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Auslaufen der Westbalkan-Regelung

„Dann können wir weniger Aufträge annehmen“

Was bedeutet ein Ende der Westbalkan-Regelung für die Bauunternehmen? Ein Innungsobermeister erklärt die Folgen für ihn und seine Branche.

Auf einen Blick:

  • Das Unternehmen von Heinrich Rahenbrock bildet viel aus und ist bei den Arbeitsämtern gelistet. Doch um den Personalbedarf für die Bauprojekte zu decken, reicht das nicht.
  • Der Betrieb nutzt wie viele andere Kollegen der Branche daher die Westbalkan-Regelung, um ausländische Arbeitskräfte für einen begrenzten Zeitraum sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen.
  • Die Regelung droht auszulaufen. Das hätte Folgen für das Unternehmen, die Branche und alle Nachfolgegewerke, deren Arbeit beginnt, wenn das Bauhauptgewerbe seinen Teil eines Projekts erledigt hat.

855.000 Beschäftigte, 39.000 Auszubildende und volle Auftragsbücher. Das Bauhauptgewerbe ist ein wichtiger Stabilitätsanker der deutschen Binnenkonjunktur mit Zugkraft für viele andere Betriebe des Handwerks. Denn ohne die Bauwerke, die sie errichten, gibt es auch für Maler, Elektriker und Co. weniger zu tun.

Das niedersächsische Bauunternehmen Läer + Rahenbrock ist ein Beispiel für das boomende Bauhandwerk. Das Unternehmen baut Gebäude für Gewerbe und Industrie, errichtet Wohn- und Geschäftsanlagen und beschäftigt ein großes Team qualifizierter Handwerker. Aktueller Projektvorlauf: drei bis vier Monate.

Doch ist für Geschäftsführer Heinrich Rahenbrock und viele seiner Branchenkollegen aktuell ungewiss, wie viele Aufträge sie künftig überhaupt annehmen können. Grund: Die Westbalkan-Regelung, die in den letzten Jahren zuverlässig half, Personallücken bei Bauprojekten zu schließen, droht auszulaufen. Durch diese Regelung dürfen Arbeiter aus den Westbalkanstaaten bisher für einen begrenzten Zeitraum in Deutschland wohnen und arbeiten. Sie werden von den deutschen Bauunternehmen sozialversicherungspflichtig beschäftigt und erhalten für die Dauer der Projekte Arbeitsvisa.

Arbeitskräftebedarf: Große Nachfrage, kleines Angebot

Das Unternehmen von Heinrich Rahenbrock benötigt die Unterstützung dieser Arbeitskräfte, um die große Nachfrage nach Bauleistungen bedienen zu können. Ähnlich sieht es im Kollegium des Unternehmers aus, der auch Innungsobermeister der Bau-Innung Osnabrück Stadt und Land ist: „Neben einigen kleineren Betrieben beschäftigen insbesondere die größeren Bauunternehmen Arbeitskräfte aus dem Westbalkan“, sagt Rahenbrock.

Ausreichend Arbeitskräfte für die vielen Projekte zu finden, ist nicht einfach, weiß der Bauunternehmer. Läer + Rahenbrock ist mit Stellenanzeigen bei den Arbeitsämtern gelistet und mit aktuell zehn Auszubildenden außerdem stark in der Nachwuchsarbeit tätig. Doch genügt der heimische Markt an Fach- und Nachwuchskräften nicht, um den Personalbedarf der Projekte zu decken. „Darum sind wir auf die zusätzlichen Kräfte aus dem Ausland angewiesen“, erläutert Rahenbrock.

Im Verlauf des nächsten Jahres wird die Bundesregierung entscheiden, ob die Westbalkan-Regelung verlängert wird. Kommt es nicht zur Verlängerung, läuft sie Ende 2020 aus. Direkte Auswirkungen auf seine Bauprojekte spürt Läer + Rahenbrock bei einem Auftragsbestand von drei bis vier Monaten jetzt zwar noch nicht, die Engpässe sind allerdings bereits vorprogrammiert.

„Wir brauchen die Verlängerung“

Das liegt an den langen Genehmigungsverfahren für ein Arbeitsvisum. Hat man einen potenziellen Mitarbeiter aus den Westbalkanstaaten gefunden und einen Arbeitsvertrag geschlossen, dauere es oft mehr als ein Jahr, bis ein Visum erteilt ist, berichtet Rahenbrock. Wenn sein Unternehmen in den nächsten Wochen neue Verträge mit ausländischen Hilfskräften schließt, kann es sein, dass die Visa-Anträge der Arbeiter erst 2021 bearbeitet werden. Kommt es nicht zur Verlängerung der Westbalkan-Regelung, erhalten diese Kräfte schon keine Visa mehr, ihre Bemühungen und die der Bauunternehmen wären somit umsonst gewesen.

Zu den Folgen einer auslaufenden Westbalkan-Regelung ohne praktikable Alternative kann Heinrich Rahenbrock daher schon jetzt eine klare Prognose abgeben. „Es wäre sicher so, dass wir und andere Kollegen der Branche weniger Aufträge annehmen könnten“, sagt er. „Wir brauchen die Verlängerung, um dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen.“

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