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Männlich, weiblich, divers?

Was Arbeitgeber über das dritte Geschlecht wissen müssen

Niemand darf wegen seines Geschlechtes diskriminiert werden – das gilt auch für Menschen, die weder männlich noch weiblich sind. Das hat Folgen für Ihren Betrieb.

Auf einen Blick

  • Das Bundesverfassungsgericht hat vor einem Jahr entschieden, dass ein drittes Geschlecht in das Personenstandsregister aufgenommen werden muss.
  • Darunter fallen alle Menschen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen können.
  • Bis Jahresende muss die Bundesregierung das Personenstandsrecht entsprechend ändern.
  • Wahrscheinlich wird das neue Geschlecht „divers“ heißen.
  • Weil niemand wegen seines Geschlechtes diskriminiert werden darf, müssen Sie als Arbeitgeber für eine diskriminierungsfreie Arbeitsumgebung sorgen.
  • Deshalb sollten Sie Stellenanzeigen um die Abkürzung „d“ für „divers“ erweitern.
  • Weitere Änderungen – zum Beispiel in der Arbeitsstättenverordnung – stehen voraussichtlich noch an, deshalb sollten Sie sich und Ihre Mitarbeiter für das Thema sensibilisieren.

Männlich, weiblich, inter, divers? Die Unsicherheit ist groß, seit das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr entschied: Auch Menschen, die sich keinem Geschlecht zuordnen können, brauchen eine passende Kategorie im Personenstandsregister. Bis Ende des Jahres muss die Bundesregierung das Personenstandsrecht entsprechend ändern. Doch was bedeutet das für Arbeitgeber? Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln und Mitglied im Arbeitsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, hat erste Antworten.

Das dritte Geschlecht in Stellenausschreibungen

Bislang wurden neue Mitarbeiter so gesucht: „Tischler/in“ oder „Malermeister (m/w)“. Das wird künftig nicht mehr reichen. „Ich rate dringend dazu, das dritte Geschlecht bei Stellenanzeigen zu berücksichtigen“, sagt Nathalie Oberthür. Sie hält es für wahrscheinlich, dass sich der Gesetzgeber auf das Wort „divers“ für das dritte Geschlecht festlegt. Korrekt bei einer Stellenanzeige wäre dann: „Malermeister (m/w/d)“. Im Beschreibungstext sind Sie auf der sicheren Seite, wenn Sie Ihre Bewerber direkt ansprechen oder neutral formulieren: „Wir bieten Ihnen …“ oder „Diese Fähigkeiten setzen wir voraus …“

Achtung: Wer seine Jobs auch online anbietet, darf diese Kanäle nicht vergessen!

Nathalie Oberthür rechnet damit, dass sich künftig neue neutrale Bezeichnungen durchsetzen werden. „Wie die dann aussehen, kann man jetzt nur raten“, sagt sie.

Brauchen Sie eine dritte Toilette?

Die Arbeitsstättenverordnung (AVO) legt fest, dass es getrennte Wasch-, Toiletten- und gegebenenfalls Umkleideräume für Männer und Frauen geben muss. „Die AVO ist durch die positive Anerkennung des dritten Geschlechts möglicherweise diskriminierend und muss geändert werden“, sagt Arbeitsrechtlerin Oberthür. Muss nun jeder Arbeitgeber zusätzliche Toiletten einbauen lassen? „Nein“, sagt Oberthür. Es sei in Ordnung abzuwarten, wie der Gesetzgeber mit der AVO verfahre, und sich dann entsprechend zu verhalten. „Möglicherweise wird es auch auf Unisex-Toiletten hinauslaufen. In anderen Ländern ist das schon üblich“, so Oberthür. Es kann also auch einfacher statt komplizierter werden. Oder es kann eine Toilette für das dritte Geschlecht freigegeben werden – häufig sind auch jetzt schon Behindertentoiletten mit der Damentoilette kombiniert.

Neue Meldungen an die Sozialversicherung?

Auch die Rentenversicherungsnummer enthält Hinweise auf das Geschlecht – die beiden Ziffern nach dem ersten Buchstaben des Nachnamens geben hierüber Auskunft. Die Versicherungsnummer taucht auf Lohnabrechnungen auf, muss in den Meldungen zur Sozialversicherung angegeben werden, steht auf den Informationen zur Rentenversicherung und ist auch der Krankenkasse bekannt. „Ob das eine diskriminierende Praxis ist, wird sich zeigen“, meint Nathalie Oberthür.

Ignorieren kann teuer werden

So viel Aufwand für so wenig Leute, die vom dritten Geschlecht betroffen sind? Das ist keine Ausrede fürs Nichtstun! Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – und dazu gehört nun nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch das dritte. „Wir werden erleben, dass das Bewusstsein für diese Form der Diskriminierung wächst – auch bei den Betroffenen“, sagt Nathalie Oberthür. Ein abgelehnter Bewerber, der sich von Ihrer Stellenausschreibung diskriminiert fühlt, kann klagen und hat möglicherweise Aussicht auf eine Entschädigung in einer Höhe von bis zu drei Monatsgehältern (§ 15 AGG). Bereits beschäftigten Mitarbeitern steht ein Beschwerderecht zu (§ 13 AGG). Arbeitgeber oder Vorgesetzte müssen die Beschwerde prüfen und geeignete Maßnahmen treffen, damit sich die Benachteiligung nicht wiederholt.

Achtung: Arbeitgeber sind verantwortlich für ihre Beschäftigten! Diskriminiert ein Mitarbeiter Kollegen oder Kunden, müssen Sie einschreiten. Andersherum gilt: Wenn jemand Ihren Mitarbeiter diskriminiert, müssen Sie ihn schützen.

Wie geht es weiter?

Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug, der bis 31. Dezember das Personenstandsrecht ändern muss. „Was da noch alles dranhängt, kann man jetzt kaum absehen“, meint Nathalie Oberthür. Es sind noch viele Fragen offen: Wird sich etwas bei der Ansprache von Mitarbeitern und Kunden ändern müssen? Was ist mit Arbeitskleidung, etwa im Lebensmittelhandwerk? Auch wenn vieles ungeklärt ist, sollten Sie sich schon jetzt – gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern – Gedanken um eine möglichst diskriminierungsfreie Arbeitsumgebung machen. „Arbeitsgerichte sind in Sachen Diskriminierung sensibel“, warnt Oberthür.

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Foto: Marcus Schmidt Dr. Nathalie Oberthür
Foto: terovesalainen - stock.adobe.com Gender neutrality concept. Crossed out woman and man, female and male symbols. Hand holding a cardboard paper card speech balloon.

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