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Risiko

Teures Krankengeld im Alter

Wer als Handwerker mit 65 nicht ans Aufhören denkt, muss sich entscheiden - zwischen Rentenzahlungen und dem Anspruch auf Krankengeld. Beides gleichzeitig gibt es jedenfalls nicht.

Von Jörg Wiebking

Arbeiten mit 65? Es gibt viele Gründe, aus denen manche Unternehmer nicht einfach in den Ruhestand wechseln. Doch ein Problem haben sie alle gemeinsam: Wer dann erkrankt oder einen Unfall erleidet, hat nicht automatisch Anspruch auf Krankengeld. "Sobald die gesetzliche Altersrente fließt, entfällt dieser Anspruch", berichtet Peter Sammer, Rentenberater aus Großostheim. "Es wird davon ausgegangen, dass mit 65 ein finanzieller Ausgleich für den Verdienstausfall nicht mehr erforderlich ist, da ab diesem Alter entweder die gesetzliche Rente fließt oder eine private Altersvorsorge zur Verfügung steht."

Betroffen sind auch selbstständige Handwerker: Jeder von ihnen hat 18 Jahre lang Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung gezahlt und somit einen gesetzlichen Rentenanspruch. Doch ob das reicht? Nicht jeder hat gut fürs Alter vorgesorgt, wie eine aktuelle Studie des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel (MEA) zeigt: Elf bis zwölf Prozent der Selbstständigen hierzulande verdienten so wenig, dass sie mangels Vorsorge im Alter unter das Existenzminimum rutschen dürften, weitere 20 Prozent könnten unter die "relative Armutsgrenze" geraten.

Wer im Rentenalter noch arbeiten will und muss, steht daher vor einer schweren Entscheidung: Um sich mit 65 noch den Anspruch auf Krankengeld der gesetzlichen Krankenkasse zu sichern, müsste ein Selbstständiger vorläufig auf seine Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung verzichten, bis er wirklich in den Ruhestand wechselt. Oder er arbeitet ohne Vorsorge für Arbeitsunfälle und Krankheit. Sammer sind auch keine privaten Krankenversicherungen bekannt, die mit 65 noch Krankentagegeld bezahlen würden.

Unfallversicherung ist keine Alternative

Auch eine private Unfallversicherung, sei kein echter Ersatz, da sie nur bei Unfällen und nicht bei "normaler" Krankheit einspringt, sagt Sammer. "Außerdem muss man auf die Versicherungsbedingungen achten, denn viele enden mit 65 oder mit 70." Einen kleinen Notgroschen könnten sich Unternehmer auch durch die ab 65 eingesparten Krankengeld-Beiträge zurücklegen.

Berufsgenossenschaften prüfen sehr genau

Wer indes wie Paul Menzel einen richtigen Arbeitsunfall erleidet, kann auch auf die Berufsgenossenschaft (BG) hoffen, denn die zahlt altersunabhängig. Allerdings müssten sich Arbeitgeber in den meisten BG freiwillig versichern. "Und die BG hat auch nichts zu verschenken, die prüfen sehr genau", weiß Peter Sammer. Weise eine BG zum Beispiel nach, dass eine Erkrankung eigentlich die Folge von Verschleiß ist und auch bei einer anderen Gelegenheit als dem Unfall hätte auftreten können, dann werde sie nicht zahlen.

Risiko nicht unterschätzen

Wie schnell etwas passieren kann, berichtet Paul Menzel, Heizungsbauer und Klempnermeister aus Sande. Als seine Krankenversicherung ihn darüber informierte, dass er mit 65 keinen Anspruch mehr auf Krankengeld hat, machte sich Menzel keine großen Sorgen: Sein ganzes Berufsleben war er nie einen Tag krank - warum sollte sich daran ausgerechnet jetzt etwas ändern? Menzel machte weiter, zwei Jahre lang ging alles gut -bis ein Heizkessel auf einer Treppe ins Rutschen geriet und den Handwerker an der Schulter erwischte. Zwei Sehnen in der Schulter rissen, Menzel musste operiert werden. "Das ist vor einem Jahr passiert, und seitdem kann ich nicht mehr körperlich arbeiten", berichtet der Unternehmer. Stattdessen verbringt er jetzt viele Stunden täglich mit Physiotherapie. Krankengeld bekam er natürlich nicht, und dank seiner Altersvorsorge ist er darauf auch nicht angewiesen. Dennoch ärgert sich Menzel: "Dafür habe ich jahrelang eingezahlt, und jetzt, wo ich es gebrauchen könnte, gibt es nichts mehr." Ob seine BG nun für den Ausfall aufkommt? Das ist eine Frage, die auch Paul Menzel noch klären muss.

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