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Begeisterung statt Leistungsdruck

Zu viele fallen durchs Raster

Eigentlich sind alle Kinder kleine Genies. Wenn daraus nichts wird, dann liegt es an uns: der Gesellschaft, den Schulen, dem Leistungsdruck. Meint Hirnforscher Gerald Hüther. Wer soll’s richten? Na, wer schon?

Jugendliche, die in Schule und Ausbildung nicht mitkommen. Erwachsene, die ihr Beruf krank macht. Für Hirnforscher Gerald Hüther sind das Zeichen einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung. Immer mehr Menschen landen so auf dem Abstellgleis, während Betriebe dringend nach geeigneten Azubis und Fachkräften suchen.

„Wir treiben Kinder in die Funktionalität“
Was läuft da schief? Schulen und Universitäten seien nur noch auf Leistung ausgerichtet, zunehmend auch die Kindergärten, beklagt Hüther in einem Vortrag in der Handwerkskammer Hannover.

Das Problem: Der Druck zur Leistung wirkt wie ein Trichter. „Wir treiben unsere Kinder von Anfang an in die Funktionalität.“ Wer da nicht genau hineinpasst, fällt durch das Raster. Außerdem drohen Krankheiten und Depressionen – auch bei denen, die nicht durchs Raster fallen.

„Jeder ist hochbegabt“
Dabei ginge es auch anders: „Jeder Mensch ist bei seiner Geburt hochbegabt“, betont der Wissenschaftler. Nicht jeder auf jedem Gebiet. Doch jeder Mensch habe Stärken, die nur eine Chance brauchen, sich zu entfalten.

Der Schlüssel dazu sei die Begeisterungsfähigkeit – eine Eigenschaft, die jeder Mensch hat und die unser Gehirn zur Höchstform treibt: Wer begeistert ist, lernt gerne, leicht und schnell.

Ständiger Druck bremst uns aus
Viel schwerer falle uns das Lernen hingegen, wenn wir uns dazu zwingen müssen – oder uns andere dazu zwingen. Genau das wirft Hüther den Schulen vor: Dort würden Kinder „darauf abgerichtet, einfach funktionieren zu müssen. Und das nennen wir dann Erziehung“. Die Folge: „Dadurch geht das Potenzial, das in uns allen angelegt ist, verloren!“ Und damit den Betrieben wertvolle Mitarbeiter.

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dabei gefordert?

Ermutigen, begeistern, Fähigkeiten entfalten

Hüther ist davon überzeugt, dass wir am Rande eines Kulturwandels stehen: „Wir wissen alle, dass es so nicht weitergeht.“ Um künftig erfolgreicher zu sein, rät er zu einer Kultur, „in der wir einander ermutigen, die eigenen Fähigkeiten zu entfalten“. Das stellt Schulen und die ganze Gesellschaft vor große Herausforderungen.

Handwerk in Poleposition
Das Handwerk habe für so einen Wandel schon jetzt die besten Voraussetzungen. Denn es hänge vor allem von drei Faktoren ab, ob sich ein Mensch begeistern kann:

  • Wir müssen verstehen, was passiert.
  • Wir müssen selbst etwas gestalten können.
  • Wir brauchen sinnhafte Aufgaben.

Handwerkliche Berufe erfüllen diese Voraussetzungen: „Menschen, die etwas mit den eigenen Händen schaffen, sind die Leute, die später wissen, wo es langgeht“, sagt der Neurobiologe.



Er rät Handwerkern, andere mit ihrer Begeisterung für ihre Arbeit anzustecken: „Gehen Sie in die Schulen, bieten Sie Praktika an. Wir sind an einem Wendepunkt.“



Ihre Meinung?
Was halten Sie von Hüthers Forderungen? Weniger Druck, mehr Begeisterung — kann das funktionieren? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!



 

(ha)

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