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Slow Baking

Zeit für gutes Brot

Pures Handwerk ohne chemische Helfer. Das ist die wichtigste Zutat im Erfolgsrezept der Bäckerei und Konditorei Heyderich.

Nimmt sich Zeit

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Zeit oder Zusatzstoffe? Das ist im Bäckerhandwerk eine Grundsatzfrage. Auch für Wolfgang Heyderich war sie das. Er hat sich für die erste Variante entschieden und gönnt seinen Backwaren jede Menge Zeit. Vorteil: So kann er sie allein aus natürlichen Zutaten herstellen. „Mit chemischen Zusätzen könnte ich ein Brötchen innerhalb von dreieinhalb Stunden produzieren“, sagt der Konditormeister. Doch das will er nicht. Drei Tage bekommen seine Brötchen, bis aus den einzelnen Zutaten feinporige Leckerbissen geworden sind. Beim Brot sind es mehr als zwei Tage.

Heyderich hat sich dem Slow Baking verschrieben. Übersetzt heißt diese Art der Zubereitung „langsames Backen“. Für die Kunden der Bäckerei aus Stade heißt das: Sie bekommen ein Produkt, in dem keine künstlichen Triebmittel, Stabilisatoren und Emulgatoren stecken. „Slow-Baking-Produkte sind wesentlich bekömmlicher als industrielle Backwaren“, erklärt der Konditormeister. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim. So können nach alten Brotbacktechniken hergestellte Produkte Reizdarm-Leiden mindern.


Backinspiration vom Steuerberater
2004 begann Heyderich das Slow-Baking-Konzept umzusetzen. Mitte 2006 ließ er seinen Betrieb nach den Regeln des Slow-Baking-Vereins gesamtzertifizieren. Wie kam er darauf? „Das habe ich meinem damaligen Steuerberater zu verdanken“, berichtet der Meister. Das Steuerbüro organisiert einen Kreis zum Erfahrungsaustausch (Erfa-Kreis), in dem sich regelmäßig zwölf Bäckereien treffen. Die Betriebe sind so weit voneinander entfernt, dass sie in keiner Konkurrenzsituation zueinander stehen. „Der Austausch ist dadurch sehr offen“, sagt Heyderich.

Der Steuerberater hat den Konditormeister dazu inspiriert, sein Denken und Handeln zu überdenken. Zu der Zeit hatte Heyderich Brot und Brötchen von einem Bäckerkollegen bezogen. Das wichtigste Argument des Beraters: Zugekaufte Produkte erhöhen unnötig die Einkaufspreise der Bäckerei. Die eigene Herstellung dagegen steigert die Wertschöpfung und verbessert die Identifizierung mit dem Beruf. So hat Heyderich das Familienunternehmen nach neun Jahren unter seiner Führung umgestellt.


Für den Betrieb bedeutet das langsame Backen vor allem eines: mehr Arbeit. Knetzeiten und Teigtemperaturen müssen genau eingehalten, Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit der Aromakammern streng überwacht werden. „Unsere Backwaren könnten schon bei geringen Abweichungen schiefgehen“, sagt Heyderich.

Den Chef von 30 Mitarbeitern und vier Auszubildenden reizt diese Herausforderung traditionellen Backhandwerks. Er will nicht mehr anders backen. Und er bedient eine klare Zielgruppe: Menschen, denen Genuss und Ernährung wichtig sind und die dafür ein paar Cent mehr ausgeben.


Bäcker übernimmt Verantwortung
Das Unternehmen liefert viele Argumente für die höheren Preise. Für den Geschäftsführer bedeutet Slow Baking auch soziale und ökologische Verantwortung. Die beginnt beim Personal: „Wir stellen hohe Ansprüche an unsere Mitarbeiter und das vergüten wir übertariflich“, sagt Heyderich. Auch an die Auswahl seiner Lieferanten stellt der Unternehmer gewisse Ansprüche. Möglichst kurze Anfahrtswege sollen es sein. So kommen die Zutaten – Mehle, Milch und Obst – aus der Region.

Ständige Weiterentwicklung gehört zum Unternehmenskonzept. Das gilt nicht nur für die Backwaren, von denen der Betrieb immer neue Sorten entwickelt, sondern auch für grundlegende Dinge. Beispiel: Heyderich will es Bäckern künftig ermöglichen, nicht mehr nachts mit ihrer Arbeit beginnen zu müssen. Eine mögliche Lösung diskutiert er gerade mit Unternehmerkollegen im Erfa-Kreis: Die Umstellung des Backbetriebs auf eine Tagesbäckerei. „Mit solchen Konzepten wollen wir künftige Auszubildende anlocken.“

(deg)

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