Foto: Torsten Hamacher

Interessante Alternative

Der Hyundai H350 im Praxistest

Hyundai will im wichtigen Segment leichter Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen mitspielen. Dafür haben die Koreaner mit dem H350 ein attraktives Paket geschnürt. Wir haben es ausgepackt und den neuen Spieler im umkämpften Markt Probe gefahren.

Auf einen Blick:

  • Das Cockpit des Hyundai H350 ist übersichtlich und bietet für ein Nutzfahrzeug eine gute Rundumsicht.
  • Die Rückspiegel sind großzügig bemessen. Durch die Zweiteilung bieten sie beim Rangieren eine gute Übersicht. Dabei hilft zudem die Rückfahrkamera.
  • In der langen Version des H350 finden problemlos 5 Europaletten Platz. Vier sind es beim Kastenwagen mit dem kurzen Radstand.
  • Auf der Zubehörliste von Hyundai steht unter anderem die Anhängerkupplung. Mit dieser Ausrüstung zieht das Nutzfahrzeug bis zu 3000 kg schwere Anhänger klaglos.

„Ist der neu?“ Ein Bauarbeiter kommt interessiert herüber, als ich mit dem H350 auf einer Großbaustelle im Hafen von Offenbach Station mache. Hier entstehen Luxuswohnungen unmittelbar am Main. Eine ideale Kulisse für Fotos – und eine überraschend gute Bühne für den nagelneuen 3,5-Tonner. Denn nach dem ersten kommt schnell ein zweiter und dritter Arbeiter hinzu und interessiert sich für den Neuen.

Der wird in der Türkei gefertigt und ist „durch und durch ein Europäer“, versichert Markus Schrick, Geschäftsführer von Hyundai Motor Deutschland. Mit dem Transporter betritt der Hersteller ein neues Segment. Denn bisher haben die Koreaner mit dem H1 nur ein kleines Nutzfahrzeug in ihrem insgesamt wachsenden Angebot. Mit dem H350 will Hyundai nun in dem vor allem im Handwerk hochrelevanten Marktsegment mitspielen. Entsprechend sorgfältig wurde der Neue geplant und nun – knapp 10 Monate nach seiner Weltpremiere auf der IAA Nutzfahrzeugmesse in Hannover – auf den Markt gebracht.

Viel Platz im Cockpit

Schon auf den ersten Metern weiß der beim Hersteller Karsan gefertigte 3,5 Tonner zu gefallen. Das Cockpit ist übersichtlich. Die Rundumsicht ist für Nutzfahrzeugverhältnisse gut. Und die Bedienelemente geben keine Rätsel auf. Alles ist gefühlt da, wo es hingehört. Besonderes Lob verdienen die Platzverhältnisse. Selbst ich, als nicht gerade zierlich zu nennender fast Zwei-Meter-Mann, finde schnell eine bequeme Sitzposition. Das Lenkrad liegt gut in der Hand und die häufigen Gangwechsel funktionieren locker aus dem Handgelenk. Prima!

Gestochen scharfe Bilder

Was ebenfalls auf Anhieb gefällt, sind die großzügig bemessenen Rückspiegel – auch wenn die nur per Option elektrisch verstellbar sind (Wer viel in engen Straßen unterwegs ist, sollte auf der Zubehörliste dringend ein Kreuzchen machen!). Ausgeführt sind die Spiegel zweigeteilt und erlauben so auch beim Rangieren eine gute Übersicht. Ein Übriges tut die wirklich exzellente aber ebenfalls nur optionale Rückfahrkamera. Bis dato habe ich selten eine so hoch aufgelöste Rückansicht im zentralen Display gesehen. Damit verlieren die engen und teilweise dicht zugeparkten Baustraßen im Offenbacher Hafen schnell ihren Schrecken - selbst dann, als ein Lkw-Gespann entgegenkommt und ich gezwungen bin, ein gutes Stück rückwärts durch den Fahrweg, der kaum breiter als das Fahrzeug ist, zu rangieren.

