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Foto: handwerk.com

Miniatur-Wunderland

Ein Traum vom Süden in 1:87

Die Amalfiküste, Venedig, ein lava­speiender Vesuv und der päpstliche Peters­dom: Im Hamburger Miniatur-Wunderland, der größten Modelleisenbahn-Anlage der Welt, wird gerade an Italien gebaut. Etliche gelernte Handwerker wirken daran mit.

Besuchermagnet:
Miniatur-Wunderland-Besucher

Von Milko Haase

Natürlich fahren sie hier Vespa, in Italien, an der Elbe. Damit das auch im Dunkeln und im Maßstab 1:87 gut aussieht, werden in den Werkstätten des Miniatur Wunderlands gerade hunderte winzige Kunststoff-Motorroller umgebaut. Sascha, früher mal Immobilienkaufmann, bringt sie alle zum Leuchten.

In der Hamburger Speicherstadt erschaffen nach und nach 40 fest angestellte Mitarbeiter auf 170 Quadratmetern einen Traum vom Süden – exakt in Spurweite HO. Italien wird der nächste Abschnitt der nach Angaben der Betreiber weltgrößten Modelleisenbahn mit ihren zur Zeit noch 13 000 Gleismetern, 930 Zügen und 215 000 Figürchen. Die Amalfiküste soll zuerst fertig sein. Rom, Venedig und die Cinque Terre folgen – ein Zwei-Millionen-Euro-Projekt.

Es sind Spezialisten, Quereinsteiger, professionelle Modellbaufreaks, die hier in vier Regional-Teams ihr Italien zusammensetzen. „Gelernte“ wie Schlosser, Tischler, Elektroniker, Mechatroniker und Programmierer gehören dazu. Aber auch Mitarbeiter wie der ehemalige Koch, der besonders gut Berge aus Gips modellieren kann. Oder der Einzelhandelskaufmann mit Expertise für Feuerwehrfahrzeuge in HO.

Nur ganz wenig ist fertig zu kaufen, viele Lösungen müssen ganz neu ausgetüftelt werden. Und alles muss haltbar sein, mechanisch robust und schnell zu reparieren.

Wie der Vesuv zum Leben erweckt wird, erfahren Sie auf Seite 2.

Zwischen Fingerarbeit und komplexer Denkweise

Heute Vormittag haben sie ein Stück der Amalfiküste begrünt. Jetzt setzen ein Tischler und sein Kollege beflockte Bäume auf die Bergzüge, die bis unter die Decke des alten Speicherbodens reichen. Damit die Weiden und Getreidefelder im Vorland auch aussehen wie Weiden und Getreidefelder, wurden sie elektrostatisch beflockt. Nur so stehen die Fasern schön aufrecht. Im Hintergrund der Modellbaulandschaft erhebt sich der Vesuv: Noch ist er eine nackte Metallkonstruktion und geographisch nicht ganz am richtigen Ort, aber darauf kommt es im Miniatur Wunderland auch nicht wirklich an.



Denn interessant ist das, was der Vesuv in Zukunft kann: Der Vulkan soll eine der 80 „Knopfdruck-Aktionen“ der Gesamtanlage werden. Doch wie spuckt ein Berg aus Eisen, Fliegendraht und jeder Menge Gips auf Knopfdruck Lava? In der Werkstatt nebenan versucht Stefan Dombrowski dieses Problem zu lösen. „Ich bin mein Leben lang ein Bastler gewesen“, sagt der Ex-Röntgentechniker. Den Vesuv will er jetzt mit Kinetiksand in Bewegung setzen, einem faszinierend fließfähigen Material aus der Therapiearbeit.

„Mach mal“, sagt Chefmodellbauer Gerhard Dauscher in so einem Fall zu seinen Leuten. Wie der Vesuv zum Leben erweckt werden kann, steht in keinem Handbuch. Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern schaue er daher „nicht nach Zertifikaten, sondern nach Talenten“, berichtet Dauscher, ein 47-jähriger Regensburger, der früher als Werkzeugmacher bei einem Modelleisenbahnhersteller beschäftigt war. Das Wunderland ist auch aus diesem Grund eine faszinierende Mischung aus Bastelstube für Modellbau-Nerds und einem hochkomplexen Planungsprojekt, das von Fachhandwerkern, Planern und Ingenieuren vorangetrieben wird.

Wie aufwendig der Bau von Klein-Italien ist, lesen Sie auf Seite 3.

Kein Salat:
Miniatur-Wunderland_Kabel

Ein langer Weg bis zum Ziel

Dem Baustart von Klein-Italien gingen mehrjährige Vorplanungen voraus. Wie werden die Besucher geführt? Wo muss Platz sein für die Technik und die Schattenbahnhöfe? Wie müssen Relief und Gleisführung beschaffen sein, damit die Züge auch die Steigungen bewältigen können? Bei drei Prozent ist nämlich Ende, dann „radiert“ die Lok – ihre Räder drehen durch. Der Gelände-Unterbau verbirgt aus diesem Grund meterhohe Gleiswendel, die die Züge in die Höhe führen. Rund einhundert werden insgesamt auf der Anlage unterwegs sein. Nach einer halben Stunde Fahrzeit braucht jede Lok regelmäßig eine Ruhepause – auf unterirdischen Gleisanlagen unter dem Bergland, im „Schatten“.

Seit November 2013 wird jetzt an Italien gearbeitet – ein Land im Rohbaustadium. „Wir haben wie immer mehr Ideen als Quadratmeter“, so Chefmodellbauer Dauscher. Dass der Petersdom – samt Papst-Miniatur – gebaut wird, steht fest. Das Kolosseum erhebt sich so groß wie ein Lkw-Reifen bereits als Papp-Dummy im künftigen Rom. Allein acht der 35 Mitarbeiter, die auf Recherche-Tour in Italien waren, haben mit ihren Kameras auf dem Markusplatz in Venedig Details und Stimmung gefilmt, damit die 1:87-Inszenierung möglichst authentisch wirkt.

An diesem Mix aus weltbekannten Sehenswürdigkeiten und Phantasieorten- und -landschaften arbeitet auch die junge Architektin im Raum neben der Fräsabteilung. Sie zeichnet mit Hilfe eines CAD-Programms in Italien abfotografierte Gebäude und zerlegt sie dann konstruktiv in einzelne Scheiben, die dann nebenan teilautomatisiert aus Polystyrol gerausgefräst werden. Andere Kollegen übernehmen die Gestaltung im Detail.

Bis wann Klein-Italien Bestand haben wird, lesen Sie auf Seite 4.

Arbeit an einer Eisenbahnbrücke:
Miniatur-Wunderland_Haase1

Bis Ende 2015 für Besucher offen

Einen langen Atem brauchen sie hier alle, bis Ende 2015 das Italien-Wunderland endlich für die Besucher offenstehen soll. Gaston Burkhardt kümmert sich gerade um das Finish einer großen, historisch anmutenden Eisenbahnbrücke. Zig Farbaufträge in verschiedenen Wisch- und Pinseltechniken sorgen dafür, dass das Bauwerk auf keinen Fall nach einer Konstruktion aus Kleber, Kunststoff und geätzten Metallblechen aussieht. „Modellbrückenbauer“ steht auf seiner Visitenkarte. Das meterlange Modell der Köhlbrandbrücke, die sich auch im Miniatur Wunderland über den Hamburger Hafen erstreckt, stammt ebenfalls von Burkhardt. Sein Lebensmotto: In der Ruhe liegt die Kraft.

Weitere Informationen: www.miniatur-wunderland.de

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