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„Feldzug gegen die Wirtschaft“

„Feldzug gegen die Wirtschaft“

Zu viel Bürokratie – zu wenig Nutzen: Die geplante Ausbildungsplatzabgabe stößt im Handwerk und bei der Opposition auf breite Ablehnung. Allerdings wäre die Mehrheit der Handwerksbetriebe von der neuen Regelung nicht betroffen.

Zu viel Bürokratie zu wenig Nutzen: Die geplante Ausbildungsplatzabgabe stößt im Handwerk und bei der Opposition auf breite Ablehnung. Allerdings wäre die Mehrheit der Handwerksbetriebe von der neuen Regelung nicht betroffen.

Bringt die rot-grüne Bundesregierung tatsächlich im Mai die umstrittene Ausbildungsplatzabgabe auf den Weg, kann sich zumindest ein Unternehmen in Deutschland freuen: die Post. Die müsste dann nämlich bis Ende September weit mehr als drei Millionen Briefe zusätzlich zustellen. Jedes einzelne Unternehmen, jede Kommune und jede Institution und Organisation soll bis dahin seine individuelle Ausbildungsleistung gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig schriftlich dokumentieren.

Das sieht zumindest der Gesetzentwurf vor, den die Koalition am 1. April in den Bundestag eingebracht hat. Ob sich das auch in der Praxis umsetzen lässt daran zweifeln inzwischen nicht mehr nur die Wirtschaftsverbände wie die Spitzenorganisationen des Handwerks auf Landes- und Bundesebene, sondern auch einzelne Mitglieder der Regierungsfraktionen. Selbst der neu gewählte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter wird dieser Tage mit Aussagen zitiert, nach denen Rot-Grün eine Lösung auf freiwilliger Basis bevorzugen würde.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerk (ZDH) spricht indes, ebenso wie die Oppositionsfraktionen, von einem bürokratischen Monstrum, das für erhebliche zusätzliche Belastung in den Betrieben sorgen wird. Die geplante Abgabe löst nach Worten von ZDH-Generalsekretär Hanns-Eberhard Schleyer also keine Ausbildungsprobleme, sondern schafft neue.

Sogar Grundrechte werden eingeschränkt

Härtere Töne sind aus dem Norden der Republik zu hören. Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Handwerkskammern Niedersachsen, Michael Koch, spricht von einem Feldzug gegen die Wirtschaft, den die Bundesregierung derzeit startet.

Koch kritisiert vor allem die scharfen Kontrollregelungen innerhalb des Gesetzentwurfs. So behält sich der Bund bei Nichtvorlage der geforderten Informationen scharfe Kontrollen vor. Dafür wird im Gesetzentwurf sogar das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingeschränkt. Hier spiegele sich das abgrundtiefe Misstrauen gegenüber der Wirtschaft wieder.

Die Handwerkskammern der Länder Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin protestieren in einer gemeinsamen Aktion gegen die geplante Ausbildungsplatzabgabe.

In der Resolution monieren die Kammern vor allem, dass die Ausbildungsanstrengungen des Handwerks durch die Ausbildungsplatzabgabe missachtet wird. Die Mitgliedsbetriebe bildeten rund 125 000 Lehrlinge aus und seien seit Jahren trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten ein stabiler und verlässlicher Partner auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, betonen die Präsidenten der Kammern.

Mehrheit der Handwerksbetriebe nicht betroffen

Was die Widersacher freuen dürfte: Nach Einschätzung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks wäre die große Mehrheit der Handwerksbetriebe in Deutschland nicht von der geplanten Ausbildungsplatzabgabe betroffen.

Denn nach dem am 1. April von der Regierungskoalition in den Deutschen Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf soll die Abgabe Betriebe ausklammern, die weniger als elf Mitarbeiter haben. Und das sind gemessen an der Gesamtzahl der Handwerksbetriebe in Deutschland die meisten.

Nachdem das Gesetz am 1. April von Rot-Grün in den Bundestag eingebracht wurde, stehen Ende dieses Monats die Anhörungen sowie die Beratung im federführenden Bundestagsausschuss, dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, an.

Der weitere Zeitplan für die Ausbildungsplatzabgabe: Am 30. April oder am 7. Mai sollen die zweite und dritte Lesuung im Bundestag erfolgen. Am 14. Mai wird aus heutiger Sicht der Bundesrat sein Votum abgeben.

Lässt der den Gesetzentwurf nicht passieren, kommt es auf das Stimmenverhältnis an. Bei einer einfachen Mehrheit kann die Regierungskoalition im Bundestag die Ausbildungsplatzabgabe mit der Kanzlermehrheit durchbringen. Entscheiden sich auch SPD-geführte Landesregierungen bei der Abstimmung in der Länderkammer gegen die Abgabe, muss Rot-Grün im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit zugunsten des Gesetzeswerkes erreichen, um die Abgabe einführen zu können. Doch das gilt als wenig aussichtsreich.

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