Der Motor: Ein alter Bekannter mit bis zu 170 PS

Vorn unter der Haube werkelt ein alter Bekannter. Denn das Dieseltriebwerk hat Hyundai schon im H1 verbaut. Der 2,5 Liter große Motor harmoniert auch ganz gut mit dem größeren Fahrzeug, verlangt aber vergleichsweise viel Arbeit am knackig kurzen Schaltknüppel. Lieferbar ist die Maschine in zwei Leistungsstufen - einmal mit 150 und einmal mit 170 PS. Beide erfüllen noch nicht die Euro-VI-Norm. Außerdem scheint vor allem der größere der beiden Antriebe in der Praxis mehr Durst zu haben, als unter Idealbedingungen auf dem Prüfstand. Mein Testwagen zeigte im Display einen Durchschnittsverbrauch von erst 11,6 und später 11,5 Litern auf 100 Kilometer an. In den Verkaufsunterlagen ist dagegen von Durchschnittswerten im Drittelmix von 8,7 Litern auf 100 Kilometer die Rede. Wo der Verbrauch im realen Betrieb liegt, muss ein späterer Praxistest noch zeigen.

Interessant sein dürfte an dieser Stelle auch, was der Hersteller im kommenden Jahr im H350 verbauen wird. Denn ab September 2016 wird Euro-VI ja Pflicht für neue Nutzfahrzeuge. Und nach Aussage des Managements sind die Ingenieure bereits dabei, neue Motoren zu entwickeln.

Reichlich Raum für die Ladung

Und sonst so? Sonst machen die Koreaner mit dem gezielt für den europäischen Markt entwickelten Lieferwagen vieles richtig. In der langen Version passen locker 5 Europaletten in den Laderaum. Beim kurzen Radstand fasst der Kastenwagen im Ladeabteil immer noch deren vier.

Ausgerüstet ist der Laderaum des H350 schon ab Händler mit einer von drei möglichen Ausstattungslinien vom Inneneinrichter Bott – praktisch vor allem für Kunden, die ein Fahrzeug komplett neu kaufen und keines ersetzen. Denn Erstere freuen sich über nur eine Rechnung und niedrige Leasing-Raten. Außerdem müssen sie sich nicht noch nach einem Fahrzeugausrüster umschauen, sondern bekommen alles aus einer Hand.

Durchdachte Details

Setzt man auf der Zubehörliste von Hyundai ein Kreuz bei der Anhängerkupplung, schleppt der Lieferwagen bis zu 3000 kg schwere Anhänger klaglos mit zum Kunden.

Und was sagen die Jungs auf dem Bau? Denen gefällt vor allem das Raumangebot im Cockpit. Auch Detaillösungen - wie das Staufach auf dem Armaturenbrett - sorgen für zustimmendes Nicken. Denn hier kann man, dank integrierter Ladebuchse, auch mal das Smartphone aufladen, ohne dass Langfinger davon etwas mitbekommen.

Fazit

30.980 Euro (zzgl. MwSt.) ruft Hyundai für den neuen H350 auf. Dafür bekommt der Kunde ein durchdachtes Nutzfahrzeug, ohne große Schwächen. Nicht mehr zeitgemäß ist der Verbrauch. Aber ansonsten gibt es nicht viel zu kritisieren. Ob das reicht, um den Koreaner am Markt erfolgreich zu machen, bleibt abzuwarten. Denn die Konkurrenz ist groß, namhaft und zum Teil seit Jahren etabliert. Nichtsdestotrotz haben die Koreaner ein heißes Eisen geschmiedet, das auf alle Fälle eine genauere Betrachtung verdient, wenn Investitionen anstehen. Denn noch dazu gibt Hyundai drei Jahre Garantie – und das "ohne wenn und aber", verspricht Deutschlandchef Schrick.

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Foto: Torsten Hamacher
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