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Steuern

Jetzt bekommen die Kunden Mehrwertsteuer erstattet!

Ärgerlicher Nebeneffekt der Mehrwertsteuersenkung 2020: So mancher Bau- und Ausbaubetrieb muss Kunden nun Geld zurückzahlen. Was ist da passiert?

Auf einen Blick:

  • Die Schlussrechnung zum Jahresende bringt manchen Kunden eine Erstattung vom Handwerker – wegen der Mehrwertsteuersenkung 2020.
  • Das Geld können sich die Betriebe danach zwar vom Finanzamt in der Umsatzsteuer-Voranmeldung zurückholen. Doch erst einmal gehen sie gegenüber dem Fiskus in Vorleistung.
  • Viel mehr ärgert Bauunternehmerin Vanessa Strohmeyer sich jedoch über die Irritationen und Diskussionen, die das ganze Verfahren bei Kunden auslöst, die Abschlags- und Schlussrechnungen mit unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen erhalten.

Vanessa Strohmeyer macht gerade für ihren Betrieb die Schlussrechnungen 2020 fertig – und erlebt nun eine böse Überraschung: Sie muss einigen Kunden Geld zurückzahlen. Der Grund ist die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 Prozent im Zeitraum Juli bis Dezember 2020.

Mehrwertsteuererstattung durch frühe Abschlagsrechnung

Zu den Leistungen der Strohmeyer Hausbau GmbH in Stolzenau (Niedersachsen) zählen neben dem Holzrahmenbau und dem Innenausbau auch schlüsselfertige Häuser. Bei den Schlussrechnungen geht es für Vanessa Strohmeyer also auch um größere Aufträge, die ihr Betrieb schon in der ersten Jahreshälfte 2020 begonnen hat. Seitdem hat der 10-Mann-Betrieb viele Arbeitsstunden in diese Aufträge gesteckt – und natürlich auch Abschlagsrechnungen gestellt. In den Abschlägen standen bis zum 30. Juni 19 Prozent Mehrwertsteuer. Weil diese Aufträge nun aber fertig sind gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent – für den gesamten Auftrag und den gesamten Rechnungsbetrag.

Für Strohmeyer bedeutet das, dass sie die 3 Prozentpunkte Mehrwertsteuer aus den Abschlagsrechnungen des ersten Halbjahres ihren Kunden erstatten muss. Da das Unternehmen viele Abschlagsrechnungen stellt, bleibt am Ende eine vergleichsweise kleine Schlussrechnung. So rutscht die Unternehmerin bei dem einen oder anderen Kunden ins Minus – und muss in solchen Fällen tatsächlich Geld zurückzahlen.

Das sei kein Einzelfall, berichtet die Diplom-Ingenieurin. Im Austausch mit Kolleginnen des Unternehmerfrauen-Arbeitskreises Hannover erfuhr sie, dass auch andere diese Erfahrung machen.

Zu viel kassierte Mehrwertsteuer: Was ist zu beachten?

Tatsächlich gilt für einen Auftrag jener Mehrwertsteuersatz, der zum Zeitpunkt der Fertigstellung gesetzlich vorgeschrieben ist, bestätigt Steuerberater Peter Stieve von der Kanzlei Gensch, Korth & Coll. in Hannover.

Habe ein Handwerksbetrieb Abschlagsrechnungen mit 19 Prozent Mehrwertsteuer vor dem 1. Juli 2020 geschrieben und stelle die Schlussrechnung zwischen dem 1. Juli und vor dem 31. Dezember 2020, dann gelte für die Leistung eine Mehrwertsteuer in Höhe von 16 Prozent. Habe ein Handwerksbetrieb Abschlagsrechnungen mit 19 Prozent Mehrwertsteuer vor dem 1. Juli 2020 geschrieben und stelle die Schlussrechnung zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2020, dann gelte für die Leistung eine Mehrwertsteuer in Höhe von 16 Prozent. Die Konsequenz: Der Betrieb muss in der Schlussrechnung den 16-prozentigen Mehrwertsteuerbetrag mit den bereits vereinnahmten Mehrwertsteuerbeträgen verrechnen und werde so bei der Umsatzsteuer ins Minus rutschen.

Finanziell hat das allerdings nur kurzfristig Auswirkungen, denn betroffene Betriebe holen sich diese Differenz mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember zurück, also im Januar 2020. „Die fällige Umsatzsteuer wird dann einfach um diese Beträge gemindert“, sagt Stieve.

Unter dem Strich: Mehr Diskussionen – aber nicht mehr Aufträge

Also belasten die Folgen der Mehrwertsteuersenkung in solchen Fällen die Liquidität von Handwerksbetrieben – wenn auch nur für maximal einen Monat. Kritisch sieht Vanessa Strohmeyer die ganze Mehrwertsteuersenkung jedoch aus anderen Gründen.

Die Mehrwertsteuer mache zum einen mehr Arbeit bei der Schlussrechnung. Zum anderen koste die Diskussion mit Kunden viel Zeit. Aktuell mit den Kunden, die nun darauf drängen, dass der Betrieb einen Auftrag früher als geplant abschließen soll. Und demnächst wohl mit jenen Kunden, bei denen von vornherein feststand, dass die Bauabnahme erst 2021 erfolgen wird. „Diese Kunden zahlen jetzt noch 16 Prozent auf die Abschläge und werden 2021 die höhere Mehrwertsteuer nachzahlen müssen. Das wird natürlich zu Irritationen führen.“

Und wie sieht es mit den zusätzlichen Aufträgen aus, die die Mehrwertsteuersenkung bringen sollte? „Uns hat das keine Neuaufträge gebracht.“ Von der Senkung hätten in den Bau- und Ausbaugewerken vor allem jene Kunden etwas, die ihre Aufträge langfristig geplant und schon vor den ersten Überlegungen zur Mehrwertsteuersenkung vergeben hatten. „Solche Kunden müssen unter dem Strich weniger zahlen als sie geplant hatten.“

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