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Foto: handwerk.com

Tageskontrollblätter

„Das ist Bürokratie hoch fünf“

Weil er nicht über die Lenk- und Ruhehzeiten Buch geführt hat, ist ein Tischlermeister ins Visier der Gewerbeaufsicht geraten. Kurios: Sein Sprinter hatte nur eine Kurzstrecke zurückgelegt.

Es war ein alltäglicher Auftrag. Detlef Krüger hatte einen Gesellen mit einem Lehrling losgeschickt, ein Holzfenster auszutauschen. "Die sind in den Nachbarort gefahren", sagt der Tischlermeister aus Alfeld. Auf dem Rückweg stoppte die Polizei seine Handwerker. Was die Ordnungshüter von beiden verlangten, heißt auf Amtsdeutsch "Tageskontrollblatt". Darin müssen Fahrer und Beifahrer von Transportern mit einem zulässigen Gesamtgewicht zwischen 2,8 und 3,5 Tonnen die Lenk- und Ruhezeiten festhalten. Es sei denn, die Autos entfernen sich nicht weiter als 50 Kilometer vom Firmensitz. "Meine Leute waren acht Kilometer weg", stellt Krüger klar.

Warum droht dann ein Bußgeld? "Wir prüfen, ob das, was die Handwerker transportiert haben, als Ausrüstung und Material gilt", sagt der Leiter des Gewerbeaufsichtsamtes in Hildesheim, Bernd Wiener. Auf der Fahrt zum Kunden hatten die Männer eine Glasscheibe und ein paar Fensterleisten dabei. Was ist daran ungewöhnlich? Der Polizist habe das für Transportgut gehalten, damit würde die Fahrt als gewerblichen Güterverkehr gelten, erklärt Wiener. Tischler als Trucker?

Eine Antwort darauf geben der Paragraf 7 der Fahrpersonalverordnung und der Beschluss eines niedersächsischen Fachgremiums. In dem Paragrafen heißt es zwar, dass Handwerker keine Tageskontrollblätter führen müssen, solange sie in einem Umkreis von 50 Kilometern um die Firma bleiben und nur Ausrüstung und Material dabei haben, das sie für die Ausübung des Berufes benötigen. Doch für die Fachleute gehören offenbar nicht einmal Möbel zu dem, womit Tischler und Schreiner von Berufs wegen unterwegs sind. In deren Beschluss heißt es: "Bei der Möbellieferung an Kunden, auch wenn diese am Zielort montiert und aufgebaut werden, liegt das Hauptaugenmerk bei der Fahrertätigkeit. Und daher greife die EU-Verordnung 3821/85." Das gelte "unabhängig von der Dauer der Fahrertätigkeit oder der sonstigen beruflichen Qualifikation des Fahrers".

"Wenn ich eine Banane dabei habe, brauche ich nächstens noch eine Einfuhrgenehmigung", schimpft Tischlemeister Krüger. Seit der Kontrolle hält er sich an die Vorgaben ("Vorher wussten wir gar nichts von der Regelung"). Und führt einen "regelrechten Papierkrieg". Jeder seiner acht Mitarbeiter nutzt den Firmensprinter, für jeden gilt es jetzt, lückenlos die Lenk- und Ruhezeiten aufzuzeichnen. "Ich muss sogar aufschreiben, wann sie nicht gefahren sind. Das ist doch Bürokratie hoch fünf", ärgert sich Krüger über den Aufwand.

Und was ist mit der Anzeige? "Im Zweifelsfall entscheiden wir natürlich für den Handwerker", sagt der Chef des Gewerbeaufsichtamts. Wie eng die EU-Regelung ausgelegt wird, hänge von der Rechtsauffassung des Landes ab.

"Die Kritik, das sei bürokratische Willkür, ist nicht gerechtfertigt", sagt Hans Bonnet vom niedersächsischen Sozialministerium, das hier zuständig ist. "Arbeitszeiten das ist ein ganz sensibler Bereich, viele Unfälle rühren daher, dass Fahrer übermüdet sind." Doch mit Blick auf das Handwerk betont Bonnet auch, dass man in solchen Fällen die Kirche im Dorf lassen und im Rahmen der gesetztlichen Vorgaben zugunsten der Betriebe entscheiden sollte.

