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Traumhaft ungenügend

Traumhaft ungenügend

Warum kaschieren Berufsschulen mangelhafte Leistungen mit guten Noten?

Warum kaschieren Berufsschullehrer

mangelhafte Leistungen mit

guten Noten?

Zwischen Anekdote und Trauerspiel: Die katastrophalen Ergebnisse von Eignungstests finden Sommer für Sommer ihren Weg in die Schlagzeilen. Kuriose mathematische Gleichungen, hanebüchenes Unwissen über gesellschaftliche Zusammenhänge, gewagte Interpretationen der Rechtschreibregeln das alles liest sich witzig. Ist es aber nicht. Den Ausbildern in den Betrieben ist das Lachen schon lange im Hals stecken geblieben. Eine Seltsamkeit aus ihrer Sicht: In den Zensuren der Schulen und Berufsschulen spiegelt sich die Bildungsmisere kaum wider. Wieso ist ein Auszubildener, der in der Berufsschule wirklich nur Einsen hat, nicht in der Lage, im Kopf 12 durch 3 zu teilen? fragt die Hamburger Tischlermeisterin Anke Oberwemmer.

Starker Anspruch, schwache Bildung

Wie teuer die Bildungsarmut deutscher Schüler den Staat zu stehen kommt, hat jetzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelt. Allein für die Qualifizierung von Schulabbrechern etwa durch Berufsvorbereitungsjahre setzt das IW einen Wert von 7,2 Milliarden Euro jährlich an. Das Versagen des Schulsystems zeigt sich nach Ansicht von IW-Bildungsexperte Hans-Peter Klös vor allem darin, dass der individuelle Bildungserfolg in erheblichem Umfang von der sozialen Herkunft der Schüler abhängt.

Die Berufsschullehrer stecken in in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite unterrichten sie Schüler, deren Bildungsgrad rückläufig ist. Auf der anderen Seite müssen sie die Anforderungen von Berufsbildern erfüllen, die zunehmend anspruchsvoller werden. Und dann passiert es, dass Lehrer jungen Leuten über gute Zensuren eine Chance geben wollen. Aber das kann nicht der Weg sein, sagt Klös.

Lehrer nach Leistung entlohnen

Der Katalog an Maßnahmen, mit denen er die Bildungsarmut bekämpfen will, verdeutlicht die Komplexität des Problems. Weil Kinder eher ungebildeter Eltern vergleichsweise selten einen Kindergarten besuchen, fordert Klös beispielsweise eine Kindergartenpflicht im letzten Jahr vor Schulbeginn. Ein anderer Ansatz: die leistungsorientierte Entlohnung von Lehrern. Bislang variiere das international überdurchschnittliche Gehalt eines deutschen Lehrers nur nach Alter und Familienstand. Klös will über die zielorientierte Lehrvergütung Anreize schaffen, damit sich Lehrer noch stärker als bisher um jeden einzelnen Schüler kümmern.

Der Bremerhavener Elektrotechnikmeister Jörg Tuguntke wäre mit dem letzten Punkt absolut einverstanden: Wir sollten den Spieß einmal umdrehen und denen Noten geben, die unsere Auszubildenden benoten. Andererseits möchte auch er nicht in der Haut eines Berufsschullehrers stecken, schreibt Tuguntke in einem Leserbrief: Wie soll ich einem Lehrling, der das kleinen Einmaleins nicht beherrscht und bei dem Physik meistens ausfiel, Berechnungen und Verständnis der Elektrotechnik beibringen?

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