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Dienstwagennutzung

Steuerrecht: Anscheinsbeweis spricht für Privatfahrten

Ob Dienstfahrzeuge wirklich privat genutzt werden, ist oft eine steuerliche Streitfrage. Im Zweifel meinen die Gerichte: ja.

Auf einen Blick:

  • Ist ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung geeignet, gehen die Finanzämter grundsätzlich erst einmal davon aus, dass solche Fahrzeuge auch tatsächlich privat genutzt werden.
  • Wer dann nicht schlüssig das Gegenteil beweisen kann, hat in der Regel schlechte Karten, wie zwei Finanzgerichtsurteile zeigen.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung spricht der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig dafür, dass ein firmeneigener Pkw oder ein zur Nutzung überlassener Dienstwagen auch privat mitgenutzt wird. Sollte dem nicht so sein, ist es am Nutzer, der Finanzverwaltung das Gegenteil zu beweisen. Das aber ist meistens nicht ganz einfach.

Zu diesem steuerrechtlichen Problem sind in der jüngeren Vergangenheit zwei Entscheidungen nachgeordneter Finanzgerichte ergangen, aktuell ist außerdem ein Grundsatzverfahren vor dem Bundesfinanzhof anhängig. Es scheint also durchaus interessant, sich näher mit diesem Thema zu befassen.

Fall Nr. 1: Fahrleistung als Nutzungsindiz

In dem Fall vor dem Finanzgericht Münster war dem Betriebsvermögen des Klägers ein geleaster Personenkraftwagen zugeordnet. Der Kläger machte geltend, dass wegen der im Leasingvertrag vereinbarten Kilometerbegrenzung eine Privatnutzung des Fahrzeugs nicht in Betracht komme. Die vereinbarte Jahresfahrleistung entspreche dem beruflichen Nutzungsvolumen. Außerdem stünde ihm für Privatfahrten das in Status und Ausstattung vergleichbare Fahrzeug der Lebensgefährtin zur Verfügung. Daher sei kein geldwerter Vorteil für die außerbetriebliche Fahrzeugnutzung anzusetzen.

Diese Argumentation, so die westfälischen Finanzrichter, reiche nicht, um den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Das von dem Steuerpflichtigen genutzte Fahrzeug eigne sich typischerweise auch zur privaten Nutzung und stand hierzu auch ganzjährig zur Verfügung. Darüber hinaus sei zum einen bei einer vertraglichen Beschränkung der jährlichen Gesamtfahrleistung von 20.000 Kilometern auch die Möglichkeit privater Fahrten nicht ausgeschlossen. Zum anderen müsse nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass die Lebensgefährtin ihren Pkw auch für private Fahrten nutze und dieses Fahrzeug dem Kläger somit nicht ständig zur Verfügung stehe. Da kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vorgelegt werden konnte, habe das Finanzamt den privaten Nutzungsanteil zutreffend nach der Ein-Prozent-Methode ermittelt. (Urteil vom 21. Juni 2017, Az.: 7 K 3919/14 E)

Fall Nr. 2: Dienstfahrzeuge in der Regel auch privat genutzt

In die gleiche Richtung geht ein Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts. Der Firmenwagennutzer hatte dem Finanzamt 2005 mitgeteilt, dass nahezu 100 Prozent der durchgeführten Fahrten betrieblicher Natur seien und ein Fahrtenbuch daher nicht erforderlich sei. Darauf hatte das Finanzamt zunächst nicht reagiert. Erstmals für den Veranlagungszeitraum 2016 erhöhte es den steuerlichen Gewinn um einen privaten Nutzungsanteil nach der Ein-Prozent-Regel.

Eine Klage hatte keinen Erfolg. Die Kläger hatten argumentiert, dass zusätzlich zu dem Firmenwagen zwei weitere private Pkw. am Wohnort zur jederzeitigen Verfügung stünden. Diese Logik war dem Finanzgericht zu dünn. Der Firmenwagen sei nicht in einer Weise umgebaut gewesen, die eine Privatnutzung von vornherein ausgeschlossen hätte. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung würden betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, tatsächlich privat mit genutzt. Außerdem habe dem Kläger der dem Firmenfahrzeug vergleichbare Wagen der Ehefrau nicht uneingeschränkt zur Verfügung gestanden, während der zweite Wagen hinsichtlich seines Nutzungswertes nicht mit dem Firmenwagen vergleichbar sei.

Einen Anspruch auf die günstige steuerliche Behandlung der Vorjahre habe der Kläger auch nicht. (Urteil vom 20. März 2019, Az.: 9 K 125/18).

Nichtzulassungsbeschwerde anhängig

Dass der Ansatz eines geldwerten Vorteils nach der Ein-Prozent-Pauschalierung auch bei nur geringer Privatnutzung zu einer hohen Steuerbelastung führen kann, liegt im Rahmen des breiten Ermessensspielraums der Finanzverwaltung bei der Ausgestaltung des Steuerrechts, kann aber jederzeit durch Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs umgangen werden. Die von der Klägerseite aufgestellten Behauptungen seinen kein schlagkräftiger Gegenbeweis durch den der Beweis des ersten Anscheins wirksam entkräftet werden könne. So sieht es auch der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 13. Dezember 2011 (Az.: VIII B 82/11).

Zwei wesensgleiche Urteile also zu zwei nahezu identischen Sachverhalten. Eigentlich sollte man meinen, dass es hier nichts mehr zu deuteln gäbe. Es scheint schwer zu sein, den Beweis des ersten Anscheins zu knacken. Noch ist das letzte Wort in Sachen Erschütterung des Anscheinsbeweises aber nicht gesprochen. Denn gegen die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts ist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden, die aktuell beim Bundesfinanzhof unter Az.: VIII B 61/19 anhängig ist. Auch wenn es mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung der Finanzgerichte zu diesem Themenkomplex wohl nur wenig Hoffnung auf ein gutes Ende gibt, sollten belastende Steuerbescheide aus derartigen Fallgestaltungen deshalb vorsorglich durch Einspruch offen gehalten werden.

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