So richtig neu ist das Problem eigentlich nicht mehr, aber kompliziert: Im Sommer 2014 haben sich in Deutschland die Vorschriften zum Widerrufsrecht für Verbraucherverträge geändert. Doch nicht jedem sind die Tücken dieser Gesetzesänderung tatsächlich bewusst.
Stellen Sie sich vor, Sie sind gerade bei einem Privatkunden vor Ort und in Akquise-Laune. Als Tischler bieten Sie ihm eine maßgefertigte Treppe und vier neue Fenster für seinen Dachboden an. Von der Idee ist er sofort begeistert. Deshalb nehmen Sie direkt das Aufmaß und zücken danach ihren Auftragsbestätigungsblock. Der Kunde unterschreibt am Küchentisch. Sie wiegen sich in Sicherheit und führen die Arbeiten vertragsgemäß aus.
Böse Falle: Wer nicht belehrt, läuft mitten hinein
Erst mehrere Monate später kommt dann das böse Erwachen: Der Kunde widerruft den Vertrag, was er nach dem neuen Recht auch darf. Und zwar immer dann, wenn Sie den Vertrag mit ihm außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen haben – das ist die entscheidende Voraussetzung, falls keine Ausnahmegründe bestehen.
Normalerweise kann der Kunde innerhalb von 14 Tagen widerrufen, ohne dafür Gründe angeben zu müssen. Doch in Ihrem Fall kommt es ganz dicke: Weil Sie ihn vor Vertragsabschluss nicht schriftlich über seine Widerrufsrechte aufgeklärt haben, erlöschen sie erst nach 12 Monaten und 14 Tagen.
Teure Falle: Rückabwicklung des Vertrages
Wie kostspielig ein solcher Fehler für Handwerksbetriebe werden kann, erläutert Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen (LV Bau): „Nach einem berechtigten Widerruf wird der Vertrag rückabgewickelt: Der Verbraucher erhält das von ihm gezahlte Entgelt zurück und der Unternehmer kann das, was nicht wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden ist, wieder mitnehmen.“
Seite 2: Was heißt das genau? Was müssen Sie dem Kunden trotz Widerruf überlassen und was nicht?
Der Kunde darf die Fenster behalten
Doch wann genau gilt das Eingebaute laut Gesetz als „wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes“? Die Verbindung muss Höltkemeier zufolge so fest sein, dass eine Trennung zur Beschädigung einer der beiden Sachen führen würde oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln möglich wäre. Im eingangs beschriebenen Beispiel sei das bei der speziell eingepassten Treppe der Fall. Wesentliche Bestandteile von Gebäuden seien zudem auch Sachen, die zwar nicht fest mit dem Gebäude verbunden sind, ohne die es aber noch nicht als fertiggestellt anzusehen wäre. Somit dürfte der Tischler auch die Fenster und Fensterrahmen nicht einfach wieder ausbauen.
Das Gleiche könne auch bei noch größeren Projekten, wie der Sanierung eines kompletten Hauses passieren. Lediglich bei Neubauten und Umbauten, die den Charakter eines Neubaus haben, bestehe laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) kein Widerrufsrecht.
Missbrauch nicht auszuschließen
„In der derzeitigen Ausgestaltung geht das neue Widerrufsrecht für den handwerklichen Sektor viel zu weit“, sagt die Juristin. „Es soll Verbraucher vor Überrumpelung schützen. Aber welcher Handwerker klingelt an der Haustür und schwätzt jemandem seine Leistungen auf? Und welcher Kunde lässt sich schon ohne Vorüberlegung eine Treppe oder Fenster einbauen?“ Es sei nicht auszuschließen, dass Kunden mit geringer Zahlungsmoral die nicht erfolgte Belehrung über das Widerrufsrecht in Auseinandersetzungen mit Handwerkern ausnutzen und für ihre Zwecke missbrauchen.
Nach Beobachtung von Höltkemeier sind sich viele Betriebe dieser Konsequenzen noch gar nicht bewusst. Das weiß sie aus Seminaren, welche die LV Bau in Zusammenarbeit mit den Kreishandwerkerschaften in Niedersachsen angeboten hat.
Wie Sie die Widerrufsfalle umgehen können, erfahren Sie auf Seite 3.
Wie Sie Ärger vorbeugen können
Wer die folgenden Maßnahmen ergreift, kann Höltkemeier zufolge verhindern, dass die Widerrufsfalle zuschnappt:
- Prüfen Sie, ob eine der Ausnahmeregelungen gilt, bei denen das neue Widerrufsrecht nicht greift. (siehe Text unten)
- Falls keine Ausnahmeregelung gilt: Schließen Sie den Vertrag entweder in Geschäftsräumen ab. Verlassen Sie sich dabei nicht auf mündliche Vereinbarungen, sondern bringen Sie das Ganze in eine Schriftform.
- Oder bringen Sie Ihr mündliches Angebot, das Sie Ihren Kunden bei einer Vor-Ort-Beratung unterbreitet haben, noch einmal zu Papier: Senden Sie ihnen erst einen Tag später per Brief, Telefon, Fax oder E-Mail ein schriftliches Angebot zu (mit Bezugnahme auf das Angebot im mündlichen Beratungsgespräch). Die Kunden können es unterschrieben zurückschicken. Ein Widerrufsrecht haben sie dann nicht.
- Falls die Verträge beim Kunden zuhause zustande kommen: Klären Sie die Verbraucher wie vorgeschrieben vor Vertragsabschluss über ihre Widerrufsrechte auf. Verwenden Sie dazu das abrufbare Widerrufsbelehrungsformular.
Falls Sie bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten beginnen sollen: Lassen Sie sich das schriftlich bestätigen. Weisen Sie die Kunden außerdem schriftlich darauf hin, dass 1. sie Ihnen im Falle eines Widerrufs die bis dahin erbrachte Leistung vergüten müssen und 2. ihr Widerrufsrecht erlischt, wenn die vollständige Vertragsleistung erbracht ist. Für diese Belehrung können Sie das Widerrufsbelehrungsformular verwenden.
Seite 4: Welche Ausnahmeregelungen gibt es? Und sind Sie damit auch wirklich aus dem Schneider?
Die Ausnahmeregelungen und ihre Tücken
In den folgenden Fällen greift das Widerrufsrecht nicht:
Weitere Informationen zum Widerrufsrecht sowie ein Musterformular zur Widerrufsbelehrung finden Sie auf der Website des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks unter der Überschrift „Neue Regeln für Verbraucherverträge“.
(afu)
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