Foto: Saskia Bauermeister

Sebastian Rost im Interview

„Wertschätzung ist keine Einbahnstraße“

Viele Handwerker vermissen die Wertschätzung ihrer Kunden. Sebastian Rost geht das nicht so – mal abgesehen von einem aufsehenerregenden Einzelfall.

Auf einen Blick:

  • Stuckateurmeister Sebastian Rost fühlt sich als Handwerker geschätzt. Das macht er an Beispielen in seinem Arbeitsalltag fest.
  • Sein Erfolgsrezept: Er übernimmt nur Aufträge, die er auch vertreten kann.
  • Und wenn Kunden etwas von ihm wollen, das ihm widerstrebt? Dann setzt sich Rost mit ihnen auseinander und versucht, sie von seiner Lösung zu überzeugen.

Das Interview führte Anna-Maja Leupold

Mit seiner Wutrede sorgte Handwerksmeister Sebastian Rost zuletzt für Aufsehen. Er kritisierte öffentlich die fehlende Wertschätzung gegenüber Handwerkern nach Abschluss der Bauarbeiten an der Berliner Staatsoper. Warum war er so aufgebracht? Zuerst wurden alle am Bau Beteiligten kurzfristig zu einem Sektempfang eingeladen. Und einen Tag vorher lud der Berliner Bausenat viele der Eingeladenen wieder aus. Das Vorgehen der Verantwortlichen ärgerte Handwerksmeister Sebastian Rost so stark, dass er beim Empfang das Mikrofon kaperte und seinem Ärger Luft machte.

Wertgeschätzt als Handwerker? Aber sicher!

Sie haben zuletzt öffentlich die fehlende Wertschätzung gegenüber Handwerkern kritisiert – war das ein Einzelfall oder ärgern Sie sich öfter über fehlende Wertschätzung?

Rost: Nein, ich kann mich nicht beklagen. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass gerade private Bauherren schätzen, was meine Mitarbeiter und ich an Stuckarbeiten machen.

Wie zeigen die Kunden Ihnen diese Wertschätzung?

Rost: Das ist sehr unterschiedlich. Ich hatte vor einer Weile zum Beispiel einen Bauherrn, der uns zum Essen eingeladen hat. Er wollte alle sechs Handwerker vorab kennenlernen, die bei ihm eingesetzt werden sollten. Der hat uns klar gesagt: Ich will eine positive Energie auf der Baustelle. Und mit dieser Einladung hat der Bauherr dafür eine sehr gute Grundlage gelegt.

Darüber hinaus gibt es viele weitere Beispiele. Manche Kunden sagen „Danke“. Andere signalisieren unseren Handwerkern, dass sie deren Arbeit großartig finden. Im Vergleich zu vielen anderen Gewerken haben Stuckateure in diesem Zusammenhang aber sicher auch einen großen Vorteil: Sie schaffen etwas Schönes und Besonderes.

Das Erfolgsrezept des Meisters

Was machen Sie darüber hinaus, damit Ihre Arbeit von anderen wertgeschätzt wird?

Rost: Ich bin davon überzeugt, dass Kunden sofort merken, ob jemand seine Arbeit mit Herzblut macht. Und wer das tut, bekommt dafür vom Kunden auch etwas zurück. Deshalb übernehme ich nur Aufträge, die ich auch vertreten kann. Ich würde zum Beispiel nie eine Stuckfassade aus den 1980er Jahren aus vorgefertigten Gipsteilen mit Acryl vollkleistern, um sie für einen schnellen Verkauf aufzuhübschen. Auch einen Vollwärmeschutz montiere ich keinem Kunden.

Ein unsinniger Kundenwunsch – was tun?

Und wie reagieren Sie, wenn ein Kunde genau so etwas haben will?

