb haben wir die Software seit Anfang dieses Jahres”, berichtet Weist.

Herbst 2012 bis Januar 2015, dazu mehr als eine ernsthafte Kinderkrankheit – das klingt nach einer langen Entwicklungsphase. “Ich würde das heute sofort wieder so machen”, stellt der Geschäftsführer klar. Denn das "wwoBDE" (BDE steht für Betriebsdatenerfassung) genannte Ergebnis überzeugt Chef und Mannschaft auf ganzer Linie.

Die Mitarbeiter waren vom Start weg positiv gestimmt. Denn sie sahen die Erleichterung bei der Erfassung der erbrachten Stunden je Stück. Ein Übriges dürfte das gute Betriebsklima beigetragen haben.

Und wie funktioniert die Software in der Praxis? Lesen Sie auch die letzte Seite.

Die Software in der Praxis

“Das ist alles ganz einfach”, sagt Weist beim Rundgang durch die Werkhallen. “Das Material unserer Kunden läuft mit einem Auftragszettel durch unseren Betrieb. Der heißt bei uns ‚Bestellung Kunde’ - kurz: ,BK’”. Daran hat die neue Software nichts verändert. Allerdings sind alle BKs nun mit einem Barcode für den jeweiligen Auftrag ausgestattet. An der ersten Station scannt der Mitarbeiter den Barcode, anschließend die Tätigkeit, die er ausführen wird und schließlich seine eigene Identitätskarte. “Dann läuft die Uhr”, schildert Weist. Wechselt das Werkstück von Station zu Station, sei der Prozess immer wieder der gleiche: Laufzettel scannen, Tätigkeit hinzufügen, ebenso die persönlichen Daten. Für die Erfassung stehen Rechner samt Handscanner, wie sie von vielen Ladenkassen bekannt sind, an den einzelnen Stationen bereit. “Die Jungs haben sich ihre Identitätskarten an ihren Arbeitsplätzen aufgehängt, ebenso hängen dort die Barcodes für die einzelnen Aufgaben.”

Die so erfassten Daten laufen direkt in die kaufmännische Software. Dort hat sie Oliver Weist im Blick und kann gegebenenfalls nachsteuern, wenn einzelne Aufträge zeitlich ins Hintertreffen geraten. Außerdem gleicht die Software bei jedem Arbeitsschritt den zu erwartenden Materialverbrauch mit dem Lagerbestand ab, so dass auch hier die Prozesssicherheit erhöht werden konnte. Dritter und wohl wichtigster Punkt: Die doppelte Erfassung der Daten auf den BKs und im Rechner entfällt dank der Software. Und das spart Zeit. “Und zwar erheblich”, freut sich der Unternehmer. Wie viel genau? “Das habe ich noch nicht ausgerechnet. Aber bei den Belegen, die jährlich geschrieben werden, kommt da ganz schön was zusammen.”

Der Betrieb von Oliver Weist im Netz: www.pulver-wwo.de

(ha)

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