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Schlechte Online-Bewertung: Wenn Kunden Betriebe erpressen

Dieser Auftrag wurde zur Belastungsprobe. Ein Kunde macht Druck, will einen Preisnachlass, droht mit schlechter Online-Bewertung. Doch der Betrieb hält dagegen.

Auf einen Blick:

  • Fiese Masche: Um einen Preisnachlass zu erzwingen, hat ein Kunde einer Dachdeckerei eine schlechte Online-Bewertung angedroht. Die noch fällige Zahlung behielt er ein.
  • Reaktion des Betriebs: Auf die Provokation der Online-Bewertung ist er nicht eingegangen. Um die fehlende Zahlung kümmert sich nun ein Anwalt.
  • Um schlechte Bewertungen besser abschütteln zu können, hat der Betrieb zudem sinnvolle Maßnahmen ergriffen.
  • Maßnahme 1: Die Dachdeckerei hat per Facebook-Post über den Vorfall berichtet – und viel Zuspruch von Handwerkerkollegen erhalten.
  • Maßnahme 2: Der Betrieb holt aktiv positives Feedback ein. Das lässt unfaire Berichte im Meer von guten Referenzen untergehen.
  • Maßnahme 3: Im Kundenumgang setzen die Dachdecker auf eine deeskalierende Kommunikationsstrategie.
  • Maßnahme 4: Alerts für das Unternehmen. Der Handwerksbetrieb registriert jede Bewertung über ihn im Netz. So kann er schnell reagieren.

So ein Kunde ist dem Team von Bernhardt Bedachungen noch nicht untergekommen. Klar, nicht jeder Auftraggeber ist ein unkompliziertes Schätzchen. Dieser Kandidat aber hat den Rahmen gesprengt. „Er hat uns sehr deutlich gemacht, was er von uns will“, erinnert sich die Juniorchefin Melanie Bernhardt: „Einen heftigen Preisnachlass.“ Sein Druckmittel: eine schlechte Online-Bewertung.

Preisnachlass um jeden Preis

Aber der Reihe nach: Die Dachdeckerei aus Frankfurt am Main sollte für einen Privatkunden kleinere Dachsanierungsarbeiten durchführen. Zunächst sei die Geschäftsbeziehung unauffällig verlaufen. „Doch dann wurde es mit jedem Tag schwieriger“, erzählt Melanie Bernhardt.

Bis die Situation eskalierte: Der Kunde reklamierte angebliche Mängel an den ausgeführten Arbeiten. „Wir haben sofort angeboten, uns die Arbeit anzusehen und eventuelle Mängel auszubessern – das wollte er nicht“, berichtet die Dachdeckermeisterin. Stattdessen drohte er mit einer schlechten Online-Bewertung des Betriebs. Die noch ausstehende Restzahlung wollte er einbehalten.

Wie hat das Unternehmen reagiert? „Uns hat das zunächst emotional getroffen“, erzählt die Meisterin, „Mit so einer Situation haben wir uns bisher nicht auseinandersetzen müssen.“ Auf die Drohung der Bewertung ist das Unternehmen bewusst nicht eingegangen. Auf die finanzielle Drohung reagierten die Dachdecker dagegen sofort: „Wir haben einen Anwalt eingeschaltet.“ Der Streit ist noch nicht ausgefochten.

Extreme Ereignisse wie dieses sind in der Dachdeckerei zwar absolute Einzelfälle. „Es ist aber ein Phänomen, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen“, sagt Melanie Bernhardt. Der Betrieb geht damit offensiv um. Das hilft dem ganzen Team, sich von ungerechtfertigten Angriffen nicht aus dem Takt bringen zu lassen.

Diese fünf Maßnahmen helfen gegen unfaire Bewertungen

  • Öffentlichkeit schaffen: Nach dem Erlebnis mit dem Preisdrücker-Kunden hat Bernhardt-Bedachungen einen Facebook-Post abgesetzt und den Fall dort geschildert. Ergebnis: jede Menge Zuspruch. In zwei Dutzend Kommentaren und 85 anderen Reaktionen stärkt das Handwerkerkollegium dem Betrieb den Rücken. „Uns zeigt das auch, dass wir mit dem Problem nicht alleine dastehen“, sagt die Handwerksmeisterin.
  • Aktiv positive Bewertungen einholen: Das beste Mittel gegen schlechte Bewertungen sind gute Bewertungen, weiß das Unternehmen. Bernhardt Bedachungen gibt nach jedem Auftrag Bewertungskärtchen an Kunden heraus. Das Feedback wird anschließend anonymisiert auf einem Bewertungsportal veröffentlicht. „Von 30 Aufträgen kommen etwa drei Kärtchen zurück“, resümiert die Juniorchefin. Mit der Zeit sammelt sich so viel gutes Feedback an.
  • Deeskalierend auf Kunden zugehen: Melanie Bernhardt macht seit einiger Zeit ein Achtsamkeitstraining. Ein Baustein des Trainings ist es, die eigenen Reaktionen besser zu kontrollieren. „Wir versuchen Situationen ihre Schärfe zu nehmen und zeigen zuerst Verständnis für den emotionalen Zustand des Kunden“. Das wirke oft deeskalierend – man müsse nur lernen, den eigenen Stolz herunterzuschlucken.
  • Dem Betrieb entgeht kein Feedback: „Wir haben uns einen Google Alert eingerichtet, um immer aktuell informiert zu sein, wenn unser Name irgendwo fällt“, sagt die Juniorchefin. Sobald der Betrieb im Netz erwähnt wird, wird er informiert und kann schnell reagieren.
  • Setzen Sie Ihr Recht durch: Die Androhung einer schlechten Bewertung zum eigenen Vorteil ist eine Straftat. Wie Sie sich zivil- und strafrechtlich dagegen wehren, erklärt Rechtsanwalt Karsten Gulden im Artikel So wehren Sie sich gegen erpresserische Kundenbewertungen.

Betrieb appelliert an Handwerker

So ist der Betrieb gegen unfaire Bewertungen gut gewappnet. Zwei Wünsche hat das Unternehmen dennoch: „Es bräuchte mal ein gutes Bewertungsportal“, sagt Melanie Bernhardt. Nutzer sollten Betriebe nicht willkürlich attackieren dürfen – zumindest müsse es dann Möglichkeiten zur Stellungnahme geben. Und Handwerker, findet sie, sollten solche Angriffe nicht tatenlos über sich ergehen lassen. So mache man sich erst recht zur Zielscheibe. „Wir alle sollten offener damit umgehen.“

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