Vorkasse bei Unterschrift: Energieversorger verlangen von kleinen und mittleren Unternehmen hohe Anzahlungen bei Vertragsabschluss.
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Energiekosten

50 Prozent Abschlag sofort: Versorger fordert Vorkasse für ein halbes Jahr

Anzahlung sofort, Lieferung ab 2023: Der Energieversorger Enercity verlangt Vorkasse von Handwerksbetrieben – bis zu 50 Prozent des Jahresverbrauchs. Kein Einzelfall.

Auf einen Blick:

  • Hermann Strathmann hat gerade per Vorkasse seine Stromversorgung beim Energieversorger Enercity für 2023 gesichert. Durch 50 Prozent Anzahlung sofort nach Unterschrift.
  • Der Handwerker ist kein Einzelfall. Auch andere Versorger verlangen derzeit hohe Anzahlungen für Strom und Gas bei Vertragsabschluss.
  • Handwerksbetriebe haben zwar Alternativen. Doch ihr Anspruch auf Ersatz- und Grundversorgung hat andere Haken.
  • Anfang August hat Hermann Strathmann einen neuen Liefervertrag für Strom geschlossen, mit der Enercity AG in Hannover, seinem langjährigen Versorger. Die Laufzeit: zwei Jahre. Der Preis: 300.000 Euro pro Jahr, das Dreifache der bisherigen Kosten.

    Dennoch hatte das Angebote für ihn einen Vorteil: „Das ist ein Festpreis, mit dem ich zwei Jahre kalkulieren kann“, sagt Strathmann, Chef der Uhe Feinmechanik GmbH im niedersächsischen Hemmingen. Doch einen Haken gab es: Das Unternehmen sollte eine Anzahlung leisten – 150.000 Euro sofort auf ein Enercity-Konto, für Lieferungen ab 2023.

    „Was machen andere Handwerker, die keine Rücklagen haben?“

    Foto: privat Trotz 50 Prozent Anzahlung zufrieden: „Dafür habe ich einen Festpreis für zwei Jahre und damit Planungssicherheit“, sagt Handwerker Hermann Strathmann.

    Strathmann hat die 150.000 Euro überwiesen. „Sonst hätte ich diese Konditionen nicht bekommen“, berichtet er. Und ohne Strom für die Metallbearbeitung läuft wenig in dem 36-Mann-Betrieb. Eigentlich wollte Strathmann von dem Geld eine neue Maschine anschaffen. Nun hat er den Betrag in seine Versorgungssicherheit investiert.

    „Ich kann Enercity sogar verstehen“, sagt der Unternehmer. „Die Versorger müssen beim Stromeinkauf in Vorleistung gehen, das führt aktuell bestimmt zu Liquiditätsproblemen.“ Dennoch mache er sich Sorgen: „Was machen andere Handwerksunternehmen, die keine Rücklagen haben? Die Kollegen sollten wissen, dass das auf sie zukommen kann.“

    Hohe Anzahlungen per Vorkasse sind kein Einzelfall

    Foto: Nitschmann, Hans-Joachim Grund für die hohen Anzahlungen: Enercity braucht Liquidität zur Risikoabsicherung und Vorfinanzierung von Energiekäufen.

    Tatsächlich ist die Uhe GmbH kein Einzelfall: Mal geht es um die Stromversorgung, mal um Gaslieferungen, mal um 20 Prozent, mal um 50 Prozent. Das Gewerk scheint dabei keine Rolle zu spielen. Die Enercity AG begründet Anzahlungen von 50 Prozent so: Es müsse „enorme Geldsummen zur Risikoabsicherung vorhalten und bis zur Belieferung binden“, schreibt das Unternehmen in einer Stellungnahme.

    Welche Kunden solche Anzahlungen leisten müssen, „hängt vom Beschaffungsmodell ab“. Die Kunden hätten die Wahl: Bei Festpreisverträgen würden Anzahlungen sofort fällig, bei sogenannten „Tranchenverträgen“ erst bei Order der Tranchen. Nur bei kurzfristigen Sportmarktverträgen gebe es keine Anzahlung. Bei Spotmarktverträgen gibt es aber auch keine garantierten Preise.

    Die Enercity AG ist weitgehend in öffentlicher Hand: Der Energieversorger gehört zu 75,09 Prozent der Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft Hannover mbH (VVG). Die gehört der Stadt Hannover und der Region Hannover. Weitere 0,91 Prozent hält die Region Hannover direkt. Die verbleibenden 24,9 Prozent besitzt ein anderer kommunaler Energieversorger: die Thüga AG in München.

    Ob Anzahlungsmodelle wie die der Enercity AG zur gängigen Praxis kommunaler und anderer Energieversorger zählen, wollten wir vom Verband der Kommunalen Unternehmen (VKU) und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wissen. Der VKU lehnte eine Stellungnahme ab, der BDEW antwortete nicht auf unsere Fragen.

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    Energieexperte: „Es ist legal“

    „Enercity ist nicht der einzige Versorger, der das macht, und es ist legal“, berichtet indes Frank-Peter Ahlers, Umweltberater und Energieexperte der Handwerkskammer Hannover. „Wir reden bei Sonderverträgen von Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen. Da besteht im Grundsatz Vertragsfreiheit.“ Für die betroffenen Betriebe bedeutet das, „jeder Unternehmer muss selbst entscheiden, welche Konditionen und Risiken er eingeht“.

    Alternativen für den Notfall: Grund- und Ersatzversorgung

    Ahlers weiß, dass solche Risiken für Handwerksbetriebe derzeit sehr schwer zu kalkulieren sind. Doch zumindest gebe es noch Alternativen, betont der Berater, „auch wenn sie nicht attraktiv sind“.

    Ahlers spricht von dem Ausweg, der allen Handwerksbetrieben offensteht: die Grund- und Ersatzversorgung. Den Zugang zu dieser Versorgung dürften die Anbieter keinem Kunden verwehren, auch Neu- und Geschäftskunden nicht, betont der Berater.

    Die Grundversorgung gebe es für Betriebe mit einem Verbrauch von maximal 10.000 Kilowattstunden im Jahr. Allen anderen stünde die Ersatzversorgung offen. Allerdings seien die Preise in beiden Varianten nicht verhandelbar. „In der Grundversorgung kann der Anbieter den Preis monatlich neu kalkulieren und anpassen. Dafür können die Kunden jederzeit kündigen.“ In der Ersatzversorgung gelte der festgelegte Preis zwar dauerhaft, aber nur für drei Monate. Danach ende der Anspruch auf Ersatzversorgung. „In den drei Monate muss der Geschäftskunde eine andere Alternative finden – aber das sollte möglich sein“, betont Ahlers.

    Unternehmerische Entscheidung: „Mit dem Preis kann ich planen“

    Auch Hermann Strathmann musste im August eine Entscheidung treffen: Er hätte den Strom für 2023 wahrscheinlich auch ohne Anzahlung bekommen, sagt er – nur nicht zu einem garantierten Festpreis in dieser Höhe. „Das Risiko weiterer Preiserhöhungen wollte ich nicht eingehen“, berichtet der Unternehmer. „Mit diesem Preis kann ich jetzt planen. Und ich kann ihn wahrscheinlich an meine Kunden weitergeben, die auch Planungssicherheit wollen.“

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