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BGH-Urteil

Was gilt rechtlich, wenn sich DIN-Normen vor der Abnahme ändern?

Zwischen Vertragsabschluss und Abnahme vergehen manchmal Jahre. In der Zwischenzeit können sich Normen ändern. Der BGH hat jetzt festgelegt, wie Auftragnehmer darauf reagieren müssen.

Auf einen Blick:

  • Zum Zeitpunkt der Abnahme muss ein Werk laut VOB/B der vereinbarten Beschaffenheit und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
  • Manchmal ändern sich jedoch technische Standards während des Bauprozesses.
  • Laut BGH müssen Auftragnehmer den Bauherren über solchen Änderungen informieren und aufklären. Der Auftraggeber muss dann entscheiden, welcher Standard realisiert werden soll.
  • Alternativ können die Parteien schon bei Vertragsschluss festlegen, wie sie mit der Änderung technischer Vorgaben umgehen wollen.

Zu den anerkannten Regeln der Technik gehören unter anderem DIN-Normen. Doch die kommen spätestens alle fünf Jahre auf den Prüfstand und werden dann bei Bedarf überarbeitet – manchmal auch zwischen Vertragsschluss und Abnahme eines Bauprojekts. Welche Folgen das für Auftragnehmer hat, hat der Bundesgerichtshof (BGH) geklärt.

DIN-Norm vertraglich vereinbart

Der Fall: Ein Bauunternehmer vereinbarte im Juli 2006 mit einem Auftraggeber die Errichtung von drei Pultdachhallen in verzinkter Stahlkonstruktion. Die Schneelast für die Hallen war in der Gebäudebeschreibung mit 80 kg/m² angegeben. Das entsprach der damals geltenden DIN-Norm 1055-5 (1975). Die Baugenehmigung für das Projekt erfolgte noch 2006. Doch dann wurde die DIN 1055-5 (2005) veröffentlicht. Sie galt für alle Bauvorhaben, für die nach dem 1. Januar 2007 die Genehmigung beantragt wurde.

Die Hallen waren im August 2007 fertig. Anschließend montierte ein anderer Betrieb die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der meldete wegen der Durchbiegung der Dachkonstruktion Bedenken an. Deshalb verlangte der Auftraggeber vom Bauunternehmen eine Verstärkung der Dachkonstruktion. Der Betrieb unternahm nichts, legte aber die Schlussrechnung vor. Daraufhin verweigerte der Auftraggeber die Abnahme und forderte vom Bauunternehmen die Kosten für die Mängelbeseitigung.

Das regelt die VOB/B für den Zeitpunkt der Abnahme

Das Urteil: Der BGH stellte fest, dass die Vertragsparteien die VOB/B gültig in den Vertrag einbezogen haben. Demnach gilt Paragraf 13 Nr. 1 VOB/B, wonach Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Abnahme ein Bauwerk schulden, das der vereinbarten Beschaffenheit und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

Normänderung während der Bauphase: So reagieren Auftragnehmer richtig

Der Auftraggeber hatte die Abnahme im vorliegenden Fall verweigert. Deshalb lotete der BGH aus, was gilt, wenn sich die anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme ändern. Demnach hat der Auftragnehmer den Auftraggeber über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für die Bauausführung zu informieren, entschieden die Richter.

Sobald der Auftraggeber informiert ist, hat er laut BGH zwei verschiedene Möglichkeiten:

  1. Er kann die Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangen. Steigt dadurch der Aufwand, kann der Auftragnehmer eine Vergütungsanpassung verlangen.
  2. Er kann sich gegen die Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik aussprechen. Somit kommen auf den Auftraggeber auch keine höheren Kosten zu, die die Umsetzung der neuen Norm sonst eventuell nach sich ziehen würde.

Umgang mit Normänderung von vornherein vertraglich regeln

Ist eine Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik schon bei Vertragsschluss absehbar, ist laut BGH auch eine andere Vorgehensweise möglich. Dann können die Vertragsparteien von vornherein vereinbaren, wie sie bei der Bauausführung mit der Problematik umgehen wollen. Das setzt aber voraus, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber über die Bedeutung der Regeln sowie die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist. Diese Pflicht entfällt für den Auftragnehmer nur, wenn diese dem Auftraggeber bekannt sind.

Den Fall des Bauunternehmens verwies der BGH zurück an das Oberlandesgericht Stuttgart. Das muss jetzt klären, wie mit der vereinbarten Schneelast umzugehen ist.

BGH, Urteil vom 14. November 2017, Az. VII ZR 65/14

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