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Niedriglöhne im Handwerk

Sind die Innungen verantwortlich für Niedriglöhne?

Niedriglöhne sind ein heißes Thema: Nie gab es mehr Niedriglöhner, der Ärger in den Betrieben steigt. Jetzt hat ausgerechnet ein Großhandwerker eine Erklärung parat: Schuld sind (Trommelwirbel) … die Innungen!

Die Medien laufen sich warm beim Thema "Niedriglöhne": Bei stern TV musste sich gerade Friseurkettenchef Michael Klier für seine Löhne rechtfertigen:

  • dafür, dass ein stellvertretender Salonleiter bei ihm in Berlin 692 Euro netto für 40 Wochenstunden bekommt,
  • dafür, dass manche Gesellin so wenig verdient, dass sie zusätzlich Harz IV beantragen könnte.

Sind die Innungen Schuld?
Klier, Chef von etwa 8000 Mitarbeitern in 1000 Filialen deutschlandweit schiebt die Schuld auf die Landesinnungsverbände. Schließlich würden die Verbände mit den Gewerkschaften pro Bundesland jene Tarifverträge aushandeln, die als Mindestlohn gelten. Im Westen verdienen Friseure dadurch brutto fast doppelt so viel wie in den neuen Bundesländern.

Sind die Kunden Schuld?
Nicht jeder Friseurmeister sieht das so wie Klier. Im Gegenteil, viele haben die Sorge, dass sich höhere Tariflöhne bei ihren Kunden gar nicht durchsetzen ließen:

Eigentlich müsste ein Haarschnitt mindestens zwischen 20 und 40 Euro kosten. Da aber im Osten nur wenige Kunden bereit sind, so viel Geld für einen Haarschnitt auszugeben, müssen die Betriebe die Preise niedrig halten. Ergebnis: Die Mitarbeiter bekommen nur Niedrig-Löhne – eine Aufstockung mit Hartz IV ist dort an der Tagesordnung.

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Niedriglohn: Viele Gewerke sind betroffen

Niedriglöhne sind nicht nur bei den Friseuren ein Thema: Aktuelle Zahlen des Statistisches Bundesamts belegen, dass mehr Menschen als je zuvor im Niedriglohn-Sektor beschäftigt sind.

Im Jahr 2010 arbeiteten 20 Prozent aller Beschäftigten für einen Niedriglohn. Die Niedriglohngrenze lag 2010 übrigens bei 10,36 Euro brutto. Vor allem Mitarbeiter in Branchen ohne Tarifbindung mit Teilzeitstelle oder Minijobs bekommen Niedriglohn.

Neben den Friseuren sind im Handwerk auch Gebäudereiniger, Bäcker, Kosmetikerinnen, Wäschereien und Fleischer von Niedrig-Löhnen betroffen.

Betroffen sind aber auch all jene Branchen, in denen Zeitarbeiter und ungelernte Hilfsarbeiter zum Einsatz kommen, denn solche Arbeitnehmer schneiden laut Statistik bei den Löhnen besonders schlecht ab.

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Viele sehen das Problem, jedoch keine Lösung  

Vor und nach der stern TV-Sendung wurde auf der von Frisuermeister René Krombholz gegründeten Facebook-Gruppe „Keine Billigpreise auf Kosten der Menschen“ (wir berichteten) wild diskutiert.

Viele sind betroffen, doch eine Lösung hat keiner parat. Hier haben wir einige Aussagen zusammengefasst, etliche mehr finden Sie auf Facebook.

Aufstockung mit Hartz IV geht gar nicht!
"Gestern habe ich mich geschämt, Teil dieser Branche zu sein. So geht es nicht weiter", kommentiert Ralf Steinhoff aus Reutlingen die Sendung. "Ich mag nicht mit derartigen Machenschaften in Verbindung gebracht werden. Aufstockung von Hartz IV? Wir haben noch nie auf irgendwelche Zuschüsse gesetzt. Deswegen erwarte ich auch Abgabenentlastungen und kann sie mit ruhigem Gewissen fordern. Aber Geschäftsmodelle in unserer Branche, die staatliche Zuschüsse einplanen."

Das Geld muss auch verdient werden
Bianca Dürmeyer relativiert die Lohndebatte: Warum sollte jede "Haarabschneiderin" gleich 13 Euro pro Stunde bekommen? Nicht falsch verstehen. Ich bin definitiv für bessere Löhne. Doch sollte man unseren Beruf nicht als absoluten Traumberuf darstellen. Bisschen schminken, Haarspray und mehr muss man nicht können um gut Geld zu verdienen. Das Geld sollte wirklich verdient werden.

Diskussion um Lohngrenzen: Konträre Meinungen innerhalb der Branche
Zum Thema Mindestlohn schreibt in der gleichen Facebook-Gruppe Peter Hagen: "Nötig ist nur ein Gesetz mit einer Lohnuntergrenze, fertig. In vielen anderen Branchen gibt es die schon. Warum nicht im Friseurhandwerk?"

Die Antwort von Doris Ortlieb: "Nein, den brauchen wir nicht. Der schadet mehr als er nützt. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn wird das Friseurhandwerk zum Spielball der Politik. Das wäre ein lustiges Bieten im Wahlkampf. Wenn z.B. die Union mit 7,50 Euro ins Rennen geht, die SPD einen Euro drauflegt und die Linke ihre bereits bestehende Forderung von 10 Euro erneuert. Es ist Sache der Tarifparteien Löhne auszuhandeln."

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(ja/jw)

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