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Online-Handel: Schwieriges Geschäft für Handwerker

Shop zu, Fax an

Ludger Freese hat jahrelang einen Online-Shop betrieben. Jetzt hat er ihn geschlossen - trotz 2500 treuer Kunden. Warum bloß?

Die rosigen Zeiten seines Online-Shops waren vorbei, als Ludger Freese ihn Ende 2014 dicht gemacht hat. Über zehn Jahre hat der Fleischermeister aus Visbek den Laden „mybratwurst.de“ im Internet betrieben. „Den meisten Erfolg hatten wir, als die Fleischerei noch existierte und wir alle Produkte selbst hergestellt haben“, erinnert sich Freese.

Doch mit den Jahren kamen immer mehr „Störfaktoren“ hinzu. Die haben ihn dazu bewogen, offline zu gehen.

Die Identifikation fehlte
Da Freeses Hauptschwerpunkt nun auf dem Catering liegt, produziert er nicht mehr alle Produkte selbst. „Ich möchte aber voll hinter dem stehen, was ich vermarkte“, sagt er. Wenn aber die meisten Produkte nicht mehr aus dem eigenen Betrieb kommen, sei das schwierig zu vertreten. Somit ein triftiger Grund, den Shop einzustellen.

Seit einigen Jahren stellt ein befreundeter Betrieb den bekannten „Kohlpinkel“ her – sogar nach Freeses Rezeptur. Der ist so beliebt, dass Freese ihn heute noch an etliche Kunden verschickt.

Alleinstellungsmerkmal ist ein Muss!
Doch für den Shop war das nicht genug: Der „Laden“ hatte kein Alleinstellungsmerkmal mehr – da er den Pinkel nicht mehr selbst herstellte. Ein Produkt, das es anderswo nicht gibt, sei das Wichtigste für einen gut laufenden Online-Handel.

Die Kosten spielten bei der Shop-Schließung eine entscheidende Rolle – lesen Sie Seite 2.



Die Kosten liefen aus dem Ruder

Wer einen Online-Shop betreibt, muss ordentlich in die Tasche greifen. Die Kosten für den Shop (das ist der größte Anteil), die Agentur und nicht zuletzt für Fachanwälte, die die Seite regelmäßig überprüfen, sind hoch.

„1000 Euro im Jahr für 20 Produkte ist schon eine Summe, die man erstmal erwirtschaften muss“, gibt Freese zu bedenken. Online-Handel sei wie Einzelhandel: „Die Kleineren haben irgendwann keine Chance mehr.“

Dazu kamen gewichtsbedingte „Zugaben“: Im Fleischereibetrieb könne man nicht immer nach Stück verkaufen. Eine Wurst wiege nicht exakt 100 Gramm. „Zehn Stück Pinkel wiegen vielleicht 1080 Gramm“, sagt er. Hätte der Kunde nur 940 Gramm erhalten, wären die Telefone heißt gelaufen. Aber hier und da mal 80 Gramm mehr summieren sich mit der Zeit auch auf. Und bleiben als Mehrkosten an dem Betrieb hängen, sagt Freese.

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mehr eingrenzt und Händler schikaniert.

Neue Regelungen machen es schwerer

Als Online-Händler habe er ständig das Gefühl gehabt, als Krimineller abgestempelt zu werden, sagt Freese. Der Gesetzgeber greife immer stärker in den Onlinehandel ein, beispielsweise mit dem neuen Widerrufsrecht für Kunden. Verbraucherschutz sei für viele Kunden eher verwirrend als sinnvoll, meint er. Die ständigen Neuerungen hatten ständige Shop-Anpassungen zur Folge.

Produkte sind nicht immer verfügbar
Online-Handel ist auch eine große logistische Herausforderung. Viele große Anbieter haben mit einigen tausend Artikeln, die immer verfügbar sind, ganz andere Möglichkeiten, als ein Handwerksbetrieb. „Ich kann und will mit meinen 20 Produkten auch nicht dagegenhalten“, betont der Fleischermeister.

Das größere Problem, das der Unternehmer sieht: Die Logistik ist für einen Kleinbetrieb schwierig, da gerade in seiner Branche nicht immer alle Produkte vorrätig sind. Das sei auch saisonal bedingt.

Online-Kunden wollen sofort und möglichst schnell ihre Lieferung erhalten. Wartezeiten seien für beide Seiten nervig: Der Kunde ruft an und fragt nach und der Handwerker vertröstet. Dem wollte sich Freese nicht länger aussetzen.

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Fast alle Stammkunden sind geblieben

Am Ende hatte Ludger Freese keine Kraft und Nerven mehr, diese und andere Hürden jeden Tag aufs Neue zu meistern.

Vor Schließung des Shops hat er alle Kunden angeschrieben oder angerufen. Schnell kam die Frage auf, ob Bestellungen auch dann noch möglich sind. „Wir haben einen Bestellschein mit einer Warenliste erarbeitet und alle Kunden damit versorgt“, berichtet Freese. Das Ergebnis: Fast alle 2500 Kunden sind geblieben. Sie bestellen jetzt telefonisch, per Mail oder Fax. „Ich bin persönlich an den Kunden dran und habe Spaß dabei“, resümiert Freese.

Onlineshops brauchen Mut, Zeit und Herzblut
Anderen Betrieben will der Handwerker aber nicht dem Mut nehmen, auch ihre Nische im Web zu finden. „Schauen Sie sich in Ihrer Branche und Region genau um. Wer ist Marktführer? Was wird geboten? Womit kann ich punkten?“ Diese Fragen gelte es zu beantworten, wenn kleine Betriebe einen Online-Handel aufbauen wollen.

Und dann das Marketing. Sein Rat: „Platzieren Sie die Produkte und den Shop auf allen Marketingkanälen und in der Presse“, rät er. Die Vermarktung seiner „ersten deutschen Internetwurst“ machte seinen Online-Shop erfolgreich. Nur wenn die Neugier an dem Produkt da ist, könne ein kleiner Händler im Netz zum Kundenliebling werden.

Freeses Fazit: Wer Neuland betreten will, muss manchmal Pionierarbeit leisten, viel Herzblut investieren und einen langen Atem haben.


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(ja)



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