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Panorama

Handwerk zu dreckig? Vorurteil verschärft Fachkräftemangel

Fehlende Wertschätzung, Fachkräftemangel und Studienabbrecher im Handwerk: All das ist für Richard Schildgen eng miteinander verbunden. Hier verrät der Meister, woran das liegt.

Auf einen Blick:

  • Nach Einschätzung von Richard Schildgen ist die fehlende Wertschätzung tief in unserer Gesellschaft verwurzelt.
  • Er ist davon überzeugt, das Kindern schon von klein auf vermittelt wird, dass das Handwerk nicht gut ist.
  • Folge: Sie dürften nicht machen, was ihren Neigungen entspricht. Ziel der Eltern seien vielmehr prestigeträchtige Jobs für ihre Kinder.

Wenn man Elektromeister Richard Schildgen nach den Ursachen des Fachkräftemangels fragt, dann hat er darauf eine klare Antwort. „Das liegt an der fehlenden Wertschätzung für das Handwerk“, sagt der Kölner Unternehmer. Die sei tief in der Gesellschaft verwurzelt.

Was Kinder über das Handwerk lernen

„Kinder bekommen von klein auf zu hören, dass das Handwerk dreckig ist“, sagt Schildgen. Damit spielt er vor allem auf die Verantwortlichen in Kindergärten und Schulen an. Seine Kritik richtet er aber auch an Mütter und Väter.

„Eltern wollen, dass es ihren Kindern einmal besser geht als ihnen selbst“, so der Lehrlingswart der Elektroinnung Köln. Für die meisten sei dieser Wunsch untrennbar mit der Vorstellung verbunden, dass der Nachwuchs einmal Abitur machen und anschließend studieren müsse. Für Schildgen liegt genau hier das Problem: „Kinder dürfen in unserer Gesellschaft nicht das machen, was ihren Neigungen entspricht und was ihnen Spaß macht“, kritisiert er. Stattdessen sei die Berufswahl reine Prestigefrage. Und das habe Konsequenzen – für den Bildungsweg der Kinder und für Handwerksbetriebe.

Abi, Uni und dann doch nur Handwerk?

Schildgen ist davon überzeugt, dass viele Kinder von ihren Eltern regelrecht durchs Abi getrietzt werden. „Anschließend quälen sich die jungen Leute dann durchs Studium, bis sie irgendwann hinschmeißen“, meint der Elektromeister. Darauf folge für viele Studienabbrecher der Weg ins Handwerk. „Die kommen aber nicht freiwillig zu uns“, sagt der Unternehmer. Vielmehr müssten die jungen Erwachsenen auf einmal etwas machen, von dem sie bisher immer gehört haben, dass es nicht gut genug sei.

Realitätscheck Praktikum – Erfahren, wie das Handwerk wirklich ist

Der Weg ins Handwerk beginnt für die meisten mit einem Praktikum. Und egal, ob es Studienabbrecher oder Schüler sind, Schildgen macht immer wieder die gleiche Erfahrung. „Die meisten fangen ihr Praktikum mit Vorbehalten gegenüber dem Handwerk an“, so der erfahrene Ausbilder. Das sage zwar niemand, aber die Bedenken seien anfangs immer zu spüren. „Das gibt sich erst nach einiger Zeit“, meint der Elektromeister. Denn schnell stellten die jungen Leute fest, dass das Handwerk gar nicht so ist, wie ihnen bisher immer gesagt wurde.

Genau so einen Fall hatte der Unternehmer kürzlich: Da absolvierte ein Schüler in seinem Betrieb ein Praktikum. „Der war davon überzeugt, dass man für das Handwerk keine guten Noten braucht“, berichtet der Elektromeister. Im Praktikum habe der junge Mann dann realisiert, dass das so nicht läuft. Mehr noch: Dem Schüler hat das Praktikum so gut gefallen, dass er eine Ausbildung im Elektrohandwerk machen will. „Er strengt sich jetzt in der Schule an“, freut sich Schildgen. Für das nächste Ausbildungsjahr hat er damit vermutlich schon einen Auszubildenden gefunden.

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