Energiepreise: „Wir müssen die Erhöhungen weitergeben“, sagt Landesinnungsmeister Matthias Winter.
Foto: Tischler Schreiner Deutschland

Energiekosten

„Wer die Preiserhöhungen nicht weitergibt, wird als erster sterben“

Handwerksmeister Matthias Winter ist in Sorge: Hohe Material- und Energiekosten müssten die Betriebe an ihre Kunden weitergeben. Aber wird das jeder tun?

Auf einen Blick:

  • Energiepreiserhöhungen betreffen Betriebe mit hohem Energiebedarf stärker, weil sie bisher Sonderkonditionen hatten, die nun wegfallen, sagt Tischlermeister Matthias Winter.
  • Doch die Energiekosten sind für Betriebe nicht das größte Problem, sondern die gestiegenen Materialpreise. Beides sollten Handwerker an ihre Kunden weitergeben, fordert Winter – auch wenn das zu weniger Aufträgen führt. Denn nur wer seine Kosten deckt, werde die Krise überstehen.
  • Aktuelle Sorgen vor einer Abwanderung von Fachkräften in die Industrie hat der Handwerker hingegen nicht: Die Industrie zahle zwar besser, doch dort halte man sich mit Einstellungen derzeit zurück.
  • Die Ausbaugewerke sind einer aktuellen Umfrage zufolge etwas weniger stark von den steigenden Energiepreisen und Materialmangel betroffen. Zumindest ist hier mit 18 Prozent der Anteil der Handwerker am niedrigsten, die von sich sagen, dass sie Preissteigerungen überhaupt nicht an die Kunden weitergeben können.

    Einfach ist die Situation in den Ausbaugewerken deswegen jedoch nicht. Matthias Winter zum Beispiel führt eine kleine Tischlerei in Bremen. Er und seine vier Mitarbeitenden bauen Möbel, Inneneinrichtungen und auch Ladeneinrichtungen. Ehrenamtlich ist der 60-Jährige als Landesinnungsmeister des Tischlerverbands Bremen/Niedersachsen und im Präsidium von Tischler Schreiner Deutschland aktiv. Wie er die Lage und die Aussichten einschätzt, berichtet Winter hier im Interview.

    Wie ist die Energiepreis-Lage bei Tischlern?

    Matthias Winter: Strom und Gas werden für alle teurer, aber man kann nicht sagen, dass durchgängig alle Betriebe Probleme mit den Energiekosten haben. So hat ein großer Teil der Tischlereien Holzheizungen, so wie wir auch. Wir verheizen unsere Holzabfälle. Gas hat noch maximal die Hälfte der Betriebe. Auch beim Strom haben ganz viele Kollegen schon vor längerer Zeit investiert, zum Beispiel in LED-Beleuchtung und in Photovoltaik.

    Also schlagen die Preiserhöhungen nicht überall voll durch?

    Winter: Beim Strom hängt das auch vom Maschinenpark ab. Kollegen mit einem sehr großen Maschinenpark haben Großverbraucherkonditionen. Für diese Betriebe wird es deutlich schwieriger und teurer. Kollegen mit gemischter Fertigung haben im Vergleich dazu einen nicht so hohen Verbrauch und keine Sonderkonditionen. Die merken die Preiserhöhungen für den Strom kaum stärker als die Verbraucher.

    „Betriebe mit Sonderkonditionen zahlen jetzt mehr“

    Von was für einem Unterschied sprechen wir?

    Winter: Wenn ich ohne Sonderkonditionen vorher 30 Cent für die Kilowattstunde Strom bezahlt habe und jetzt vielleicht 55 oder 60 Cent, dann ist das eine Verdopplung. Wenn ich vorher mit Sonderkonditionen 4 oder 5 Cent gezahlt habe und jetzt 55 oder 60 Cent zahlen soll, dann ist das mehr als das Zehnfache.

    Wie hoch ist der Anteil der Betriebe mit Sonderkonditionen bei den Tischlern?

    Winter: Das ist ganz unterschiedlich. Leider gibt es dazu keine Erhebungen, aber für Bremen schätze ich den Anteil der Tischler mit Sonderkonditionen auf weniger als 10 Prozent. In anderen Bereichen, auf dem Land, sind es sicher bis zu 50 Prozent.

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    „Wir müssen die Preiserhöhungen weitergeben“

    Eine aktuelle Umfrage des ZDH zeigt, dass neben den Energiekosten die Materialpreise weiter ein Problem sind. Wie sieht es bei den Tischlern aus?

    Winter: Die Materialpreise steigen insgesamt. Alleine die Preise für Glas, Holz und Platten haben sich verdoppelt. Für Glas, Holz und Platten geben wir viel mehr aus als für Energie und die Preissteigerungen sind gravierender. Diese Verteuerung bereitet den Betrieben viel mehr Probleme als die Steigerung der Energiekosten.

