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Gute Frage

Sozialkasse Bau ein Bürokratiemonstrum?

Heinz-Josef Kemmerling kennt sich aus im Bauhandwerk. Seine Meinung zur Soka-Bau: „Eine eher unsoziale Sozialkasse.“

Kemmerling ist Justiziar im Fachverband des Tischlerhandwerks Nordrhein-Westfalen. Hier seine Argumente:

„Der Name dieser privaten Tarifinstitution ist eine Mogelpackung. Die sogenannte Sozialkasse rechnet hauptsächlich Urlaubsansprüche und Urlaubsgelder mit den Mitarbeitern ab. Die Unternehmen müssen die Beiträge zuvor an die Soka-Bau zahlen – ein längst überholtes Bürokratie-Monstrum.

Welches Unternehmen in Deutschland ist denn nicht in der Lage, die Urlaubsansprüche mit seinen Mitarbeitern selbst zu regeln? In den 50-er Jahren haben die Mitarbeiter am Bau öfter ihre Arbeitgeber gewechselt. Damals hat das zu Abrechnungsschwierigkeiten geführt. Das ist Vergangenheit. Doch die Sozialkassen-Aktiengesellschaft freut sich über immerwährend sprudelnde Einnahmen. Nach der offiziellen Einschätzung eines Fensterbauverbandes sind das jährlich 345 Millionen Euro, etwa 93 Prozent werden – vorrangig als Urlaubsgelder – wieder ausgezahlt.

Damit verbleiben jährlich etwa 24 Millionen Euro Gewinn vor Steuern. Kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ihr Brot als Subunternehmer hart verdienen müssen, fehlt dieses Geld."

Warum Kemmerling die Rentenbeihilfe der Soka-Bau als "Lizenz zum Gelddrucken" bezeichnet, lesen Sie auf Seite 2.

"Lizenz zum Gelddrucken"

"Für Existenzgründer ist es besonders hart, wenn sie für vier Jahre rückwirkend veranlagt werden. Was mit viel Mühe und Eigeninitiative aufgebaut wurde, wird häufig in die Insolvenz getrieben. Die Terminzettel bei den Arbeitsgerichten in Berlin und Wiesbaden reichen bis auf den Boden – das ist Existenzvernichtung am Fließband.

Mir sind zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe bekannt, die als Reaktion auf die Beitragsveranlagung durch die Soka-Bau alle Mitarbeiter entlassen haben oder mussten. Ist das sinnvolle Arbeitsmarktpolitik? Die Bauindustrie beschäftigt schon seit Jahren keine "Bauarbeiter" mehr, muss also keine Beiträge mehr zahlen.

Der erhobene Beitrag zur Zusatzversorgung kommt oft genug im Fall des Renteneintritts beim Bauarbeiter gar nicht an, weil er die Voraussetzungen dazu nicht (mehr) erfüllt. Das ist fast 'Rentenbetrug', füllt aber immerhin die Aktionärskassen der Soka-Bau. Um in den Genuss einer Zusatzversorgung zu kommen, muss man nach dem Tarifvertrag „Rentenbeihilfe“ mindestens 18 Jahre Bautätigkeit nachweisen, davon fünf Jahre innerhalb der letzten neun (!) vor Rentenbeginn. Nach dem Altersübergangs-Report der Hans Böckler Stiftung aus 2010 gibt es aber nur einen sehr geringen Anteil von Bautätigen, die diese Ziel jemals erreichen

Im Klartext: Die SOKA Bau kassiert über Jahrzehnte bei den Betrieben Geld für eine 'Rentenbeihilfe', die selten ausgezahlt wird. Diese eher unsoziale 'Lizenz zum Gelddrucken' wird aber immer wieder durch das Bundesarbeitsministerium abgesegnet. Nicht zum Wohle der Bauarbeiter, sondern im Aktionärsinteresse der Soka-Bau. Die Zahl der Gegner einer eher unsozialen Sozialkasse wächst daher stetig – und das meines Erachtens zu Recht.“

 Weitere Artikel über die Sozialkasse Bau: 

(sfk)

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