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Steuern

Wann haben Betrugsopfer Anspruch auf die Vorsteuer?

Wenn Betrüger Sie um die Anzahlung prellen, wollte das Finanzamt bisher die Vorsteuer nicht erstatten. Dieses Urteil ändert das!

Auf einen Blick:

  • Anspruch auf Vorsteuer aus Anzahlungen an Betrüger haben Sie, sobald Sie eine ordentliche Rechnung vorlegen können, diese bezahlt haben und die Lieferung aus Ihrer Sicht sicher erschienen ist.
  • Der Nachweis, dass Sie von den Betrugsabsichten wussten, ist nach dem Urteil schwerer geworden: Zum Beispiel genügt es nicht alleine, dass die Versprechen des Betrügers erkennbar unrealistisch waren.

Betrugsopfer haben es nach einem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) nun deutlich leichter, sich vom Finanzamt die Vorsteuer auf Anzahlungen an die Betrüger erstatten zu lassen.

Voraussetzungen für die Vorsteuererstattung

So entschied der Bundesfinanzhof, dass Unternehmen einen Anspruch auf die Erstattung haben, wenn sie drei Bedingungen erfüllen:

  • Das Unternehmen muss eine Rechnung vorlegen.
  • Die Anzahlung muss tatsächlich erfolgt sein.
  • Der Gegenstand der Lieferung muss aus Sicht des Auftraggebers genau bestimmt sein „und die Lieferung daher aus seiner Sicht sicher“ erscheinen.

Verweigern darf das Finanzamt die Vorsteuererstattung hingegen, „wenn anhand objektiver Umstände erwiesen ist“, dass der Auftraggeber bei der Anzahlung „wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen“, dass die Lieferung unsicher ist. (Urteil vom 17. Juli 2019, Az. V R 9/19).

Damit folgte der BFH der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH: Urteile vom 31. Mai 2018, Az. C-660/16 und C-661/16)

Diese Argumente ziehen nicht mehr

Zugleich machte der BFH deutlich, welche Argumente das Finanzamt nicht nutzen darf, um den Vorsteuerabzug im Betrugsfall zu verweigern:

  • Anzahlungen sind kein Hinweis auf Betrug: Es sei davon „auszugehen, dass sich Unternehmer nicht wissentlich betrügen lassen“, wenn sie Anzahlungen leisten für Arbeiten, die dann nicht erbracht werden.
  • Betrugsabsicht allein genügt nicht: Selbst wenn der Anbieter von Anfang an die Absicht hat, zu betrügen, sei das kein schlagendes Argument. Entscheidend sei nicht die Absicht zum Betrug, sondern ob der Auftraggeber durch den Betrüger von dieser Absicht erfahren hat.
  • Unrealistische Versprechen sind kein Beweis: Selbst wenn der Betrüger unrealistische Versprechungen gemacht hat, darf das Finanzamt nicht unterstellen, dass der Kunde von der Betrugsabsicht hätte wissen können. In dem behandelten Fall ging es um ein Blockheizkraftwerk, für das der Anbieter eine Rendite von 30 Prozent versprochen hatte. Das wies nach Ansicht des Finanzamtes auf ein Betrugsmodell hin. Der Kunde hätte sich für so eine nicht unerhebliche Investitionsentscheidung Informationen beschaffen müssen, daher liege eine „grob fahrlässige Unkenntnis“ vor. Der BFH sieht das anders: Unrealistische Rentabilitätsberechnungen sagen demnach nichts darüber aus, „ob bestellte Blockheizkraftwerke später mit einem verminderten Leistungsgrund geliefert und genutzt werden, zumal auch wirtschaftlich unvernünftige Entscheidungen immer wieder im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit getroffen werden“.

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