    Können die Tischler die Preise an die Kunden weitergeben?

    Winter: Beim Material geben wir Tischlereien Preiserhöhungen automatisch weiter, wenn wir nicht durch langfristige Verträge gebunden sind. Und genauso müssen wir die steigenden Energiekosten einpreisen. Dazu sind jetzt alle Kollegen aufgefordert: die Preise zu erhöhen, um die Einkaufspreise weiterzugeben.

    Und wenn Kollegen sagen, dass ihre Kunden das nicht akzeptieren?

    Winter: Diese Steigerungen sind für Endverbraucher nicht schön, aber wir müssen die Preise erhöhen, wenn wir überleben wollen. Eine Abwärtsspirale wird in jedem Fall kommen. Wer dann Preise auf einem angemessenen, kostendeckenden Niveau hat, der wird das überleben. Aber diejenigen, die jetzt schon finanziell auf Kante genäht sind und die Erhöhungen nicht weitergeben, werden als erste sterben. Und das wollen wir alle nicht.

    Neue große Aufträge? „Das Telefon steht still“

    Sie sprechen von einer Abwärtsspirale. Die Entwicklung geht also nicht spurlos an den Betriebe vorbei …

    Winter: Ich persönlich hatte noch keine Stornierungen. Aber wir alle merken, dass die Kunden deutlich zurückhaltender werden. Kollegen sagen, dass das Telefon seit Wochen still steht, dass die Kunden keine neuen großen Aufträge platzieren. Aktuell können wir noch die alten Aufträge abarbeiten, aber es kommen keine großen Neuen. Der Kleinkram geht natürlich weiter, hier mal eine Reparatur, da eine neue Tür oder ein Schrank. Aber die größeren Sachen werden schwieriger.

    Und wie ist die Lage im Neubau?

    Winter: Das ist interessant, denn die Tischler bekommen keine großen Anfragen mehr. Und gleichzeitig beklagen sich Generalunternehmer, dass sie von den Tischlern keine Angebote auf ihre Anfragen erhalten. Was damit zu tun hat, dass die Tischler heute Angebote für große Aufträge abgeben sollen, die erst in einem Jahr anstehen. Dafür können die Betriebe derzeit aber keine Einkaufspreise kalkulieren und geben deswegen keine Angebote ab. Das bedeutet, dass von der Seite in einem Jahr auch keine großen Aufträge zur Ausführung anstehen.

    Lieferanten sollten ihre Preisstrategie hinterfragen

    Wie sind Ihre Erwartungen, wie lange das alles andauern wird?

    Winter: Das ist schwer zu sagen. Das hat viel mit der Inflation zu tun. Die gute wirtschaftliche Entwicklung im Handwerk war davon getragen, dass sehr viel Geld vorhanden war, dass die Zinsen niedrig waren und die Menschen keine Angst hatten. Jetzt wird das Geld knapper, die Zinsen ziehen an, Geldanlagen werden attraktiver und gleichzeitig haben die Menschen wieder Angst um die Zukunft. Sie sind also gar nicht in der Laune, neue Aufträge zu erteilen. Das betrifft alle hochpreisigen Anlagegüter und uns genauso.

    Wenn die Nachfrage sinkt, müssten dann nicht auch die Einkaufspreise wieder sinken?

    Winter: Jedenfalls klagen die Lieferanten über deutliche Rückgänge in den Orderbüchern. Da wird es spannend, ob die Preise, die ja exorbitant erhöht wurden, jetzt auch wieder sinken. Die Frage ist, ob die Lieferanten mit ihren Preisen auf Dauer durchkommen. Im Augenblick funktioniert es für sie noch, aber wenn es so weitergeht, dann ist es an der Zeit, dass sie ihre eigene Preisstrategie hinterfragen.

    Wie geht es dem Team?

    Sie haben vier Mitarbeiter, die spüren die Inflation sicherlich auch. Haben Sie Sorgen, dass der eine oder andere vielleicht an einen Wechsel in die Industrie denkt?

    Winter: Das kann passieren. Das Problem haben wir hier in Bremen sowieso, da hier Arbeitgeber wie Mercedes und Airbus exorbitante Löhne zahlen. Aber die stellen gerade nicht mehr neu ein und haben ihre Leiharbeitnehmer nach Hause geschickt. Deswegen ist das kurzfristig nicht unbedingt eine Alternative für unsere Fachkräfte.

    Gab es in Ihrem Team schon Fragen nach mehr Geld?

    Winter: Nein. Natürlich merken meine Mitarbeiter, dass die Preise steigen. Aber sie werden alle deutlich über Tarif bezahlt und sind finanziell nicht so auf Kante genäht. Wir werden aber als Bundesverband mit den Sozialpartnern besprechen, ob man die steuerfreie Inflationsprämie von 3.000 Euro nicht sinnvoll in den Tarifvertrag einbauen kann, um alle Mitarbeiter finanziell zu entlasten.

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