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Politik und Gesellschaft

Entsorgung am Limit: 2.300 Euro für eine Tonne Dämmstoff

Preisexplosion, Annahmestopps, Mülltourismus. Wie dieser niedersächsische Betrieb klagen immer mehr Handwerker im Land über Entsorgungsprobleme.

Auf einen Blick

  • Matthias Fricke plagen Entsorgungsprobleme: Eine Tonne Dämmmaterial mit Bitumenresten kosten in seinem Landkreis 2.300 Euro. Noch schlimmer: Immer wieder herrschen Annahmestopps für die Reststoffe.
  • Fricke ist kein Einzelfall. Der Landesinnungsverband des Dachdeckerhandwerks Niedersachsen-Bremen berichtet, dass immer mehr Betriebe im Land über Entsorgungsengpässe und Kostensteigerung klagen.
  • Durch die Engpässe erhöht sich der Aufwand bei den Betrieben. Beim Schreiben von Angeboten können sie für die Entsorgung keine zuverlässigen Preise nennen, zudem wächst der Mülltourismus.
  • Gibt es auch bei Ihnen Probleme mit der Entsorgung? Schreiben Sie uns!

Flachdachabriss. Dieses Wort hat für Dachdeckermeister Matthias Fricke aktuell Gänsehautpotenzial. Wenn eine Kundenanfrage die Entsorgung eines alten Flachdachs beinhaltet, kann sich der Betrieb aus dem Landkreis Goslar in Niedersachsen auf diverse Scherereien gefasst machen. Das beginnt beim horrenden Preis: „Die Entsorgung von Dämmstoff, an dem Bitumen klebt, kostet derzeit über 2.300 Euro pro Tonne“, sagt der Unternehmer.

Mondpreise und Annahmestopps

Dabei können verbaute Dämmstoffe schnell ein stattliches Gewicht annehmen. Selbst kleinere Undichtigkeiten im alten Dach sorgen dafür, dass die Dämmmaterialien sich mit der Zeit mit Wasser vollsaugen. Dieses Zusatzgewicht zahlt man bei der Entsorgung mit. Was macht das aus? Matthias Fricke hat im Sommer ein Flachdach mit 150 Quadratmeter Fläche entsorgt, in dem eine zehn Zentimeter dicke Dämmschicht verbaut war. „Die war nicht ganz trocken, aber auch nicht voll mit Wasser gesättigt“, erzählt der Unternehmer. Gewicht des Dämmstoffabfalls mit anhaftendem Bitumen: 3,5 Tonnen. Entsorgungskosten bei den aktuellen Preisen: mehr als 8.000 Euro.

Dabei sind die Mondpreise für die Gebrüder Fricke GmbH derzeit nicht einmal das Hauptproblem. Viel schlimmer: „Für die Dämmstoffabfälle gibt es immer wieder Annahmestopps im Landkreis“, so Fricke. Er und Kollegen der Branche werden ihren Bauschutt dann gar nicht bei den Entsorgern los.

Nicht nur mit Dämmstoffen gibt es Probleme

Der Dachdeckermeister aus Goslar ist damit kein Einzelfall. André Hannes, Technischer Geschäftsführer vom Landesinnungsverband des Dachdeckerhandwerks Niedersachsen-Bremen, bestätigt, dass immer mehr Betriebe über Entsorgungsengpässe und massive Kostensteigerungen klagen. „Betroffen sind vornehmlich EPS-Dämmstoffe mit und ohne Belastung durch das Brandschutzmittel HBCD“, sagt Hannes. Auch mit Bitumenabfällen, insbesondere, wenn dieser mit Teer oder Asbest belastet ist, sowie mit schadstoffbelastetem Schornsteinmauerwerk gebe es Probleme.

„Teilweise wird man den Schutt gar nicht los oder man muss ein Vielfaches des Preises zahlen, der noch vor wenigen Jahren galt“, sagt Hannes. Um ihre Mitgliedsbetriebe ein wenig zu entlasten, stellt der Landesinnungsverband derzeit eine Übersichtskarte zusammen, die die Preise der jeweiligen Entsorger und die Kontaktdaten der Ansprechpartner aufführt. Dadurch, dass in einigen Regionen Annahmestopps herrschen, sieht Hannes auch eine wachsende Gefahr des Mülltourismus. Natürlich sei das weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll, den Abbruch weiter als eigentlich nötig mit Lkws durch das Land zu fahren. „Aber man kann die vollen Container ja auch nicht einfach auf der Baustelle stehen lassen“, sagt Hannes.

Engpässe führen zu Unsicherheit

Auch Dachdeckermeister Fricke schaut sich mitunter schon bei den alternativen Entsorgern in benachbarten Landkreisen um. „Inzwischen kann sich das schon lohnen“, sagt der Unternehmer. Ihn ärgert am meisten die Unsicherheit, die durch die Entsorgungsengpässe entsteht. Etwa beim Schreiben der Angebote: „Wir haben einen Projektvorlauf von mehreren Monaten“, erklärt Fricke, „da kann ich einem Kunden unmöglich den Preis für die Entsorgung zum Zeitpunkt seines Projekts nennen.“ Also lässt er den Posten offen und wirbt mit einer transparenten Kommunikation für Verständnis. „Wir sagen den Kunden direkt, dass sie wegen der aktuellen Entsorgungslage mit zusätzlichen Kosten im vierstelligen Bereich rechnen müssen“, sagt Fricke.

Wie sieht es in Ihrem Gewerk und Ihrer Region mit der Entsorgung von Bauabfällen aus? Kommentieren Sie unter dem Artikel oder schreiben Sie an gille@handwerk.com

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