Mehr Kontrollen

Offenbar hat die Polizei mancherorts die Kontrollen verschäft. "Es kommt jetzt häufiger vor, dass wir solche Fälle haben", berichtet Bernd Wiener. Wie hoch sind die Bußgelder? "Der Regelsatz beträgt 150 Euro pro Tag." Bei Erstvergehen werde jedoch in der Regel davon ausgegangen, dass es sich um Fahrlässigkeit handle. "Dann kann die Geldbuße bis um die Hälfte reduziert werden."

Schießt die Polizei nicht übers Ziel hinaus, wenn sie bei Handwerkerautos die Ladung kontrolliert? "Es ist nicht ganz einfach die Regelungen in der Praxis auszulegen", räumt das niedersächsische Sozialministerium ein. Die Polizeibeamten würden jedoch regelmäßig fortgebildet.

Einer, der die Beamten schult, ist Eckhard Hinz, Fachlehrer am Bildungsinstitut der Polizei Niedersachsen. "Handwerker fahren heute oft weiter als 50 Kilometer, denken aber nicht daran, dass sie einen Arbeitszeitnachweis erbringen müssen entweder in Form von Tageskontrollblättern oder durch ein Kontrollgerät", sagt er. Was die Kontrollen angeht, betont Hinz, dass der "Freistellungstatbestand an ganz bestimmte Voraussetzungen geknüpft" sei. "Wenn die nicht erfüllt sind, leiten wir den Fall zur Prüfung an die Gewerbeaufsicht weiter."

Dass er wegen einer Glasscheibe und Fensterleisten ein Fall für die Gewerbeaufsicht geworden ist, kann Tischlermeister Krüger nicht nachvollziehen. "Ich habe einen befreundeten Polizisten gefragt, und der hat mir gesagt: So einen Blödsinn kontrollieren wir nicht."

Daran müssen Sie sich halten

Egal, ob nur ein Auto oder eine Flotte auch Handwerker müssen Lenk- und Ruhezeiten dokumentieren. Das sollten Sie wissen:

Fahrer von Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t und und nicht mehr als 3,5 t müssen, soweit ein Kontrollgerät oder ein Fahrtenschreiber im Fahrzeug eingebaut ist, dieses Gerät benutzen (§ 1 Abs. 7 FPersF). Andernfalls sind handschriftliche Aufzeichnungen zu fertigen (§ 1 Abs. 6 FPersV). Fahrzeuge mit mehr als 3,5 t sind mit einem Kontrollgerät auszurüsten und dieses ist zu benutzen (Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3821/85).

Die Pflicht zur Bedienung des Kontrollgerätes/Fahrtenschreibers beziehungsweise zur Anfertigung handschriftlicher Aufzeichnungen entfällt, wenn einer der Freistellungstatbestände des § 18 FPersV greift (§ 1 Abs. 2 und § 18 Abs. 1 FPersV). Bei Handwerkern gilt eine Freistellung (§ 18 Abs. 1 Nr. 7 FPersV) für:

"Fahrzeuge, die in einem Umkreis von 50 Kilometern vom Standort des Fahrzeugs zur Beförderung von Material oder Ausrüstungen verwendet werden, die der Fahrer in Ausübung seines Berufes benötigt; Voraussetzung ist, dass das Führen des Fahrzeugs für den Fahrer nicht die Haupttätigkeit darstellt."

Soweit der Freistellungstatbestand nicht greift, sind die Fahrerunterlagen (handschriftliche Aufzeichnungen, Schaublätter vom analogen Kontrollgerät oder Fahrtenschreiber, Fahrerkarte) der laufenden Woche und des letzten Tages der Vorwoche mitzuführen und bei Kontrollen vorzulegen (§ 1 Abs. 6 und 7 FPersV). Bei Fahrzeugen mit mehr als 3,5 t zGG sind die Fahrerunterlagen der laufenden Woche und den dieser Woche vorausgegangenen 15 Tagen bei Kontrollen vorzulegen (Art. 15 Abs. 7 VO (EWG) Nr. 3821/85).

Quelle: Bundesamt für Güterverkehr

Mehr Infos unter:

www.bag.bund.de

(mfi)

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