Rost: Dann versuche ich, ihn davon zu überzeugen, dass das keine gute Idee ist. Manche Dinge sehen einfach nicht aus oder machen aus technischer Sicht keinen Sinn. Wenn ich so einen Wunsch trotz besseren Wissens umsetzte, tue ich weder dem Kunden noch mir einen Gefallen. Ich würde den Auftrag mit einem unguten Gefühl angehen und könnte am Ende ganz sicher nicht mit meiner Arbeit zufrieden sein. Und der Kunde wird vermutlich langfristig auch nicht zufrieden sein – selbst wenn er genau das bekommt, was er sich gewünscht hat.

Handwerkerehre hin oder her: Lohnt es sich wirklich, Kunden Dinge auszureden, die sie unbedingt haben wollen?

Rost: Klar! Es spricht sich herum, wenn man Kunden nicht alles verkauft. Und das ist nahezu unbezahlbare Werbung. Ich hatte zum Beispiel mal eine Kundin, die wollte unbedingt eine einfarbige Jugendstilfassade, die Fenster sollten auf gar keinen Fall bunt sein. Bei dem Objekt war das meiner Meinung nach keine gute Idee. Deshalb habe ich sie Schritt für Schritt von etwas anderem überzeugt. Jetzt hat sie eine bunte Fassade mit bunten Fenstern. Nach Abschluss der Bauarbeiten hat sie sich bei mir bedankt, dass ich sie darin bestärkt habe, die Fassade ganz anders zu gestalten. Mehr Farbe zu wagen. Wenn ich so ein gutes Feedback bekomme, dann fühle ich mich und meine Arbeit sehr wertgeschätzt.

Von nichts kommt nichts

Vielen Ihrer Kollegen geht es offenbar anders, sie vermissen Wertschätzung in ihrem Arbeitsalltag. Machen sie etwas falsch?

Rost: Das ist schwer zu sagen, schließlich kann ich nur für mich sprechen. Grundsätzlich ist es aber so, dass Wertschätzung keine Einbahnstraße ist. Da sind nicht nur die Kunden gefordert. Auch Handwerker müssen etwas dafür tun.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Rost: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Bauherren Geschichten lieben. Das können Chefs im Gespräch nutzen, um ihrem Kunden zu zeigen, dass sie ihre Mitarbeiter selbst wertschätzen. Indem sie beispielsweise erwähnen, dass ein Mitarbeiter schon seit 20 Jahren im Betrieb arbeitet und Meister seines Berufs ist. Dadurch bekommt ein Kunde gleich ein ganz anderes Bild von den Menschen, die an seinem Haus arbeiten.

Den Kunden und seine Bedürfnisse verstehen

Und was können Handwerker noch tun?

Rost: Bauen ist für die meisten Kunden etwas Schreckliches. In der Regel wollen Bauherren möglichst günstig bauen. Deshalb sparen viele am Architekten. Die Koordination auf der Baustelle übernehmen sie stattdessen selbst– natürlich ohne Erfahrung damit zu haben. Bauzeitverzögerungen und Kostenüberschreitungen sind dabei die Regel.

Hinzu kommt, dass das jeweilige Projekt für uns Handwerker immer nur eines unter vielen ist. Die meisten Bauherren bauen aber nur einmal im Leben. Für sie ist es deshalb „das Projekt“. Dieser Stellenwert muss uns Handwerkern bewusst sein und wir sollten ihm gerecht werden.

Außerdem können wir versuchen, dem Bauherrn das Bauen möglichst schön zu gestalten. Als Profis wissen wir, wie eine Baustelle funktioniert. Da müssen wir schon mal mitdenken und können nicht alles laufen lassen. In der Praxis sieht das aber oft anders aus. Da wollen die meisten selbst eine gute Leistung abliefern, haben das Gesamtprojekt aber nicht im Blick.

Sind Kunden denn auch bereit, sich einen solchen mitdenkenden Handwerker auf der Baustelle zu leisten?

Rost: Ich habe das Gefühl, dass sich da gerade ziemlich viel ändert. Früher waren Autos ein Statussymbol, gutes Handwerk ist dabei, ebenfalls ein solches Statussymbol zu werden. Und das lassen sich viele etwas kosten.

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